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Kurzinfos Mai 2013

«Ja, es sind fremde Richter»

Staatssekretär Yves Rossier schlägt vor, dass der Europäische Gerichtshof Streitigkeiten im bilateralen Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU regelt. Von dieser Lösung könne auch die Schweiz profitieren. «Es gibt aber auch die Möglichkeit, nichts zu tun»: Staatssekretär Yves Rossier, hier während einer Pressekonferenz in Bern. Nach inoffiziellen Berichten über laufende Gespräche zwischen der EU und der Schweiz über die Fortführung des bilateralen Wegs meldet sich nun der Schweizer Chefunterhändler zu Wort. Staatssekretär Yves Rossier hat mit EU-Unterhändler David O'Sullivan «eine praktisch gangbare Lösung» ausgearbeitet, wie die institutionellen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU künftig geregelt werden könnten. Das bestätigte Rossier im Interview mit der «NZZ am Sonntag».

Rossier ist der Meinung, in Zukunft könnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) abschliessend über Streitigkeiten im bilateralen Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz entscheiden. «Im Streitfall steht zur Diskussion, wie jenes EU-Recht ausgelegt wird, das unsere bilateralen Verträge beinhaltet – also jene gesetzlichen Bestimmungen, die wir mit dem Abschluss der Abkommen freiwillig übernommen haben», erklärt Rossier.

Diese Gesetze seien zuvor in einem langen Prozess von den EU-Mitgliedsstaaten untereinander ausgehandelt worden. «Vor diesem Hintergrund ist es logisch, dass nur das oberste EU-Gericht über die Auslegung von EU-Recht urteilen kann.» Aus Schweizer Sicht räumt der Chefdiplomat ein: «Ja, es sind fremde Richter, es geht aber auch um fremdes Recht.»

Rossier betont aber ebenfalls, dass gegebenenfalls die Schweiz den EuGH anrufen dürfe. Dieser stelle sich regelmässig gegen die EU-Kommission. «Der EuGH ist bei Differenzen in Brüssel und einzelnen EU-Staaten sehr ausgewogen», betont der Staatssekretär gegenüber der «NZZ am Sonntag».

Bisher, so Yves Rossier weiter, seien die Vorgaben des Bundesrates und jene des EU-Rates im Streitfall um die institutionellen Fragen unvereinbar. Nun müssten Bundesrat, Parlament und eventuell das Volk entscheiden, ob man basierend auf seinen Skizzen mit dem EU-Rat in Verhandlungen einsteigen wolle.

Es gebe aber auch die Möglichkeit, nichts zu tun, sich mit bestehenden Abkommen zufrieden zu erklären und allfällige Konsequenzen auszuhalten. Sollte die Schweiz der EU bei den institutionellen Fragen entgegenkommen, könnte sie neue Abkommen schliessen, die in ihrem wirtschaftlichen Interesse seien, sagte der Chefunterhändler. Ansonsten gäbe es «wohl gewisse ökonomische Nachteile». Tages Anzeiger, 18. Mai 2013.



Riesenlastwagen dürfen Grenzen passieren

Überlange Lastwagen, sogenannte Gigaliner, sollen grenzüberschreitend in der EU fahren dürfen. Einen entsprechenden Richtlinienentwurf legte die EU-Kommission Mitte April 2013 vor.Über die Rechtmäßigkeit grenzüberschreitender Fahrten von Gigalinern sind sich die EU-Kommission und das EU-Parlament bisher uneinig. Noch 2010 hat die EU-Kommission bestätigt, der grenzüberschreitende Verkehr von Gigalinern verstoße gegen geltendes EU-Recht. Der aktuelle Vorschlag überlässt die Entscheidung den Mitgliedstaaten.

Die circa 25 Meter langen und mehr als 40 Tonnen schweren Riesen-Lkws stehen in der Kritik, da sie Klima und Umwelt schaden und teure Umbauten der Verkehrsinfrastruktur notwendig machen. Im Einsatz sind sie bereits in den Niederlanden, Teilen Skandinaviens und teilweise in einigen deutschen Bundesländern. ,,Die Erlaubnis grenzüberschreitender Fahrten könnte der Dammbruch sein, mit dem zeitversetzt die Riesen-Lkw in allen Ländern Europas Einzug halten. Auch wenn die EU uns die Gigaliner nicht aufzwingt, will sie ihnen jetzt doch sperrangelweit eine Hintertür öffnen", sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege.

