Übersicht Kurzinfos Kurzinfos Januar 2014Der zweite Frühling der Guten Dienste
Nach dem Kalten Krieg glaubten manche, die Guten Dienste seien passé. Doch jetzt ist die Schweiz als Vermittlerin wieder omnipräsent. Dafür gibt es geopolitische Gründe – aber auch ein paar hausgemachte. Gäbe es eine Rangliste der meistzitierten Städtenamen der Welt, so stünden Montreux, Genf und Davos derzeit ganz weit oben. Auf der Syrien-Konferenz am Genfersee ruhen die Hoffnungen der Welt. Und auch die erste Europareise, die den iranischen Präsidenten Rohani ans Weltwirtschaftsforum (WEF) führte, stiess auf grosses Interesse. Kein Wunder, schwärmte Didier Burkhalter am Rande des WEF von einer «phantastischen Woche» für die Schweiz. Man habe gezeigt, «dass wir sehr viel machen können für die Probleme der Welt – von der Schweiz aus».
Tatsächlich ist die Häufung von hochrangigen Treffen bemerkenswert: Vor der Syrien-Konferenz «Genf II» gab es im Juni 2012 bereits «Genf I». Und dazwischen kam es im November 2013 ebenfalls in Genf zu einer Annäherung zwischen Iran und dem Westen. 2014 präsidiert die Schweiz zudem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE); in dieser Funktion hat Burkhalter soeben einen Vermittlungsversuch in der Ukraine lanciert. Dass das alles fast gleichzeitig stattfindet, ist Zufall. Dennoch verdichten sich die Anzeichen, dass die Schweiz als Vermittlerin wieder stärker gefragt ist.
Das Ende des Kalten Krieges hatte das Land in eine Sinnkrise gestürzt. Es schien, als sei mit dem Mauerfall auch die neutrale Friedens-Logistikerin überflüssig geworden. Zwischenstaatliche Kriege wurden durch innerstaatliche Konflikte abgelöst – und dafür waren die traditionellen diplomatischen Instrumente weniger geeignet. Nicht dass die Schweizer Diplomatie inaktiv gewesen wäre in dieser Phase; jahrelang suchte sie aber nach einer neuen Rolle. Und so war es kaum ein Zufall, dass 1993 die Oslo-Abkommen nicht der Schweiz gelangen, sondern Norwegen.
Seither hat sich die Welt erneut verändert. Mehrere Gründe führen dazu, dass die Schweiz ihre alte Rolle als Vermittlerin heute wieder stärker spielt:
Geopolitische Entwicklungen. 25 Jahre nach dem Mauerfall hat sich ein neuer Gegensatz zwischen Russland und dem Westen herausgebildet, wie sich vor allem in der Syrien-Krise zeigt. Damit steigt auch wieder die Nachfrage nach Treffen in einer neutralen Zone.
Geschwächte Konkurrenz. Andere Staaten, die ebenfalls um internationale Mandate buhlen, sind handicapiert: Schweden und Österreich haben mit dem EU-Beitritt viel aussenpolitischen
Handlungsspielraum eingebüsst; Norwegen ist als Nato-Mitglied eingebunden.
Mehr Risikobereitschaft. Als Grossbritannien und Deutschland die Schweiz 1998 baten, ihre diplomatische Schutzmacht in Serbien zu werden, lehnte der damalige Aussenminister Flavio Cotti ab. Als 2008 Russland und Georgien eine Schutzmacht suchten, liess sich Micheline Calmy-Rey nicht zweimal bitten. Unter Calmy-Rey ist die Aussenpolitik generell offensiver geworden. Sei es im Nahen Osten, im Kaukasus oder im Atomstreit mit Iran: Überall war sie mit logistischer Hilfe oder mit Mediatoren zur Stelle. Didier Burkhalter führt Calmy-Reys aktive Aussenpolitik weitgehend weiter, wie etwa das Beispiel Mali zeigt – auch wenn er zurückhaltender kommuniziert als sie.
Privilegierte Beziehungen. Nicht zuletzt dank solchen Mandaten verfügt die Schweiz über privilegierte Beziehungen zu Schlüsselakteuren, nicht zuletzt zu Russland. Auch zu den USA und zu Iran hat die Schweiz einen speziellen Draht, weil sie die USA in Teheran als diplomatische Schutzmacht vertritt.
