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Kurzinfos November 2013Borroso warnt vor Kündigung der Personenfreizügigkeit
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nimmt in der NZZ am Sonntag vom 10. November 2013 ausführlich Stellung zu den Fragen im Verhältnis der Schweiz zur EU. Dabei betont er, dass es den privilgierten Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt nicht gibt ohne Personenfreizügigkeit.
Auf die einzelnen Abstimmungen in der Schweiz wolle er zwar nicht eingehen. „Ich möchte aber auf die fundamentale Bedeutung der Personenfreizügigkeit für die EU als eine unserer Grundfreiheiten verweisen, nebst dem freien Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Kapital.“ Diese Elemente seien nicht trennbar, „die Mitgliestaaten würden niemals die Loslösung der Personenfreizügkeit von den übrigen Grundfreiheiten akzeptieren“. NZZ am Sonntag, 10. November 2013, S. 1
Die vier wichtigsten bisherigen Bausteine der "Reform" Zur Stärkung der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung und Überwachung sind seit Ausbruch der Schuldenkrise im Wesentlichen vier Reformen eingeleitet worden:
Europäisches Semester: Seit 2011 erfolgen die verschiedenen EU-Verfahren zur Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik (siehe unten) in einem jährlichen Zyklus , aufeinander abgestimmt und nach einem synchronisierten Kalender. Im ersten Semester jedes Jahres liegt der Fokus auf der Koordination auf europäischer Ebene (deshalb der Name), im zweiten Halbjahr auf der Umsetzung auf der nationalen Ebene. Inhaltlich geht es sowohl um die Finanzpolitik als auch um Strukturreformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und um die Vermeidung makroökonomischer Ungleichgewichte.
«Sixpack»: Paket von fünf Richtlinien und einer Verordnung, das im Dezember 2011 in Kraft getreten ist. Es gilt grundsätzlich für alle EU-Staaten, doch betreffen einzelne Passagen nur Euro-Staaten. Es stärkt die Überwachung der Finanzpolitik der Mitgliedstaaten, wobei die Grundregeln des Stabilitätspakts von 1997 unverändert bleiben: Das Staatsdefizit soll nicht höher sein als 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP), die Staatsverschuldung nicht höher als 60% des BIP (oder sich zumindest genügend rasch in diese Richtung bewegen) und mittelfristig soll das strukturelle Defizit (um Konjunktur- und einmalige Einflüsse bereinigter Fehlbetrag) mehr oder weniger ausgemerzt werden. Verschärft wurden mit dem Sixpack indessen die Verfahren zur Durchsetzung dieser Regeln. So können die Defizitverfahren, die einsetzen, wenn ein Staat das Defizit- oder das Schuldenkriterium verletzt, bei Euro-Staaten rascher zu Sanktionen führen. Zudem ist es ist dank einer Änderung der Abstimmungs-Regeln für einen «Defizitsünder» schwieriger geworden, die Verschärfung eines solchen Verfahrens zu verhindern. Das letzte Wort behalten aber die Euro-Staaten, es richten also Sünder über potenzielle Sünder.
Neu eingeführt wurde die Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte anhand von Kriterien wie Leistungsbilanzsaldo oder Lohnstückkosten. Bei Problemfällen kann die Kommission ein «Verfahren bei einem übermässigen Ungleichgewicht» einleiten und Abhilfe-Empfehlungen an den Mitgliedstaat richten. Schlägt dieser sie in den Wind, sind bei Euro-Staaten im Extremfall Sanktionen möglich.
«Twopack»: Zwei Verordnungen , die im Mai 2013 in Kraft getreten sind und nur für Euro-Staaten gelten. Für diese wird die Koordinierung und Überwachung der nationalen Finanzpolitik gestärkt. Hierzu dient unter anderem die Vorgabe, dass die Euro-Staaten ihre Haushaltpläne bis Mitte Oktober der EU-Kommission und der Euro-Gruppe vorlegen müssen. Weicht ein Plan von den Vorgaben des Stabilitätspakts ab, kann die Kommission Korrekturen verlangen. Sie hat aber kein Vetorecht, das letzte Wort behält das nationale Parlament. Die zweite Verordnung regelt die verstärkte Überwachung von Euro-Staaten, die ernste finanzielle Schwierigkeiten haben oder riskieren (und damit vor allem für Staaten, die Hilfe des Euro-Krisenfonds ESM benötigen).
Fiskalpakt: Zwischenstaatlicher Vertrag aller Euro-Staaten plus 8 weiterer EU-Mitglieder. Die Vertragspartner verpflichten sich unter anderem, eine Art Schuldenbremse in ihre Verfassung oder in ähnlich bindendes nationales Recht einzubauen. Diese Schuldenbremsen schreiben im Kern das im Stabilitätspakt fixierte Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts fest. Der Pakt ist seit dem 1. Januar 2013 in Kraft, doch haben ihn Belgien und Bulgarien als letzte Teilnehmer noch nicht ratifiziert. Die Schuldenbremsen müssten per 1. Januar 2014 umgesetzt werden. NZZ, 2. November 2013, S. 31
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Ganz schön dicke Luft 90 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner europäischer Grossstädte sind gefährlichen Luftschadstoffen ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA), die am Dienstag veröffentlicht wurde.
Der EEA-Bericht zeigt auf, dass zwischen 2009 und 2011 96 Prozent der Stadtbevölkerung Feinstaubbelastungen ausgesetzt waren, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als gesundheitsschädlich eingestuft werden. 98 Prozent der Grossstädter waren von überhöhten Ozonwerten betroffen. Aber auch in ländlichen Regionen konnte die EEA hohe Schadstoffbelastungen der Luft messen. Schuld an der schlechten Luftqualität sind vor allem Autoabgase sowie Emissionen von Industrie und Landwirtschaft.
Zahlreiche Umweltverbände appellierten an EU-Kommission und nationale Regierungen, gegen die hohe Luftverschmutzung vorzugehen und die bestehenden Grenzwerte zu verschärfen. "Luftverschmutzung ist keineswegs nur ein Problem asiatischer Megacities. Richtig durchzuatmen fällt auch europäischen Grossstädtern schwer. Die schlechte Luft verursacht Krankheiten, deren Behandlung in Europa jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 790 Milliarden Euro verursacht", erklärte der Bundesgeschäftsführer des deutschen NABU Leif Miller. Die Referentin für Luftqualität und Industrieemissionen des Europäischen Umweltbüros (EEB) Louise Duprez sagte, die EEA-Zahlen seien noch weitaus gravierender, wenn man bedenke, dass nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auch bei Luftschadstoffbelastungen unter den WHO-Grenzwerten dramatische Gesundheitsschäden entstehen können.