Auch die Grünen im Europaparlament kritisieren den Vorstoß. ,,Einmal mehr sollen einige wenige große Unternehmen die Gewinne einstreichen, während die Allgemeinheit für die Kosten durch Umbauten, Unfälle und Umweltschäden aufkommen soll. Das ist ein klassischer Fall von Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste", erklärten Michael Cramer und Eva Lichtenberger, verkehrspolitische Sprecherlnnen der Grünen im EU-Parlament. Im Mittelpunkt des neuen Richtlinienentwurfs stehen ökologischere Zulassungsbestimmungen für Lkws. Durch aerodynamische Zugmaschinen sollenTreibhausgasemissionen und der Enerieverbrauch und CO2-Ausstoß von Lkws gesenkt werden. Der Richllinienvorschlag muss nun im Europäischen Parlament abgestimmt werden. Kommission:www.kurzlink.de/komentgigaStellungnahme Grüne:www.kurzlink.de/greensgigakritStellungnahme Allianz pro Schiene:www.kurzlink.de/apsgigakrit; umwelt aktuell, Mai 2013, S. 25.


Bilateraler Vertrag CH-EU gegen Kartelle

Bundesrat Johann Schneider-Ammann und EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia haben am Freitag, den 17. Mai 2013, in Brüssel ein Abkommen über die Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden der Schweiz und der EU unterzeichnet. Als Vertreter der Mitgliedstaaten, die die Unterzeichnung im April gebilligt hatten, unterschrieb auch der irische EU-Botschafter Thomas Hanney. Der Vertrag muss noch vom EU-Parlament und vom Schweizer Parlament genehmigt werden, bevor er inKraft treten kann. Schneider-Ammann sprach vor den Medien von einem wichtigen Schritt zum Schutz des Wettbewerbs in Europa.

Das Abkommen schafft Regeln für die Zusammenarbeit, ohne dass das Wettbewerbsrecht harmonisiert wird. Vielmehr wendet jede Vertragspartei weiterhin ihr eigenes Recht an. Auch ein Marktzugang ist mit der Kooperation nicht verbunden, was erklärt, warum die 2011 aufgenommenen Verhandlungen unabhängig vom gegenwärtigen bilateralen Tauziehen über „institutionelle Fragen“ abgeschlossen werden konnten. Auf Basis des Abkommens können sich die Wettbewerbsbehörden künftig ihre Massnahmen zum Vollzug des Wettbewerbsrechts gegenseitig Mitteilen und diese im Falle von miteinander verbundenen Sachverhalten koordinieren. Sind auf beiden Seiten parallele Untersuchungen im Gange, können die Wettbewerbskommission (Weko) und die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission künftig vertrauliche Informationen und Beweismittel austauschen. Der Informationsaustausch unterliegt strengen Anforderungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und -personenbezogenen Daten. Die. Informationen dürfen ausschliesslich zur fallbezogenen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts verwendet werden. Beweismittel dürfen nicht eingesetzt werden, um Sanktionen gegen natürliche Personen zu verhängen. Die Behörden sind nicht verpflichtet, auf ein Ersuchen der Schwesterbehörde einzutreten. Eine solche Zusammenarbeit ist unter anderem nützlich, wenn beide Seiten ein grenzüberschreitend tätiges Kartell untersuchen. Beispiele aus der Vergangenheit wären das Luftfracht-und das Speditionskartell, die Libor-Manipulation ist einer der neueren Fälle. Bisher waren Kartellteilnehmer stets im Vorteil: Während sich ihre Anwälte über alle Details der Verfahren austauschen konnten, waren den Wettbewerbshütern die Hände gebunden.Wie Patrik Ducrey von der Weko auf Anfrage ausführte, wird ein solcherAustausch in parallel laufenden Verfahren auch in Zukunft nicht allzu häufigvorkommen. Von grossem Nutzen sei daneben aber, dass die beiden Behörden künftig auch über ihre übrigen Aktivitäten reden dürften. Gäbe es das Abkommen schon, könnte die Weko zum Beispiel Fragen zur gegenwärtigen EU-Untersuchung über mutmassliche Manipulationen der Referenzpreise für Erdöl stellen, um zu klären, ob es Bezüge zur Schweiz gibt. Derzeit kann ihr die EU-Kommission wegen des Amtsgeheimnisses nur wenig helfen.