Ausgewogene Politik. Die Schweiz hält sich in aussenpolitischen Kommentaren zurück – unter Burkhalter noch stärker als unter Calmy-Rey. Das wird im Ausland registriert: So lobt der ukrainische Regierungschef die Schweiz dafür, dass sie bisher «keinerlei einseitige Stellungnahmen» zur Situation in der Ukraine abgegeben habe (NZZ 25. 1. 14). Deutschland oder die skandinavischen Staaten hingegen sind meist viel rascher mit Verurteilungen zur Stelle. Im Inland trägt diese Zurückhaltung dem Bundesrat zwar oft Kritik ein. Im Hinblick auf eine Vermittlung hilft sie aber.
Zusätzlich kann die Schweiz immer noch die gleichen Trümpfe ausspielen wie im 20. Jahrhundert: Sie ist neutral. Sie hat keine koloniale Vergangenheit. Sie verfolgt keine geopolitische Agenda. Sie bietet Sicherheit und eine gute Infrastruktur für Konferenzen. Als die Genfer Hotels letzte Woche wegen der Uhrenmesse ausgebucht waren, stand mit Montreux sofort eine ebenso komfortable Alternative parat. NZZ, 28. Januar 2014, S. 9
EU steigt aufs militärische Gaspedal Beim EU-Gipfel Ende des Vorjahres haben die EU-Regierungschefs beschlossen, aufs militärische Gaspedal zu steigen. Sie wollen neue Rüstungsprogramme insbesondere in den Bereichen Drohnenkrieg, Luftbetankung, Satellitenkommunikation und Cyber-Defence starten. Wissenschaft und Forschung sollen noch viel stärker in die Militarisierung eingebunden werden. Regierung und extreme Rechte finden das super. Friedensorganisationen mobilisieren dagegen.
Werkstatt-Blatt, 1/2014
Am 19./20. Dezember 2013 fand ein EU-Gipfel mit dem Schwerpunkt Rüstung statt. Denn die EU-Granden machen sich Sorgen, da „ihre Verteidigungshaushalte begrenzt sind, was die Möglichkeit einschränkt, militärische Fähigkeiten zu entwickeln, zu verlegen und im Einsatz zu halten.“ (1) Zur Erläuterung, was die EU-Staatschefs unter „begrenzten“ Militärausgaben verstehen: Diese betragen „mehr als die Rüstungsbudgets von Russland, China und Japan zusammengenommen“ (2) Die EU-Militärausgaben sind im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts laufend angestiegen, seit 2010 aber unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise etwas gesunken. Das lässt bei den EU-Eliten die Alarmglocken läuten. In der Krise wollen sie zwar überall sparen, aber doch bitte nicht bei Rüstung und Militär. Immerhin hat die EU mit Vertrag von Lissabon allen EU-Staaten den unverrückbaren Verfassungsauftrag gegeben, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (Artikel 42, Abs. 3, Vertrag über die Europäische Union)
Also beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel Ende Dezember 2013, aufs militärische Gaspedal zu treten, um „die Fähigkeit zur Durchführung von Missionen und Operationen (zu) verbessern und Synergien im vollen Umfang zu nutzen, die Entwicklung und die Verfügbarkeit der erforderlichen zivilen und militärischen Fähigkeiten zu verbessern, was durch eine stärker integrierte, tragfähigere, innovativere und wettbwerbsfähigere technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung unterstützt werden sollte.“ (1) Wenige Tage vor dem 24. Dezember stellte sich der Europäische Rat als wahrer Weihnachtsmann bei der EU-Kriegswaffenindustrie ein. Vier Rüstungsprojekte sollen besonders gefördert werden:
- Ein EU-Drohnenprogramm, um beim Töten per Mausklick mit den USA nachzuziehen.
- Ein Luftbetankungsprogramm, um dafür zu sorgen, dass bei Militärmissionen in entfernten Regionen der Sprit nicht ausgeht.
- Militärische Satellitenkommunikation, die beim modernen High-Tech-Krieg unverzichtbar ist
- „Cyber-Defence“, vor allem in Hinblick auf „EU-Missionen und Operationen“.
Ein Schwerpunkt soll auf die Militarisierung von Wissenschaft und Forschung gelegt werden. Das Zauberwort heißt: „Dual Use“, also Forschung mit zivilem und kriegerischem Verwendungszweck. So wird die Kommission und die Europäische Rüstungsagentur „ersucht, eng mit den Mitgliedsstaaten zusammenzuarbeiten, um Vorschläge auszuarbeiten, wie die Dual-Use-Forschung noch stärker angekurbelt werden kann.“ (1) Das EU-Forschungsprogramm "Horizon 2020" steht bereits ganz unter dem Vorzeichen der Verquickung von ziviler und militärischer Forschungsarbeit.