Im Rahmen der Vorstellung des EEA-Berichts kündigte EU-Umweltkommissar Janez Potočnik an, im Dezember ein EU-Gesetzespaket zur Revision der Luftreinhaltepolitik vorstellen zu wollen. Schon jetzt versprach er neue Emissionsgrenzwerte bis 2020 und weitere Massnahmen bis 2030. „Nach dem grandiosen Scheitern eines Greening der EU-Agrarpolitik ist es jetzt wichtig, dass die EU Luftschadstoffemissionen konsequent bekämpft – insbesondere auch in der Landwirtschaft“, kommentierte Pieter de Pous, Policy-Direktor des EEB. umwelt aktuell, November 2013, S. 10, http://www.eea.europa.eu/media/newsreleases/air-pollution-still-causing-harm; http://www.eeb.org/EEB/index.cfm/news-events/news/new-report-shows-air-pollution-still-affecting-90-of-europeans-living-in-cities/; http://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/index.php?popup=true&show=9371&db=presseservice
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Mehr Gelassenheit Luxemburgs Noch-Regierungschef Juncker empfiehlt der Schweiz mehr Gelassenheit im Umgang mit der EU. Ihn ärgere masslos, wie «unverhältnismässig beeindruckt» die Eidgenossenschaft auf Wortmeldungen aus Brüssel reagiere – die Bilateralen seien faktisch kein Thema in der EU. Nicht richtig sei, wenn hiesige Regierungsvertreter mit subalternen Beamten abgespeist würden. NZZ, 16. November 2013, S. 7
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EU-Prüfung provoziert Deutschland Die EU-Kommission hat Mitte November 2013 im Rahmen eines «Frühwarnmechanismus» eine vertiefte Prüfung der makroökonomischen Entwicklung in Deutschland eingeleitet. In deren Zentrum stehen die hohen Überschüsse der deutschen Leistungsbilanz. Im Durchschnitt der letzten drei Jahre hat der Überschuss 6,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen und damit den indikativen EU-Referenzwert von 6% überschritten. In die Leistungsbilanz fliessen der Warenaussenhandel, grenzüberschreitende Dienstleistungen, Erwerbseinkommen und Kapitalerträge sowie einseitige Übertragungen ein. Auch bei drei weiteren der elf im Rahmen des Mechanismus überwachten Indikatoren, der Staatsverschuldung, der Abwertung des realen effektiven Wechselkurses und paradoxerweise auch beim Verlust an Export-Marktanteilen, überschritt Deutschland die Referenzwerte. Damit erfolge «fast automatisch» eine nähere Prüfung, sagte der EU-Kommissions-Präsident Barroso am Mittwoch vor den Medien.
In der Tat wendet die Kommission nur die – komplizierten und bürokratischen – Regeln zur wirtschaftspolitischen Koordination an, die sich die EU im Gefolge der Krise gegeben hat und laut denen neben hohen Defiziten auch hohe Überschüsse der Leistungsbilanz als Warnhinweis gelten. Dennoch provozierte der Vorgang schon im Vorfeld helles Entsetzen unter deutschen Politikern und Medien. Deutschland wegen seiner Exportstärke mit Sanktionen zu belegen, «wäre ein unglaublicher Affront», wetterte etwa der deutsche EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU). Die Exportüberschüsse dürften nicht «durch europäische Nivellierung künstlich gedeckelt werden», sekundierte sein CDU-Kollege Herbert Reul.
Vor diesem Hintergrund hatten Barroso und der EU-Wirtschaftskommissar Rehn ihre liebe Mühe, die Kirche wieder ins Dorf zu hieven. Beide betonten, man kritisiere nicht die deutsche Wettbewerbsfähigkeit oder den Erfolg auf den Weltmärkten. Im Gegenteil, man hätte gern «mehr Deutschlands», sagte Barroso. Er räumte auch ein, dass der grösste Teil des Überschusses nicht gegenüber EU- oder Euro-Staaten bestehe. Doch ein anhaltender hoher Leistungsbilanzüberschuss bedeutet laut Rehn auch, dass Deutsche einen grossen Teil ihrer Ersparnisse im Ausland investieren. Und laut Barroso stellt sich die Frage, ob Deutschland mehr tun könnte, um die Volkswirtschaft der EU wieder stärker ins Gleichgewicht zu bringen. Er und Rehn erinnerten an frühere EU-Empfehlungen an Berlin, die Binnennachfrage und die Investitionen beispielsweise durch eine stärkere Öffnung des Dienstleistungssektors zu unterstützen. Steige die Nachfrage in Deutschland, könne sich dies auch auf schwächere europäische Staaten positiv auswirken, allerdings nur, wenn deren Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsfähig seien, sagte Rehn. Er grenzte sich zugleich von einer ähnlichen Kritik des US-Finanzministeriums an Deutschland ab, die er als «etwas vereinfacht» kritisierte.
Dass die EU-Prüfung je zu Sanktionen führen wird, wie manche Kritiker suggerierten, ist äusserst unwahrscheinlich. Erst bei ihrem Abschluss im Frühjahr wird die Kommission feststellen, ob in Deutschland überhaupt ein «makroökonomisches Ungleichgewicht» vorliegt und wenn ja, ob dieses «übermässig» ist (was bei der letzten Runde in Spanien und Slowenien der Fall war). Und selbst bei einem übermässigen Ungleichgewicht braucht es mehrere weitere Verfahrensschritte und ein wiederholtes Ignorieren von EU-Abhilfe-Empfehlungen, bis (nur bei Euro-Staaten) Sanktionen möglich werden. Zudem werden Leistungsbilanzüberschüsse allein laut einer Erklärung der Kommission von 2011 gar nicht mit Sanktionen belegt.