Mit dem Abkommen betritt nicht nur die Schweiz, sondern auch die EU Neuland. Zwar hat Letztere bereits vier Kooperationsabkommen im Wettbewerbsbereich (mit den USA, Kanada,Japan und Südkorea), doch sind dies Abkommen der „ersten Generation“. Dies bedeutet, dass lnformationen und Unterlagen, die die Behörden im Rahmen ihrer Untersuchungen erlangen, nur mit Zustimmung der Informationsquelle ausgetauscht werden dürfen. Das Abkommen mit der Schweiz ist nun das erste der „zweiten Generation“, weil es diese Zustimmung unnötig macht. NZZ, Samstag, 18. Mai 2013, S. 27


Relationen Bevölkerungsanteile

Die EU umfasst 7% der Weltbevölkerung und 25% Weltwirtschaftsleistung (Zahlen: suisseurope, Blatt des Integrationsbüros, Edition III/2013; Mai, S. 7). Ziel der EU ist es, mittels Gründung einer Grossmacht dieses Missverhältnis andauern zu lassen.


Ein Nord-Euro wäre ähnlich labil wie der Euro

Einem verbreiteten Ansatz folgend, der nicht nur die Politik beherrscht, sondern auch die unhistorisch arbeitenden Teile der Wirtschaftswissenschaft, muss jede Generation ihre Fehler selber machen. Anders ist die Debatte um den Nord-Euro nicht zu erklären, wenn man sich vor Augen führt, dass es solch eine Währung unter anderer Bezeichnung tatsächlich schon gegeben hat: Im Jahre 1872 gründeten Schweden und Dänemark die Skandinavische Währungsunion (Theurl 1991), die später auf Norwegen erweitert wurde.

Diese frühe Gemeinschaftswährung erstreckte sich auf Staaten, die nicht nur wirtschaftlich ähnlich und geografisch benachbart waren, sondern die auch zu Recht als fiskalisch besonders diszipliniert gelten und damit denkbar günstige Voraussetzungen mitbrachten. Gleichwohl ist die Skandinavische Währungsunion gescheitert.

Die Lateinische Münzunion, der neben Frankreich, Italien, Belgien und Griechenland auch die Schweiz angehörte, ist ebenso gescheitert. Dasselbe gilt für den Wiener Münzvertrag zwischen Österreich und mehreren deutschen Staaten und für sämtliche zwischenstaatlichen Währungsunionen, die man auf anderen Kontinenten versucht hat. Einzuschränken ist diese Aussage lediglich für Währungsverbünde unterschiedlich grosser Staaten, bei denen einer im Chefsessel sitzt und führt, während sich der Rest unterordnet. Das Beispiel der Schweiz und Liechtensteins zeigt, dass solch ein Arrangement funktionieren kann. Ähnliches gilt für die von den Vereinigten Staaten bzw. Frankreich angeführten Währungsverbünde einiger karibischer bzw. afrikanischer Kleinstaaten.

Der Vorschlag eines Nord-Euro mag politisch korrekt sein. Er erteilt der Euro-Zone, die die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat, eine Absage, vermeidet aber eine Renationalisierung. Inhaltlich ist diese Idee aber eindeutig abzulehnen; ein Nord-Euro würde aus denselben Gründen zerbrechen wie die Euro-Zone selbst. Schweden und Dänemark, diese beiden kleinen und hochintelligenten Länder, wissen ganz genau, warum sie ihre nationalen Währungen behalten wollen, während andere Länder die schmerzliche Erfahrung einer gescheiterten Währungsunion erst noch machen müssen.