Kriegsfähigkeit in "Regionen privilegierten EU-Interesses"
Durch diese rüstungspolitischen Maßnahmen soll die „die Krisenreaktionsfähigkeiten der EU verbessert (werden), einschließlich durch EU-Gefechtsverbände mit verbesserter Flexibilität und Verlegefähigkeit.“ Als Motiv dafür wird in der Schlusserklärung des EU-Gipfels unter anderem "Herausforderungen im Bereich der Energiesicherheit" (1) genannt.
Ein paar Monate vor diesem Rüstungsgipfel hat das EU-Institut für Sicherheitsstudien die damit verbundenen militärischen Ambitionen etwas ausführlicherer erläutert: Die EU müsse sich „darauf konzentrieren, ihre Fähigkeit zu verbessern, ihre Streitkräfte zeitweilig in die geographischen Regionen ihres privilegierten Interesses zu projizieren bzw. dauerhaft auszudehnen.“ (3). Und zwar durch „Vornepräsenz“ und „expeditionary/offensive force projection“, was man etwas salopp durchaus mit „Angriffskrieg“ übersetzen kann.
Als „Gebiete von privilegiertem EU-Interesse“ werden angeführt: „Östliche und südliche Nachbarschaft, die Nachbarn der Nachbarn (von Mali bis Somalia, vom Golf bis Zentralasien), die zentralen Seewege im Indo-Pazifik (von Suez bis Shanghai) und der erweiterte Norden (Arktis und ihr Umfeld).“ In diesem EU-Strategiepapier werden entsprechende Einsatzszenarien durchgespielt. Unter anderem heißt es: „Mit einer Reichweite von 5.500 km“ interveniert „eine großangelegte EU-Expeditionsstreitmacht, unterstützt von beträchtlichen und hochentwickelten See- und Luftplattformen sowie taktischen und strategischen Raketenabwehrsystemen, die am Golf, im Schwarzen Meer oder im östlichen Mittelmeer stationiert sind.“(3)
Entsprechend solcher Szenarien, die das Augenmerk auf die Kriegsführung zur und von der See aus legen, fordert der Europäische Rat die Kommission und die EU-Außenbeauftragte auf, "bis Juni 2014 eine EU-Strategie für maritime Sicherheit sowie anschließende Aktionspläne auszuarbeiten, damit auf maritime Herausforderungen reagiert werden kann." (1) Damit zeichnet sich ab, dass auch der nächste EU-Gipfel im Juni 2014 unter dem Vorzeichen Aufrüstung und Kriegsfähigmachung stehen wird.
Regierung und extreme Rechte gemeinsam für EU-Militarisierung
Man fragt sich natürlich, was Bundeskanzler Faymann bei diesem EU-Rüstungsgipfel gemacht hat. Man kann es kurz fassen: Er hat alles abgenickt, gibt sich aber öffentlich wortkarg. Redseliger ist Verteidigungsminister Klug. Österreich wolle sich in die militärische EU-Kooperation dort einbringen, „wo man gut aufgestellt sei“. Klug nennt dabei „die ABC-Abwehr, die Spezialeinsatzkräfte (Jagdkommando), die Katastrophenhilfe oder den Kampf im Hochgebirge.“ Der Verteidigungsminister „bekennt sich zu den EU-Battlegroups“, will aber, dass diese endlich zum Schuss kommen. Klug: "Klar ist aber, dass wir diese Krisenfeuerwehr auch einmal zum Einsatz bringen müssen." (4)
Unterstützung für diesen EU-Militarisierungskurs kommt auch von rechtsaußen. Der FPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament Andreas Mölzer „begrüßt eine starke gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU“ und mahnt eine völlig eigenständige EU-Militarisierung an „unabhängig von raumfremden Mächten wie den USA.“(5) Das ist keineswegs überraschend, bereits seit vielen Jahren spricht sich der FP-Chefideologe „für eine starke europäische Armee mit internationalen Eingreiftruppen“ aus, da „dieses Europa eine unabhängige Weltmacht sein muss, das seine vitalen Interessen auch weltweit zu vertreten und durchzusetzen weiß.“ (6) Im Sommer 2013 haben die Rechtsextremen gemeinsam mit den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP die neue österreichische Sicherheitsstrategie beschlossen, die sich zur Teilnahme Österreichs an der EU-Militärpolitik „in allen ihren Dimensionen“ bekennt, einschließlich der Teilnahme österreichischer Truppen an EU-Militäraktionen von Nordafrika über die Schwarzmeerregion bis zum Kaukasus.