Sollte je eine Ungleichgewichts-Prüfung zu Strafen führen, gibt es naheliegendere Kandidaten als Deutschland. Im Wirbel um dieses ging nämlich unter, dass die Kommission auch 15 weitere der betroffenen 23 EU-Staaten (fünf Länder unterliegen der Prozedur derzeit nicht, da sie als Hilfsempfänger ohnehin an der Kandare sind) aus unterschiedlichen Gründen einer vertieften Prüfung unterzieht. 13 von ihnen hat sie bereits bisher unter die Lupe genommen; hier geht es bei der neuerlichen Analyse um die Frage, wieweit sich die Lage verbessert hat. Neu dazugestossen sind neben Deutschland Luxemburg und Kroatien. Diese Entscheide sind Teil des «Europäischen Semesters» , des jährlichen Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordination, der am Mittwoch in eine nächste Runde ging.
Aus den übrigen untersuchten Staaten pickte Barroso Frankreich heraus. Wie Deutschland habe es wegen seiner Grösse eine besondere Verantwortung für die Euro-Zone. Die Kommission habe im April ein makroökonomisches Ungleichgewicht und die Notwendigkeit entschiedener politischer Massnahmen festgestellt, sagte er. Frankreich habe über die letzten zehn Jahre ständig an Wettbewerbsfähigkeit verloren und müsse mehr tun, um dies zu stoppen. NZZ, 14. November 2013, S. 25
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Die Schweiz kuscht vor China Das Freihandelsabkommen (FHA) mit China enthält keine verbindlichen Menschenrechtsbestimmungen. Das Wort «Menschenrechte» taucht im über 1000-seitigen Vertragswerk nicht ein einziges Mal auf. Das China-FHA ist aus menschenrechtlicher Sicht ein klarer Rückschritt gegenüber den in jüngerer Vergangenheit unterzeichneten Handelsabkommen der Schweiz.
«Auch wenn der Begriff ‹Menschenrechte› im vorliegenden Freihandelsabkommen nicht explizit erwähnt wird, verweist die Präambel auf das 2007 zwischen der Schweiz und China abgeschlossene Verständigungsprotokoll zur Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit, welches unter anderem der (sic!) 1990 aufgenommene bilaterale Menschenrechtsdialog Schweiz-China bestätigt. » Dieser belanglose, umständliche Satz (mit Fallfehler) aus der bundesrätlichen Botschaft an das Parlament zeigt, wie der Bundesrat mit der Menschenrechtsfrage umgeht. Nicht einmal der Menschenrechtsdialog mit China wird im Freihandelsabkommen (FHA) explizit erwähnt. Und dies nicht etwa, weil renommierte Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch diesen zahnlosen Dialog mit dem Reich der Mitte als «weitgehend wirkungslos » bezeichnen, sondern weil der Bundesrat bei der Menschenrechtsfrage vor China auf
ganzer Linie gekuscht hat.
Die Erklärung von Bern (EvB) hat zusammen mit ihren Partnerorganisationen der China-Plattform wiederholt griffige und verbindliche Menschenrechtsbestimmungen für das FHA mit China gefordert. Dafür braucht es gemeinsame Zielvereinbarungen, effektive Überprüfungsmechanismen sowie Sanktionsmöglichkeiten. Nichts davon ist im China-Abkommen auch nur ansatzweise vorhanden. Selbst in der rechtlich unverbindlichen Präambel fehlt ein klares Bekenntnis zur Einhaltung der Menschenrechte. Dies ist umso beunruhigender, als in allen Freihandelsabkommen, die die Schweiz in der jüngeren Vergangenheit abgeschlossen hat – darunter Abkommen mit Kolumbien, der Ukraine und Hongkong –, das Bekenntnis zu den Menschenrechten bekräftigt wird. Dass die Schweiz ausgerechnet bei einem Land, das für notorische und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, nicht denselben Massstab ansetzt, ist unverständlich und inakzeptabel.
Fairer Wettbewerb braucht minimale Regeln. Dazu gehören arbeitsrechtliche Mindeststandards. Im internationalen Handel sind dies die acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats hat vom Bundesrat denn auch verlangt, dass ein Nachhaltigkeitskapitel in die Verhandlungen integriert wird, in dessen Zentrum «die Einhaltung der Kernarbeitsnormen durch beide Vertragsparteien» steht. Obwohl gleichzeitig zum FHA ein Parallelabkommen zur Zusammenarbeit in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ausgehandelt wurde, sucht man in beiden Abkommen vergeblich nach einer verbindlichen Regelung zur Einhaltung dieser Normen. Und dies ausgerechnet bei einem Präferenzabkommen mit einem Land, das vier der acht ILO-Kernarbeitsnormen noch nicht ratifiziert hat, darunter jene zur Gewerkschaftsfreiheit und zur Abschaffung der Zwangsarbeit. Damit werden auf unserem Markt Schweizer Produkte (und solche anderer Länder, die die arbeitsrechtlichen Mindeststandards einhalten) diskriminiert gegenüber chinesischen Produkten, die unter Verletzung dieser Arbeitsnormen hergestellt wurden – und von der Vorzugsbehandlung durch das Freihandelsabkommen profitieren. Fairer Wettbewerb sieht anders aus.
Das aussenpolitische Engagement der Schweiz auf dem Gebiet der Menschenrechte konzentriert sich explizit auf die Abschaffung der Todesstrafe und den Schutz besonders verletzlicher Gruppen, darunter Minderheiten und MenschenrechtsverteidigerInnen. Gerade in diesen Bereichen kritisieren Amnesty International und zahlreiche weitere Organisationen die andauernden und massiven
Menschenrechtsverletzungen in China. Es ist deshalb besonders stossend – und aussenpolitisch extrem widersprüchlich – dass die Schweiz gerade China im Rahmen des Freihandelsabkommens Vorzugsbedingungen gewährt, ohne die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte einzufordern. Der deutliche Rückschritt, der mit dem China-Abkommen in menschenrechtlicher Hinsicht gegenüber früheren Handelsabkommen der Schweiz erzielt wurde, unterstreicht diese Widersprüchlichkeit. Die Schweiz muss sich überdies den Vorwurf gefallen lassen, ein gefährliches Präzedenzabkommen zu schaffen. Denn China wird in Verhandlungen mit anderen Ländern versucht sein, das Fehlen verbindlicher Menschenrechtsbestimmungen im FHA mit der Schweiz als Standard für künftige Freihandelsabkommen zu definieren.