Wie lange der Euro Bestand haben wird, weiss niemand zu sagen, weil nicht klar ist, welchen Druck die Regierungen der Euro-Zone noch aufbauen werden, um den Fehlschlag ihres Prestigeprojekts hinauszuzögern. Wer aber meint, die europäische Gemeinschaftswährung sei ein einzigartiges Experiment mit unklarem Ausgang, verkennt die zahlreichen historischen Vorbilder, die sämtlich gescheitert sind. Noch drei weitere Lehren hält die Geschichte bereit. Erstens wird das Ende der Euro-Zone wohl kaum in geordneten Bahnen erfolgen; wahrscheinlich ist vielmehr ein spontaner und streitbefangener Zerfall. Zweitens werden aller Voraussicht nach nicht wirtschaftlich schwache Staaten die Währungsunion beenden, sondern vielmehr die starken. Auch in der Lateinischen Münzunion gingen die zentrifugalen Kräfte eher von der Schweiz und Belgien aus als von Griechenland, Italien und Frankreich. Drittens aber, und dieser Gesichtspunkt ist der wichtigste, wird die Auflösung der Euro-Zone keine tiefen wirtschaftlichen Verwerfungen mit sich bringen. Aktuelle Beispiele gibt es genügend, etwa die Rubel-Zone der früheren UdSSR, die Kronen-Zone der früheren Tschechoslowakei oder die Dinar-Zone des früheren Jugoslawien. Sie alle zerfielen mehr oder weniger lautlos, und das Ausland nahm kaum Notiz, obwohl zumindest die Rubelzone durchaus gewichtig war. Insofern sind Katastrophenszenarien, die im Zusammenhang mit dem Zerfall der Euro-Zone gemalt werden, nicht ernst zu nehmen; sie beruhen auf mangelnder Sachkenntnis oder auf verdeckten Interessen. Aus meiner Sicht wäre eine rasche Rückkehr der Mitgliedstaaten zu nationalen Währungen sowohl für die Wirtschaft als auch für den Frieden in Europa besser als der bisherige Kurs verschärfter Repression. Der Druck im Kessel, den die Völker der Geberländer wie der Nehmerländer derzeit aufbauen, ist bei Fortbestand der Demokratie nicht auszuhalten, und eine Ablösung der Demokratie erscheint hoffentlich auch den meisten Euro-Befürwortern als zu hoher Preis. NZZ, Mittwoch, 22. Mai 2013, S. 33, Überlegungen von Stefan Homburg, ganzer Artile unter: http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/ein-nord-euro-waere-aehnlich-labil-wie-der-euro-1.18084941


Der Europäische Gerichtshof ist ein fachlich schlechtes Gericht

Beat Kappeler: Gewisse Berner Bundesstellen wollen ein institutionelles Abkommen mit Brüssel, das bei Streitfällen «logischerweise» vom obersten Gericht der EU angewendet werden soll. Soll man den Europäische Gerichtshof als Hüter eines Vertrags Schweiz-EU als «fremden Richter» akzeptieren?

Das muss man ohne jede Emotion ablehnen, ganz einfach, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor aller Augen bewiesen hat, dass er Recht verdreht und dass er voreingenommen ist. Einem solchen Gericht soll sich niemand freiwillig ausliefern.

Denn als der Euro wegen der griechischen, irischen, portugiesischen Krise auseinanderzubrechen drohte, griff die Euro-Gruppe zu Hilfspaketen und ab 2013 zum Hilfsfonds ESM von 500 Mrd. €. Doch in der Verfassung der EU, im Lissabonner Vertrag, steht klar das Wort «verboten» für jede Hilfe an Mitgliedsländer (Art. 125). Die einzige Ausnahme wird sogar ausdrücklich erwähnt, nämlich Katastrophen, die nicht vom Zutun der Länder herrühren. Griechenland und die anderen Hilfsbezüger ritten sich jedoch aus freien Stücken und aus eigenem Versagen heraus in ihre Krise.

Was aber entschied der EuGH im letzten November, als ein irischer Parlamentarier gegen diese Hilfe im ESM-Fonds klagte? Es ist alles rechtens.