Friedensorganisationen: Raus aus EU-Rüstungsagentur und Battlegroups!
Der EU-Rüstungsgipfel und die volle Unterordnung Österreichs unter diesen Militarisierungskurs unterstreichen die Notwendigkeit der Vorjahr gestartete Initiative „Drohnen-Krieg – Nein Danke!“. Die Forderungen, die von mittlerweile 14 Friedensorganisationen, darunter der Solidarwerkstatt, erhoben werden, sind angesichts der Ergebnisse dieses Gipfels aktueller denn je: Keine Teilnahme Österreichs bzw. österreichischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen an EU-Drohnenprojekten, eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik und was konsequenterweise die Voraussetzung dafür ist: Ausstieg aus der EU-Rüstungsagentur und den EU-Battlegroups.
Im Vorfeld des EU-Gipfels hat die Solidarwerkstatt gemeinsam mit anderen Gruppen eine Mahnwache vor dem Bundeskanzleramt organisiert, wo wir diese Forderungen an die Regierung überreicht haben. Bis jetzt gibt es keine Reaktion von Kanzler oder Außenminister. Wir werden also noch viel mehr und lauter werden müssen. Jede Unterschrift unter diesen Appell ist wichtig!
Der Aufruf "Drohnen-Krieg - Nein Danke!" kann hier online unterstützt werden. Auf Wunsch schicken wir gerne Unterschriftslisten auch per Post zu. Mail an: office@solidarwerkstatt.at
Quellen:
(1) Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, 19./20.12.2013, Brüssel
(2) Cathrine Ashton, EU-Außenbeauftragte, Towards a more competitive and efficient defence and security sector, Vorbereitungspapier für den Rüstungsgipfel, 19/20.12.2013
(3) „Die Zukunft ermöglichen – Europäische Militärkapazitäten 2013-2015: Herausforderungen und Wege“
(4) Kleine Zeitung, 03.01.2014
(5) Andreas Mölzer, Bei EU-Sicherheitspolitik müssen europäische Interessen im Mittelpunkt stehen, 17.12.2013
(6) Andreas Mölzer, Europa im rechten Licht, Zur-Zeit Editionen, Wien 2004
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=985&Itemid=40
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Die Entwicklungsfeindlichkeit der Freihandelsabkommen zwischen der EU und den AKP Staaten Angesichts des Stillstandes der WTO-Doha Runde wächst die Anzahl der bilateralen Freihandelsabkommen stetig. In diesem Kontext sind auch die Economic Partnership Agreements (EPAs) zu sehen, Freihandelsabkommen, die seit 2002 zwischen der EU und 7 AKP (Afrika, Karibik, Pazifik) Regionen ausgehandelt werden, in denen die EU gerade diejenigen Themen durchsetzt, die aufgrund des Widerstandes der sogenannten Entwicklungsländer überhaupt erst zum Scheitern der Doha Runde führten.(1) Die EPAs müssen weiters im Licht der geopolitischen und auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Strategien der EU, also Lissabon/Europe 2020 und der komplementären Außenhandelsstrategie Global Europe, gesehen werden, wodurch Brüssel die europäische Wettbewerbsfähigkeit und EU Standortvorteile zu verbessern versucht. Um dies zu erreichen, gehen die Bestimmungen der EPAs teils weit über den Rahmen der WTO-Konformität hinaus, und inkludieren die sogenannten Singapur, oder WTO-Plus, Themen.
Von Carla Weinzierl, Werkstatt-Baltt 1/2014 *(Solidarwerkstatt Österreich, Waltherstrasse 15, 4020 Linz, http://www.werkstatt.or.at/
Die EPAs können jedoch desaströse Folgen haben für die AKP Länder, vor allem im Bereich der kleinbäuerlichen Landwirtschaft: sie erhöhen den Zugang europäischer Agrarexporteure zu AKP Märkten, während durch die hohen EU Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), europäische Agrarprodukte (vor allem Fleisch-, Milch-, und Getreideprodukte) zu äußerst niedrigen Preisen auf AKP Märkten angeboten werden können.(1) Dieser Verkauf von Produkten unter ihren Produktionskosten auf externen Märkten, stellt de facto Dumping dar. Trotzdem wird diese Praxis vom internationalen Handelsregime gebilligt, denn die WTO definiert Dumping als den Verkauf von Produkten auf nicht-heimischen Märkten unter dem heimischen Preis. Dies ist in der EU nicht der Fall, denn die heutige GAP basiert nicht auf Preisstützung (also höheren EU-Preisen) sondern auf Direktzahlungen an die Bäuerinnen und Bauern, um die Einkommensverluste aus niedrigen, an den Weltmarkt-Preisen orientierten EU-Preisen auszugleichen.(1)
Die EU Agrar- und Exportpolitik - selbst Resultat der Notwendigkeit den WTO-Standards zu entsprechen - wird dadurch allerdings im Mainstream-Diskurs nicht als schädigend für den Globalen Süden verstanden, obwohl kritische Analysen der bereits abgeschlossenen Interim-EPAs, sowie die Geschichte des Freihandels zwischen wirtschaftlich und politisch ungleich starken Partnern die negativen Folgen klar aufzeigen.