Aus all diesen Gründen fordern die EvB und ihre Partnerorganisationen vom Parlament, das China- Freihandelsabkommen in der vorliegenden Form nicht zu ratifizieren. Das Abkommen muss an den Bundesrat zurückgewiesen werden mit dem Auftrag, in Nachverhandlungen für ein menschenrechtskonformes Abkommen entlang den skizzierten Linien zu sorgen. Eine detaillierte menschenrechtliche Analyse des China-Freihandelsabkommens finden Sie unter www.evb.ch. Erklärung von Bern, November 2013.
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Deutschland: Direkte Demokratie nicht im Koalitionsvertrag Am 27. November 2013 haben CDU/CSU und SPD der Öffentlichkeit ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Von direkter Demokratie lässt sich darin leider nichts finden.
Obwohl sich laut einer aktuellen Emnid-Umfrage mittlerweile 84 Prozent der Bevölkerung und 83 Prozent der Unionswähler/innen für bundesweite Volksentscheide aussprechen, hat dieses direktdemokratische Instrument keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden
Mehr Demokratie kritisiert scharf, dass der Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung keinerlei Regelungen zur direkten Demokratie auf Bundesebene enthält. „Damit bleiben die Bürgerinnen und Bürger Zaungäste der Bundespolitik“, so Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie. „Deutschland behält in Sachen direkter Demokratie seine Schlusslichtrolle im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern.“
Gegen die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden und Referenden hatte sich besonders Angela Merkel ausgesprochen. Obwohl SPD und CSU Vorschläge für einen Einstieg in die direkte Demokratie auf Bundesebene ausgearbeitet hatten, konnten oder wollten sie sich offensichtlich gegen die CDU nicht durchsetzen.
„Die Regierungsparteien haben eine grosse Chance vergeigt, das einzulösen, was das Grundgesetz seit 65 Jahren verspricht – dass das Volk die Staatsgewalt nicht nur in Wahlen, sondern auch in Abstimmungen ausüben soll“, so Beck. Wer, wie Angela Merkel, der Forderung nach einem Ausbau der Bürgerrechte eine solche Abfuhr erteile, stelle sich selbst auf die Seite der Ewiggestrigen.
In der Bundesrepublik hat es noch nie eine Volksabstimmung auf nationaler Ebene gegeben. Eindeutig geregelt sind nationale Abstimmungen lediglich bei einer Ablösung des Grundgesetzes durch eine Verfassung (Art. 146 GG) – und das, obwohl das Recht auf Abstimmungen in Artikel 20 des Grundgesetzes festgelegt ist. 27. November 2013, http://www.volksentscheid.de/koa-vertrag_ohne_volksentscheid.html
Zu beachten ist, dass auch die parlamentarische Demokratie in Deutschland eine Schräglage aufweist. Bei den letzten Wahlen wanderten 6,8 Millionen Stimmen in den Papierkorb. 15,7 Prozent der abgegebenen und gültigen Stimmen sind bei der Deutschen Bundestagswahl am 22. September nicht gewertet worden. Wer eine Partei gewählt hat, die unter fünf Prozent lag, dessen Stimme bleibt stumm und wird bei der Verteilung der Sitze nicht berücksichtigt. Die Stimmen der Wählerinnen und Wähler von Union, SPD, Linkspartei und Grünen dagegen schon. Das ist ungerecht, verstösst gegen den Grundsatz der Gleichheit. Das motiviert keineswegs, an der nächsten Wahl teilzunehmen.
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Einflüsterer in Expertengruppen: EU-Kommission versagt im Anti-Lobby-Kampf Konzern-Lobbyisten beherrschen seit jeher die Expertengruppen, welche die EU-Kommission bei Gesetzesvorhaben beraten. Die Behörde hat gelobt, die Gremien ausgewogener und transparenter zu besetzen. Ein leeres Versprechen, zeigt eine neue Studie.
Wer in der EU-Kommission Karriere machen will, braucht die richtigen Berater. Mal muss der Beamte eine Verordnung für die Bienenzucht ersinnen, mal Normen zur Klassifizierung von Schweinehälften. Mal steht eine Schwachstrom-Richtlinie an, dann der Datenschutz - was Brüssel halt so alles reguliert.
Weil nicht einmal die Kommissionsleute alles wissen, holen sie sich den Rat ihrer Expertengruppen: Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die sich wirklich mit der Materie auskennen. Zu Hunderten helfen sie der Kommission beim Ausarbeiten neuer Gesetzestexte - und beeinflussen sie nebenbei nach Kräften.
Die Expertengruppen sind Europas heimliche Machthaber. Und ein rotes Tuch für Lobbykritiker. Schliesslich werden diese Gremien seit jeher von Einflussnehmern der Grosskonzerne dominiert. Mittelstand, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) , Gewerkschaften und andere Interessengruppen sind dagegen notorisch unterrepräsentiert.
Zweimal musste die EU-Kommission bereits eingestehen, dass viele Expertengruppen hauptsächlich aus Big-Business-Lobbyisten bestehen. Gerade dort, wo es um das grosse Geld geht: Steuern, Industriepolitik, Finanzmarktregulierung. Erst vor einem Jahr, als entsetzte Europaabgeordnete der Kommission Budgetzahlungen von rund zwei Millionen Euro verweigerten, gelobte die Brüsseler Superbehörde eine ausgewogenere, transparente Besetzung der Expertengruppen. Prompt gab das Parlament die Mittel wieder frei.
Doch ihr feierliches Versprechen setzt die Kommission offenbar kaum in die Tat um. Das prangert die NGO Alter-EU nun in einer Studie an, die alle neuen Expertengruppen untersucht. Die Lobbykritiker veröffentlichen den Report am Mittwochnachmittag, SPIEGEL ONLINE lag er vorab vor. Sein Titel lautet "Ein Jahr der gebrochenen Versprechen". Zu den wichtigsten Kritikpunkten zählt:
In den 38 Expertengruppen, welche die Kommission seit September 2012 einberufen hat, tummeln sich laut Alter-EU insgesamt mehr Vertreter der Grossindustrie, als alle übrigen Interessengruppen zusammen stellen.
Die Generaldirektion Steuern hat ihre Beratergremien dem Bericht zufolge zu 79 Prozent mit Lobbyisten der Konzerne und multinationaler Wirtschaftsprüfungsfirmen wie Deloitte oder PwC besetzt. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie die Wissenschaft kommen lediglich auf je drei Prozent Anteil, die Gewerkschaften sogar nur auf ein Prozent.