Die obersten Richter bogen ihre Interpretation der EU-Verträge in skandalöser Weise dem politischen Willen der Finanzminister entlang zurecht. Denn die Finanzhilfe gehöre «offenkundig nicht zur Währungspolitik», sondern zur Wirtschaftspolitik. Wer aber den Zweckartikel des ESM liest, findet dort «die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt».

Das ist klar und spezifisch, und bedeutet keine in irgendeiner Weise verschwommene Wirtschaftspolitik. Dann schien sich der Gerichtshof doch an den Verbotsartikel zu erinnern, fand aber, dass die «strengen Auflagen die Vereinbarkeit des ESM mit der Nichtbeistandsklausel gewährleisten». Aber nirgends mildert der Vertrag das klare Beistandsverbot durch irgendwelche «strengen Auflagen». Das ist frei erfunden.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte sich schon 2011 ebenfalls zum Beistandsverbot zu äussern. Auf eine Klage von Wirtschaftsprofessoren hin fand es leichthin, weder Grundrechte noch Parlamentsrechte seien verletzt, wenn trotz Verbot eine Beihilfe geleistet werde, und die 170 Mrd. € des deutschen Anteils seien auch bei Verlust irgendwie noch finanzierbar. Wenn man also knapp an einer Budgethavarie vorbeischrammen kann, ist auch ein Verbot umgehbar. So steht es aber nirgends im Verbotsartikel.

Der EuGH seinerseits fand in seiner Klitterung dann auch noch, dass ein unterstütztes Mitgliedsland weiterhin selbst für seine Schulden hafte, nicht der ESM. Doch dank dem ESM tritt eben der Haftungsfall gar nie ein. Dieser strikt materielle Sachverhalt wird mit formaler Wortklauberei weggedeutet. Solch ein oberstes Gericht ist kein gutes Gericht, sondern eine Gefälligkeitsagentur. Die Schweiz als Nichtmitglied der EU hätte in einem Streitfall kaum Gutes zu erwarten, ihr wird das Gericht nicht zu Gefallen sein.

Der zweite Fehler des EU-Gerichts liegt in seiner stromlinienförmigen Anwendung der Präambel der EU-Verträge seit 1958. Diese fordern den «immer engeren Zusammenschluss», weshalb das Gericht in praktisch allen Streitfällen die zentralistischste Variante billigte, anstatt das Subsidiaritätsprinzip hochzuhalten.

Manchmal trieb das Gericht sogar die Vergemeinschaftung freihändig voran. Auch unter dem Diktat des immer engeren Zusammenschlusses hätte ein Nichtmitglied wie die Schweiz immer nur den Wegweiser des Gerichts nach Brüssel zu erwarten.

Die Zuständigkeit des EuGH ist also aus sachlichen, nicht emotionalen Gründen abzulehnen. Die Schweiz soll nicht das Schicksal Deutschlands in der Euro-Gruppe erleben. Das grosse Deutschland liess sich viele papierene Garantien zum Euro geben, alle wurden gebrochen, beim Beihilfeverbot, durch die Zentralbank. Heute glaubt Deutschland an die «strengen Auflagen» im Fiskalpakt gegen die Schulden. Doch vorletzte Woche ertrotzten sich alle Südländer und das träge Frankreich zwei Jahre Aufschub zur Budgetsanierung.

Es gibt Alternativen für eine Gerichtsbarkeit Schweiz-EU. Die drei Länder des EWR haben ein eigenes Gericht für Interpretationsfragen geschaffen, präsidiert vom St. Galler Professor Carl Baudenbacher. Dieses richtet sich nur an die drei Mitglieder, es kann nicht über die EU-Seite richten.

Es fragt sich also, ob die Schweiz bei einem Gesamtvertrag mit der EU eher eine Schiedsstelle will, die entweder blosse Interpretationen bei Streitfällen liefert oder als Mediationsstelle wirkt oder eine Verhandlungspflicht ausspricht.