Negative Auswirkungen auf die Ernährungssouveränität
Die EU Dumping-Produkte verdrängen lokale Kleinbäuerinnen und -bauern, die mit den künstlich niedrig gehaltenen Preisen nicht konkurrieren können und so ihre Lebensgrundlage verlieren.(1,2,3)Die sozialen Folgen sind verheerend; wenn lokale Produktionsstrukturen zerstört werden steigen ländliche Armut und damit auch Urbanisierungsdruck und Slumbildung.(1,2) Dem Mainstream-Diskurs zu Folge, hätten die EPAs jedoch durch erleichterten Zugang zu europäischen Märkten armutsreduzierende Effekte. Empirisch ist dies allerdings kaum der Fall, denn oftmals fehlt der Link zwischen der am verbesserten Marktzugang profitierenden Exportindustrie und den ärmsten Bevölkerungsschichten.(4)
In jedem Fall haben die Verdrängung lokaler Produktions- und Distributionssysteme, sowie die Auferlegung neoliberaler Handelspolitiken durch die EPAs negative Auswirkungen auf die Ernährungssouveränität, das Recht aller Völker auf eine selbstdefinierte Agrar- und Nahrungsmittelpolitik inklusive dem Recht auf Nahrung und dem Recht auf Selbstversorgung.(1) In anderen Worten schränken die EPAs den politischen Handlungsspielraum der AKP Staaten im Bereich der Agrar- und Handelspolitik stark ein. Während, weiters, in Zeiten der Überschussproduktion in Europa AKP Märkte so regelrecht von billigen Nahrungsmitteln überschwemmt werden, haben die Zerstörung lokaler Produktionsstrukturen durch ebendiese Billigprodukte und die damit einhergehende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit wenn die Agrarpreise international stark schwanken.(1)
Die Gefahren von starker Importabhängigkeit von Grundnahrungsmitteln, also der Einbindung lokaler Nahrungsmittelsysteme in Weltmärkte und globale Produktionsketten, wurden in der globalen Nahrungsmittelkrise 2007/08 erschreckend offensichtlich, als die Anzahl der hungernden Menschen, trotz global steigender und für die Weltbevölkerung ausreichender Agrarproduktion, auf über eine Milliarde anstieg. Auch die ökologischen Folgen der Abhängigkeit von EU Nahrungsmittelimporten in den AKP Ländern sind schwerwiegend, denn kleinbäuerliche Produktionssysteme sind maßgeblich im Erhalt der Agro-Biodiversität und sind umwelt- und ressourcenschonender, während die industrielle Agrarproduktion der EU stark zum Klimawandel beiträgt.(1)
Untergrabung der öffentlichen Budgets
Die EPAs wirken sich auch negativ auf die Budgets der AKP Staaten aus: die AKP Staaten verlieren durch die Handelsliberalisierung dringend benötigte Zolleinnahmen; dies erfordert weitreichende Steuerreformen, wobei die AKP angesichts der hohen Beschäftigung im informellen Sektor vor massiven Schwierigkeiten stehen. Durch die Untergrabung der AKP Steuersysteme, wobei Zolleinnahmen oftmals hohe Anteile ausmachen, werden auch erforderliche öffentliche Ausgaben in z.B. Gesundheits- und Bildungssysteme sowie Infrastrukturen erschwert. Somit stellen die EPAs auch klar eine Bedrohung für die Erreichung der Millenium Development Goals dar.(2,7) Schätzungen zufolge wird die EU außerdem aufgrund der durch die EPAs geöffneten Märkte positive Handelsbilanzen in hohen Summen verzeichnen, während die AKP Handelsdefizite mit der EU haben werden (5), wodurch die von der EU proklamierten positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der EPAs für die AKP in Frage gestellt werden.