Bei der Expertengruppe zur Vorratsdatenspeicherung seien alle sieben externen Berater Vertreter von Vodafone und anderen Telekom-Riesen, heisst es im Report.
Obwohl die EU-Kommission versprochen hatte, die Expertengruppen per öffentlicher Ausschreibung zu besetzen, hielt sie sich in drei Fünftel der Fälle nicht daran. Die Generaldirektionen Forschung und Innovation sowie Gesundheit und Verbraucherschutz verzichteten der Studie zufolge ganz auf dieses transparente Verfahren.
Die Lobbywächter zeigen sich entrüstet. Die Kommission verbreite nur heisse Luft, sagt Pascoe Sabido von Alter-EU. "Sie nimmt ihre Selbstverpflichtung nicht ernst." Auch im Europaparlament wächst die Wut auf die Brüsseler Obrigkeit. "So kann es nicht weitergehen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft müssen endlich Mitsprache kriegen", fordert der unabhängige Abgeordnete Martin Ehrenhauser. Viele Konzernvertreter, Berater und Anwälte hätten sich nicht einmal in das Lobbyregister der EU eingetragen, das so immer mehr zur Farce werde. Und der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold schimpft: "Die Kommission begreift nicht, dass sie mit solchen Aktionen das Vertrauen der Menschen in die EU noch weiter untergräbt."
Giegold hat selbst kürzlich Protest eingereicht: Gegen eine Expertengruppe zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerflucht, welche die Kommission nach einem Gipfelbeschluss von Europas Staats- und Regierungschefs eingerichtet hatte. Giegold zufolge besteht das Gremium zu zwei Dritteln aus Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Vertretern von Verbänden, deren Mitglieder ihr Geld ausgerechnet mit Tipps zur Steuervermeidung verdienen. Grösser können Interessenkonflikte kaum sein.
"Wenn die Expertengruppen nicht paritätischer besetzt werden, müssen wir wieder Druck aufbauen", sagt Jutta Haug (SPD), Vizechefin des Haushaltskontrollausschusses. Sie, Ehrenhauser und Giegold machen sich dafür stark, die Zahlungen an die Kommission notfalls erneut einzufrieren. Das allerdings geht frühestens im nächsten Herbst: Die Finanzierung für das kommende Jahr hat das Parlament der Kommission schon bewilligt. Bis dahin werden Brüssels Beamte wohl weiter ihren bewährten Einflüsterern vertrauen. 06. November 2013, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lobbyismus-eu-kommission-bricht-laut-bericht-reformversprechen-a-932066.html
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Italienische Mafia kassiert EU-Erdbebenhilfe Nach einem Erdbeben in der Stadt L’Aquila zahlte die EU als Hilfestellung 493,7 Millionen Euro. 70 Prozent der Gelder flossen in ein Häuser-Projekt das nicht gebaut hätte werden dürfen. Hinzu kamen stark überhöhte Preise und extreme Mängel. Geld verschwand auch bei fragwürdigen Unterauftragnehmern. November 2013, Martin Ehrenhauser, MdEP, Mail-Versand.
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Chinesisch-rumänische Kooperation China und Rumänien wollen wirtschaftlich stärker zusammenarbeiten. Das vereinbarten beide Länder am 25. November 2013 in Bukarest. Erstmals seit neunzehn Jahren war wieder ein chinesischer Regierungschef nach Rumänien gekommen. Beim offiziellen Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang unterzeichneten Vertreter der beiden Länder dreizehn Absichtserklärungen, u. a. in den Bereichen Energie, Export und Kultur. Während der Visite soll auch ein China-Osteuropa-Treffen stattfinden. Es werden sechzehn Regierungschefs aus Osteuropa und aus Ländern des Balkans erwartet. China will für Projekte in der Region Kredite im Wert von insgesamt zehn Milliarden Dollar vergeben. Der rumänische Regierungschef Victor Ponta sprach von einem «historischen» Besuch. Li sagte, Rumänien sei ein «Brückenkopf» in der Zusammenarbeit zwischen China und Ostmitteleuropa. Ponta betonte, Rumänien wolle der beste Freund Chinas in der Region werden. Über Reaktionen der EU auf die Politik ihres Mitgliedslandes wurde nichts bekannt. NZZ, 26. November, S. 2
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Die Lohnpolizei – gefangen im Labyrinth Firmen aus dem EU-Raum kennen zahllose Tricks, um die GAV-Mindestlöhne zu unterbieten. Einige Branchen sind besonders anfällig. Ob der Maler aus Polen oder die Reinigungsequipe aus Tschechien: Jeder Betrieb aus der EU, der Arbeitskräfte in die Schweiz schickt, muss sich acht Tage vor dem Einsatz in der Schweiz beim Bundesamt für Migration (BFM) online anmelden. Im November allein gab es 24'000 solche Meldungen.
Diese landen automatisch bei den Kantonen, wo die Arbeiten stattfinden sollen. Das dortige Arbeits- oder Migrationsamt leitet sie weiter an eine der Paritätischen Kommissionen (PK). Diese bilden sozusagen die Lohnpolizei, die zuständig ist für die Überwachung von Mindestlöhnen und Arbeitsbedingungen in ihrer Branche und Region.
Die Struktur erscheint für Aussenstehende als Labyrinth und wirkt schwerfällig. Es gibt rund 70 nationale, allgemein verbindliche Gesamtarbeitsverträge (GAV). Für einige Verträge gibt es in jedem der 26 Kantone eine Paritätische Kommission, die lokal kontrolliert. Darüber wacht je eine nationale paritätische GAV-Kommission. «Es gibt einige Hundert Paritätische Kommissionen in der Schweiz», sagt Nico Lutz, Leitungsmitglied der Gewerkschaft Unia. Wie viele es sind, weiss nicht einmal er als Profi. In grösseren Kantonen und Branchen sind sogenannte Kontrollvereine für die tägliche Arbeit zuständig. Dort arbeiten vollberuflich Profis, die Vor-Ort-Besuche abstatten, Unterlagen erheben, Beweise sichern und Sanktionsentscheide vorbereiten. Der formelle Entscheid ist der jeweiligen GAV-Kommission vorbehalten, die sich alle paar Monate trifft.