Überhaupt aber tönt ein Gesamtvertrag mit «institutionellen», also gemeinsamen Organen gut, ist aber gefährlich. Es war ein Fangerfolg der EU, alle bisherigen bilateralen Abkommen aneinanderzuhängen. Wenn eines gekündigt wird, sollen alle fallen. Man darf dies bei den neuen Abkommen nicht eingehen, bei den Diensten, bei Bank- und Steuerfragen, bei Erweiterungen im Balkan, bei Strom oder Landwirtschaft.

Gerade darum darf es kein Gesamtabkommen geben, das definitiv als Paket gälte. Eine im wehleidigen Medientreiben zum «Alleingang» übersehene Tatsache steuert dem entgegen: Die EU ist in diesen neuen Abkommen meist der Bittsteller oder Profiteur, nicht die Schweiz. Hoffentlich merken dies wenigstens unsere Unterhändler. NZZ am Sonntag, 26. Mai 2013, S. 41.


Tiefe Gräben in Europa

Während in Regionen wie Salzburg und Oberbayern im vergangenen Jahr die Erwerbslosenquote weniger als 3% betragen hatte, lag sie in vielen Gebieten Südspaniens deutlich über 30%. Von den insgesamt 270 Regionen in der EU-27 hatten 53 eine Erwerbslosenquote von unter 5,2%; ein Wert, der genau der Hälfte des EU-27-Durchschnitts in Höhe von 10,4% entsprach. 25 Regionen hatten dagegen eine Erwerbslosenquote von mehr als 20,8%. Diese Zahlen gehen aus der Erhebung «Erwerbslosigkeit in den Regionen der EU-27 im Jahr 2012» des EU-Statistikamts Eurostat hervor und verdeutlichen, wie tief die Gräben zwischen den einzelnen Regionen in der EU sind.

Die Mehrzahl der Regionen, die sich mit einer Erwerbslosenquote von weniger als 5,2% überdurchschnittlich gut schlugen, lagen vorrangig in Deutschland (22 von 38 Regionen), Österreich (8 von 9 Regionen) und den Niederlanden (7 von 12 Regionen).

Die Erwerbslosenquote ist definiert als der prozentuale Anteil der Erwerbslosen im Alter zwischen 15 und 74 Jahren an der gesamten Zahl an Erwerbspersonen. Zwischen den vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) monatlich veröffentlichten Arbeitslosenstatistiken und den Eurostat-Zahlen bestehen also Differenzen.

Dennoch geht aus dem Zahlenwerk des EU-Statistikamts hervor, dass nur der deutschsprachige Teil der Schweiz mit den wirtschaftlich florierenden Regionen in Deutschland und Österreich im vergangenen Jahr hat mithalten können. Dagegen nahmen die Erwerbslosenquoten in der Genferseeregion (6,6%) sowie im Tessin (6,9%) im europäischen Vergleich zwar vordere Plätze ein. Doch gegenüber Regionen wie Oberbayern (2,7%) oder Tirol (2,5%) lagen sie deutlich im Hintertreffen.

Verzerrend wirken im nördlichen Nachbarland der Schweiz vor allem die relativ hohen Erwerbslosenquoten in den östlichen Bundesländern. In ganz Deutschland lag die Quote 2012 bei 5,5%, nach 5,9% im Jahr zuvor. Negativ zu Buche schlugen Erwerbslosenquoten von 10,8% in Mecklenburg-Vorpommern, 10,6% in Berlin sowie 9,5% in Sachsen-Anhalt. Diese Werte bewegen sich auf dem Niveau Frankreichs, wo im vergangenen Jahr die Erwerbslosenquote 10,3% betragen hatte. Von solch «niedrigen» Werten können die Krisenländer Spanien und Griechenland dennoch nur träumen. Alle 13 griechischen und 19 spanischen Regionen wiesen 2011 und 2012 zweistellige Erwerbslosenquoten aus.

Hand in Hand mit dieser desaströsen Entwicklung nimmt auch die Zahl an Langzeiterwerbslosen schwindelerregende Höhen an. In fast einem Fünftel der Regionen war mehr als die Hälfte der Erwerbslosen seit mindestens einem Jahr ohne Stelle. Dieser Befund ist für die Betroffenen ein besonderes Makel, denn mit andauernder Erwerbslosigkeit schwinden ihre Kenntnisse, und sie werden damit für die Unternehmen als potenzielle Arbeitskräfte immer unattraktiver.