Auch der vermeintlich stark verbesserte Zugang der AKP zu EU Märkten ist stark übertrieben, angesichts der Macht der EU, gewisse Produkte aus den Liberalisierungsprozessen auszunehmen um eigene Produktionssysteme zu schützen (die Liste der sogenannten sensitiven Produkte), sowie aufgrund der nicht-tarifären Handelsbarrieren (z.B. Reinheitsvorschriften und Herkunftsbezeichnungen).(6)
Studien belegen weiters, dass die regionale Integration durch den Beitritt der 7 AKP Regionen zu den EPAs eingeschränkt wird und es zu einer Handelsverschiebung von AKP-Nachbarstaaten zur EU als Haupthandelspartner kommt. (8 )
Ärmste am härtesten betroffen
Die Entwicklungsfeindlichkeit der EPAs wird besonders deutlich in Anbetracht des Reziprozitätserfordernisses, mit welchem sich durch die EPAs zum ersten mal auch die sogenannten Least Developed Countries konfrontiert sehen. Sie werden von den EPAs am härtesten getroffen, denn sie müssen relativ zur ökonomischen Entwicklung Handelsbarrieren am stärksten abbauen, profitieren allerdings nicht, da sie den durch die EPAs ermöglichten Marktzugang im Rahmen der Everything But Arms Initiative bereits genießen.(1)Warum unterzeichnen die AKP Staaten die EPAs dann eigentlich? Kritische politökonomische Analysen zeigen, das die AKP den EPAs nicht beitreten weil sie daraus große Vorteile ziehen, sondern um bereits existierende Handelspräferenzen abzusichern, die sie sonst verlieren würden - sie wählen also das geringere von zwei Übeln.(2,4,9,10)
Zusammenfassend werden die kurzfristigen positiven Auswirkungen der EPAs bezüglich verbessertem EU-Marktzugang die mittel- und langfristigen negativen Auswirkungen auf die Entwicklungsambitionen der AKP nicht ausgleichen.
Quellen:
(1) Weinzierl, Carla (2014): Free Trade and Industrialization of Agriculture as Obstacles to Food Sovereignty. The Implications of the EU-ACP EPAs, the EU CAP and the Green Revolution for African Smallholders. Diplom-Arbeit, Universität Wien.
(2) Küblböck, Karin; Forster, Franziskus (2008): Die Economic Partnership Agreements (EPAs) mit Westafrika. Eine Zwischenbilanz. ÖFSE – Briefing Paper 2/2008. Wien: ÖFSE.
(3) De Schutter, Olivier (2011): The Common Agricultural Policy Towards 2020: The Role of the European Union in Supporting the Realization of the Right to Food. Comments and Recommendations by the United Nations Special Rapporteur on the Right to Food.http://www.iatp.org/files/CAP%20Reform%20Right%20to%20Food.pdf
(4) Mbatha, Nhlanhla; Charalambides, Nick (2008): What Is Really in the Economic Partnership Agreements for the Southern African Region? A Perspective from Botswana’s Beef Export Markets. In: Agrekon, Vol. 47, No. 4, 410–432.
(5) Sukati, Mmathabo (2012): The SADC Region and EPA/EBAI – Trade Balance Analysis. In: International Journal of Sustainable Economy, Vol. 4, No. 2, 136-154.
(6) Echessah, Protase (2007): Effects of EU’s Common Agricultural Policy Reforms on Prospects For Eastern And Southern Africa’s Trade With the EU Under the Economic Partnership Agreements. AAAE Conference Proceedings, 529-536.
(7) Fontagné, Lionel; Laborde, David; Mitaritonna, Cristina (2010): An Impact Study of the Economic Partnership Agreements in the Six ACP Regions. In: Journal of African Economies, Vol. 20, No. 2, 179–216.
(8 ) Hurt, Stephen (2012): The EU–SADC Economic Partnership Agreement Negotiations: ‘locking In’ the Neoliberal Development Model in Southern Africa? In: Third World Quarterly, Vol. 33, No. 3, 495–510.
(9) Mahadevan, Renuka; Asafu-Adjaye, John (2010): The Implications of European Union Sugar Price Cuts, Economic Partnership Agreement, and Development Aid for Fiji. In: Contemporary Economic Policy, Vol. 28, No. 1, 52–64.
(10) Manger, Mark; Schadlen, Kenneth (2013): Political Trade Dependence and North-South Trade Agreements. In: International Studies Quarterly, 1-13.
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