Entsprechend kompliziert ist für die Kantone schon die Weiterleitung der Tausenden von Meldungen. Welcher Kommission, welchem Kontrollverein zusenden? «Nicht selten ist unklar, welcher GAV zum Zuge kommt - und deshalb, welche Kommission für Kontrollen zuständig ist», sagt Unia-Mann Lutz.
Das ist nur der Anfang der Komplikationen im Vollzug der flankierenden Massnahmen, die zum Ziel haben, Lohndumping zu bekämpfen. «Es gibt Kantone, die drucken die Mail des Bundesamtes für Migration aus und senden sie per Fax an den zuständigen Kontrollverein oder die zuständige Paritätische Kommission», sagt Lutz. Die Meldung geht über mehrere Stellen. «Um die Kontrollen vor Ort wirksam planen zu können, müsste das sehr schnell gehen, sonst sind die entsandten Personen unter Umständen längst weg.»
Risikobranchen für Lohndumping sind laut BFM das Bauhauptgewerbe, das Ausbaugewerbe, Hotels, Restaurants, die Reinigungsbranche, die Überwachungs- und Sicherheitsdienste. «Bei diesen Tätigkeiten besteht erfahrungsgemäss die Gefahr von Lohndumping und der Umgehung von zwingenden arbeitsrechtlichen Vorschriften», heisst es dort. Ziel des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) wäre es, «50 Prozent aller Entsendebetriebe und Selbstständigerwerbende» pro Jahr zu kontrollieren, sagt Peter Gasser, Leiter Personenfreizügigkeit und Arbeitsbeziehungen beim Seco. Im vergangenen Jahr waren es laut dem Bericht «Flankierende Massnahmen» rund 40 000 in diesem Bereich. In vier von zehn Fällen bestand die Vermutung auf unterbotenen Lohn.
Schafft es die Paritätische Kommission noch rechtzeitig vor Ort, gehen die Probleme weiter. Stammen die entsandten Mitarbeiter nicht aus einem der umliegenden Länder, kommen Sprachschwierigkeiten dazu. Die Kontrolleure müssen innert Kürze etwa einen polnischen oder tschechischen Dolmetscher auftreiben, der hilft, die Arbeiter einzuvernehmen.
Zurück am Schreibtisch, stellen sich neue Fragen: Wie soll ein ausländischer Lohn mit einem GAV-Lohn verglichen werden? Zu welcher Ausbildungsstufe ist die kontrollierte Person zu zählen, damit eine Mindestlohnstufe zur Anwendung kommt? Ein Kriterium ist beispielsweise ein Lehrabschluss. Doch solche Titel gibt es ausser in Deutschland und Österreich nirgends. Hinzu kommen nicht vergleichbare Zulagen und Spesen, etwa für Kost und Logis. «Nicht selten treffen wir vor Ort reihenweise Leute an, die auf der Baustelle schlafen. Wie soll man eine solche Unterkunft bewerten?», sagt der Leiter eines Kontrollvereins, der anonym bleiben will.
Tricks, um das Mindestlohnniveau zu umgehen, gibt es Dutzende. Manipulierte Arbeitszeiten, unterschlagene Wegentschädigungen, beleglose Barzahlungen, fehlende Arbeitszeitrapporte – all das erschwert das Ermitteln der geschuldeten Löhne enorm.
«Wir hatten schon Arbeitgeber, die ihren entsandten Mitarbeitern während des Aufenthalts einen GAV-Lohn zusicherten und die Differenz zwischen dem ausländischen und dem Schweizer Lohn in den Folgemonaten vom regulären Gehalt im Herkunftsland abzogen», sagte Stefan Strausak, Geschäftsführer der PK Holzbau kürzlich an einer Seco-Veranstaltung. Für ergänzende Auskünfte und die Anhörung muss der Arbeitgeber im Ausland angeschrieben werden. Meldet er sich nicht, muss die GAV-Kommission den Kanton aufbieten, damit dieser dieselbe Anfrage «mit offiziellem Briefpapier» stellt. Die Rückmeldung erfolgt über den Kanton. «Das Ganze dauert Monate», sagt ein Insider. Meldet sich der Arbeitgeber nicht, muss die GAV-Kommission den in- und ausländischen Lohn selber schätzen – jede Kommission mit eigenen Methoden.
Das Seco hat Mitte November eine Initiative ergriffen, um Leitplanken zu setzen. Erstens soll ein einheitlicher Lohnvergleich durchgesetzt werden. «Wir wollen im April 2014 eine überarbeitete Weisung erlassen», sagt Peter Gasser. Zweitens soll ein Musterablauf definiert werden. «Ziel ist ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren.» Und drittens sollen alle GAV-Kommissionen und kantonalen Behörden mit Schulungen auf denselben Stand gebracht werden. Gasser ortet aber nur bei einem kleinen Teil der kontrollierten Betriebe Probleme. «Einige Schlaumeier nützen das System aus. Der überwiegende Teil aber verhält sich ehrlich und korrekt. Nicht umsonst hatten wir Rückmeldungen aus Deutschland oder Frankreich, wir seien sehr streng in den Kontrollen.», Der Bund, 28. November 2013, S. 11
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Arbeitslosenraten Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist erstmals seit Februar 2011 leicht gesunken. In den 17 Ländern mit der Euro-Währung waren im Oktober 12,1 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter ohne Job. Im September lag die Quote noch bei 12,2 Prozent. Das gab die europäische Statistikbehörde Eurostat Ende November 2013 in Luxemburg bekannt.
Damit waren im Oktober in der Eurozone knapp 19,3 Millionen Männer und Frauen ohne Arbeit. In der Europäischen Union insgesamt waren 26,65 Millionen Menschen arbeitslos. Wie schon im Vormonat lag die Quote bei 10,9 Prozent.
Besonders stark gesunken ist die Arbeitslosigkeit im Nicht-Euro-Staat Lettland. Lag sie im dritten Quartal 2012 noch bei 14 Prozent, so waren im gleichen Quartal 2013 nur noch 11,9 Prozent der erwerbsfähigen Menschen zwischen 15 und 74 Jahren ohne Job. Daneben verzeichneten Irland und Litauen die höchsten Rückgänge. In Zypern und Griechenland, aber auch in den Niederlanden verschlechterte sich die Lage hingegen.