Auffallend an den Eurostat-Zahlen ist auch, dass in Deutschland mit 45,5% annähernd jeder zweite Erwerbslose seit mehr als einem Jahr ohne Job ist. In der Regel sind die Langzeiterwerbslosen in Deutschland nur gering qualifiziert, wodurch ihr dauerhafter Verbleib in den sozialen Netzen programmiert ist. NZZ, Donnerstag, 23. Mai 2013, S. 29.


Deutsche Piraten fordern Volksentscheid auf Bundesebene

Auf ihrem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende (13.05.2013) stimmten die Piraten in Deutschland dafür, die Forderung nach bundesweiten Volksentscheiden ins Wahlprogramm zu übernehmen. Grundlage ist der Gesetzentwurf von Mehr Demokratie. Außerdem beschlossen die Piraten weitere demokratiepolitische Ziele wie die Schaffung eines EU-Verfassungskonvents und EU-weite Bürgerentscheide. Zudem wurde die Möglichkeit geschaffen, verbindliche Online- und Offline-Abstimmungen zwischen den Parteitagen abzuhalten. Von Charlie Rutz Die Piraten konkretisierten auf ihrem Bundesparteitag in Neumarkt ihre demokratiepolitischen Ziele und füllten diese mit substanziellen Forderungen. Im Vergleich mit anderen politischen Parteien haben die Piraten mit ihrem Beschluss zum bundesweiten Volksentscheid nun das weitestgehende Konzept von allen politischen Parteien. Mit minimalen Abweichungen basiert dieses auf den Vorstellungen von Mehr Demokratie. Der Sender Phoenix strahlte einen Auszug der Vorstellung des Antrags aus: http://youtu.be/3u6oyJQN0eI?t=40m32s Wichtige Eckpunkte des Beschlusses Es soll ein Initiativrecht für Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines dreistufigen Gesetzgebungsverfahrens geben (Volksinitiative, Volksbegehren, Volksabstimmung). 1 Million (bei Grundgesetzänderungen 2 Millionen) Stimmberechtigte können innerhalb von 6 Monaten einen Volksentscheid beantragen. Beim Volksentscheid entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Benötigt eine Abstimmungsvorlage die Zustimmung der Bundesländer, so werden die Stimmen auch nach Ländern ausgezählt. Darüber hinaus ist vorgesehen: Fakultatives Referendum Hat ein Volksbegehren ein parlamentarisch zustande gekommenes, aber noch nicht gegengezeichnetes und vom Bundespräsidenten ausgefertigtes Gesetz zum Gegenstand, so ist das Volksbegehren zustande gekommen, wenn es 500.000 Stimmberechtigte innerhalb von drei Monaten unterschreiben. Ein solches Gesetz kann nur vorbehaltlich einer Annahme in dem so beantragten Volksentscheid in Kraft treten. Obligatorisches Referendum Die Übertragung von Hoheitsrechten (auf die EU oder andere zwischenstaatliche Einrichtungen) sowie Grundgesetzänderungen bedürfen der Zustimmung durch einen Volksentscheid.

Spendentransparenz Analog zum Parteiengesetz sollen Spenden oberhalb einer Bagatellgrenze, die zu Gunsten einer Initiative erfolgen, zeitnah offengelegt werden.

Information

Eine ausgewogene Information der Öffentlichkeit über die Inhalte von Volksbegehren und Volksentscheiden ist zu gewährleisten. Vor dem Volksentscheid erhält jeder Stimmberechtigte eine Informationsbroschüre, in der die Initiative, der Bundestag und der Bundesrat ihre Auffassungen erläutern. Zur Förderung der öffentlichen Diskussion und zur Information der Öffentlichkeit im Vorfeld eines Volksentscheids erhält die Initiative eine staatliche Kostenerstattung. http://www.volksentscheid.de/piraten_fordern_volksentscheid.html, 13. Mai 2013.

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