In Griechenland und Spanien bleibt die Arbeitslosigkeit mit 27,3 beziehungsweise 26,7 Prozent weiter ein Riesenproblem. Gefolgt werden die beiden Mittelmeerländer von Ungarn (17,6 Prozent) und Zypern (17,0 Prozent). Handelsblatt, 29. November 2013
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EU-Kommission gibt grünes Licht für umstrittenen Gentechmais Die EU-Kommission hat den umstrittenen gentechnisch veränderten Mais SmartStax für Lebens- und Futtermittel zugelassen. Obwohl Tausende EU-Bürger dagegen protestierten. Experten der EU-Mitgliedsländer und Testbiotech hatten im Vorfeld erhebliche Mängel bei der Risikobewertung festgestellt. Diese wurde von Monsanto, DowAgroSciences und der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA durchgeführt. SmartStax wurde gentechnisch so verändert, dass er sechs Insektengifte produziert und resistent gegen zwei Unkrautvernichtungsmittel ist. Doch die Kombinationseffekte zwischen den Insektengiften und den Rückständen der Spritzmittel wurde im Zulassungsverfahren nicht getestet. Die EFSA verlangte auch keine Fütterungsversuche zur Untersuchung gesundheitlicher Risiken. „Der Import dieser Pflanzen hat keinerlei Vorteile für Landwirte, Verbraucher oder die Tiergesundheit in der EU. Im Gegenteil, es gibt berechtigte Zweifel an der Sicherheit dieser Pflanzen, die einen ganzen Giftcocktail enthalten“, sagt Christoph Then von Testbiotech. Die Organisation will jetzt eine Beschwerde gegen diese Entscheidung einlegen. Die EU-Mitgliedstaaten werden voraussichtlich im Dezember im
Rat der Europäischen Union über den heutigen Vorschlag der EU-Kommission entscheiden. Schweizerische Arbeitsgruppe für Gentechnologie, 6. November 2013. http://www.gentechnologie.ch/
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Die neuen EU-Leitlinien zu genetisch veränderten Tieren stossen auf heftige Kritik Gesetzliche Regelungen für die Freisetzung gentechnisch veränderter lnsekten fehlen weltweit. Der neu erschienene Leitfaden der EFSA schafft wenig Hoffnung auf griffige Gesetze.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Mai 2013 ihren Leitfaden für die Umweltverträglichkeitsprüfung zu genetisch veränderten Tieren vorgestellt. Der grösste Teil dieses Leitfadens wurde vom wissenschaftlichen GMO-Gremium der EFSA ausgearbeitet und dauerte mehrere Jahre. Finanziert wurde diese Arbeit von der Europäischen Kommission. Anstatt selbst ein strenges Gesetz zu erlassen, hat die Kommission es einmal mehr vorgezogen, dass die EFSA ihr Empfehlungen unterbreitet. Zwar liegen in der EU bislang keine Zulassungsanträge für GV-Tiere vor. Doch gemäss EFSA ist aufgrund wissenschaftlicher Entwicklungen davon auszugehen, dass in naher Zukunft entsprechende Anträge für eine Reihe von Tierarten gestellt werden könnten. Für die Kommission sind die Leitlinien eine Hilfestellung für eventuelle zukünftige Gesuchtsteller bei der Gesuchseingabe an die EFSA.
Die öffentliche Meinung scheint nicht gefragt
Für Dr. Helen Wallace, Direktorin von GeneWatch UK, öffnen diese neuen Leitlinien Tür und Tor für die Einführung, Freisetzung und Kommerzialisierung von lnsekten, Fischen, Vögeln im Nutz- und Heimtierbereich durch die Gentech-Konzerne. „Unser Wissen ist lückenhaft und erlaubt es nicht vorauszusagen, welche Konsequenzen die Freisetzung von GV-Tieren haben kann. Ausserdem ist es gewiss, dass GV-Tiere aus dem geschlossenen System ausbrechen und die Tiere zudem im Laufe des Produktionsprozesses zwangsläufig leiden“.
lm Europäischen Parlament fand dazu keine Debatte statt. Es gibt keinen demokratischen Prozess, um herauszufinden, ob eine eventuelle Kommerzialisierung von transgenen Tiere dem Willen der Oeffentlichkeit entspricht.
Massive Interessenskonflikte
Die Richtlinien wurden gleich nach Veröffentlichung scharf kritisiert. Die britische NGO GeneWatch hat dagegen Beschwerde eingereicht, da innerhalb der Arbeitsgruppe, welche das Dossier GV-lnsekten betreute, lnteressenskonflikte bestehen. So hat ein Forscher der Universität Oxford in der Arbeitsgruppe Einsitz, der vom britischen Forschungsrat Biologie und Biotechnologie finanziert wird und mit der Firma Oxitec zusammenarbeite, welche transgene Insekten entwickelt. Die Universität Oxford als eine der Investorinnen in Oxitec könnte von der kommerziellen Freisetzung gentechnisch veränderter lnsekten direkt profitieren. Verbindungen zu Oxitec haben auch vier weitere Gruppenmitglieder. Zwei der Experten arbeiteten an einem Projekt der lnternationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) zu transgenen lnsekten. Die EFSA publizierte die Leitlinien, bevor der europäische Ombudsman seine Untersuchung zu diesen lnteressenskonflikten abschliessen konnte.
Es gibt noch weitere Einwände. So ist schwer nachzuvollziehen, weshalb die Europäische Kommission den Auftrag an die EFSA vergab. Deren Aufgabe beinhaltet nur die Beurteilung der Risiken von Lebens- und Futtermitteln für den menschlichen oder tierischen Konsum. Es liegt daher nicht in der Kompetenz der EFSA, Richtlinien zur Einschätzung von Umweltrisiken festzulegen. Gentechnologien, die darauf ausgerichtet sind, ganze Populationen von lnsekten auszulöschen und die Freisetzung von Millionen von lnsekten beinhalten, greifen tief in die Funktionsweise der Ökosysteme ein. Dies hat nichts mit Lebensmittelsicherheit zu tun.
Gravierende Lücken
Fragen, die sich aus der Zuständigkeit der EFSA ergeben, wurden erstaunlicherweise bei der Vernehmlassung ausgeschlossen. So beispielsweise das Risiko, dass Konsumenten Eier von transgenen lnsekten einnehmen oder dass tote Larven von GV-lnsekten in Früchten oder Gemüse sein könnten. Die Leitlinien verweisen dazu auf frühere Richtlinien, wo jedoch gerade GV-lnsekten ausgeschlossen sind. Ein Schachzug ganz im Sinne von Oxitec, für die gemäss eigener Aussage die Präsenz von toten GV-Larven technisch unvermeidbar ist.
Eine Vielzahl weiterer Ungereimtheiten bleibt bestehen. So wird das Wohl der Tiere in den Leitlinien nicht berücksichtigt, dafür sind Aussagen enthalten, die nicht Gegenstand einer Unverträglichkeitsprüfung sein können. So wird beispielsweise verlangt, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz des globalen Produktionssystems in Betracht gezogen werden müsse, obwohl die Richtlinien der EFSA von 2010 eindeutig festhalten, dass eine solche Bilanzierung nicht Gegenstand des EFSA—Mandates sei und es sich bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ausschliesslich um Risikoevaluation in der Umwelt handeln soll, SAG gentechnfrei-info, November 2013, S. 3; Luigi D Andrea, Geschäftsleiter StopOGM
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Rom reagiert auf EU-Kritik Die Regierung in Rom hat in Reaktion auf die Kritik der EU-Kommission an den italienischen Budgetplänen fur 2014 den Verkauf mehrerer staatlicher Unternehmensbeteiligungen angekündigt. Die Veräusserungen sollen 2014 20 Mrd. bis 12 Mrd. Euro einspielen, doch nur zur Hälfte dem unmittelbaren Abbau der Staatsschulden dienen. Die andere Hälfte wird, wie Ministerpräsident Letta präzisierte, der Verstärkung der Kapitalkraft der Beteiligungsgesellschaft Casa Depositi e Prestiti (CDP) dienen, an der das Finanzministerium eine Quote von 80% hält und über die der Staat an einer Reihe von Konzernen massgeblich beteiligt ist.
Die EU-Kommission war zum Schluss gelangt, dass Rom die Investitionsklausel, die zugunsten investiver Ausgaben eine verlangsamte Reduktion der strukturellen Neuverschuldung erlaubt, nicht beanspruchen darf. Zwar halte Italien die Maastricht-Defizitlimite von- 30% des BIP wieder knapp ein, bemühe sich aber zu wenig um den Abbau der Staatsschulden. NZZ, 23. November 2013, S. 30
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Kalte Dusche für Staatssekretär de Watteville Die EU-Staaten sind «mehr oder weniger zufrieden» mit den Schweizer Bestrebungen zur Unternehmenssteuerreform. Doch sie sind bisher nicht bereit, ein von der Schweiz vorgeschlagenes Papier zu unterzeichnen, in dem sie sich zum Verzicht auf Gegenmassnahmen während der Umsetzungszeit verpflichten würden. Dies erklärten EU-Vertreter nach einer Sitzung der zuständigen Arbeitsgruppe von Steuerexperten der 28 EU-Staaten am Mittwoch. An einem ersten Teil der Sitzung hatte der Schweizer Staatssekretär für internationale Finanzfragen, Jacques de Watteville, teilgenommen. Er erklärte den Experten den Schweizer Ansatz zur Beilegung des bilateralen Streits über bestimmte Unternehmenssteuer-Regime, wie es im Mai sein Vorgänger Michael Ambühl getan hatte. Neu war, dass die Schweiz in einem Non-Paper darlegte, wie sie sich eine gemeinsame Erklärung zu diesem Thema vorstellt.
Gegen Stillhaltevereinbarung
Das Papier bekräftigt die bekannte Haltung der Schweiz: Sie sei bereit, fünf strittige Steuer-Regime (Steuerprivilegien für Holdings, Verwaltungsgesellschaften und gemischte Gesellschaften auf kantonaler Ebene, Steuerregime für Prinzipalgesellschaften und «Swiss Finance Branch»-Strukturen auf Bundesebene) abzuschaffen und allfällige Ersatzmassnahmen im Einklang mit «allgemein akzeptierten internationalen Standards» zu gestalten. Der Bundesrat beabsichtige, die Vernehmlassung für die Reform bis Mitte 2014 einzuleiten.
Im Gegenzug sollen die EU-Staaten zusagen, in diesem Streit ergriffene Gegenmassnahmen zeitgleich zur Abschaffung der strittigen Regime aufzuheben und während der Umsetzungszeit keine neuen Gegenmassnahmen einzuführen. Derzeit hat Italien solche Massnahmen in Kraft. Ausserdem will die Schweiz den EU-Staaten die Zusage entlocken, nach Umsetzung der Schweizer Reform ihrerseits eigene Steuerregime zu überprüfen, die aus Schweizer Sicht schädliche Auswirkungen haben. Zugleich soll eine Fortsetzung des Dialogs vereinbart werden, in dessen Rahmen je nach den internationalen Entwicklungen weitere Schweizer Regime (Beteiligungsabzüge) zur Sprache kommen könnten. Über viele einschlägige Fragen wird derzeit auch in der OECD diskutiert, so dass die Schweiz die Reform auch aus diesem Grund angehen muss.
In der anschliessenden Diskussion der EU-Staaten unter sich haben laut den EU-Vertretern mehrere Teilnehmer Teile der Schweizer Forderungen als inakzeptabel bezeichnet. Es widerstrebt ihnen insbesondere, sich auf Jahre hinaus zum Verzicht auf Gegenmassnahmen zu verpflichten. Denn die Schweizer Verfahren bis zur Umsetzung durch die Kantone können Jahre dauern oder auch (im Parlament) scheitern.
Schatten über der Patentbox
Dass auch der Ersatz für die abzuschaffenden Regime mit Vorsicht zu konzipieren ist, zeigt eine separate Entwicklung: Während die Schweiz die Einführung von Lizenz- oder Patentboxen (Steuererleichterungen für Gewinne aus geistigem Eigentum) erwägt, diskutierte die erwähnte EU-Expertengruppe darüber, ob Patentboxen von Grossbritannien, Belgien und Zypern in ihrer derzeitigen Gestalt mit dem EU-internen Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung vereinbar sind. Im – fortgeschritteneren – britischen Fall hat die EU-Kommission dies explizit verneint. Im Dezember sollen sich die Finanzminister mit der Frage beschäftigen. NZZ, 21. November 2013, S. 29.
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