Yom Zahnarztbesuch ennet der Grenze bis zur Hüftoperation in einem anderen Staat: In der EU können sich Patienten künftig unter bestimmten Bedingungen auch in einem anderen Mitgliedstaat behandeln und die Kosten von der heimischen Krankenkasse erstatten lassen. Die Regeln hierfür setzt eine Richtlinie (Gesetz), die am Mittwoch vom EU-Parlament (EP) in Strassburg verabschiedet worden ist. Da sich Vertreter des EP bereits im Vorfeld mit dem Ministerrat abgestimmt haben; ist das Gesetzgebungsverfahren mit der Bestätigung durch das EP-Plenum de facto abgeschlossen. Die EU-Staaten haben nach der in Kürze erwarteten Inkraftsetzung 30 Monate Zeit zur Umsetzung der Vorgaben innationales Recht; Grundsatzlich mussen dem Patienten laut der neuen Richtlinie die Kosten einer Behandlung im Ausland erstattet werden, sofem diese zu den Leistungen gehört, auf die er auch zu Hause Anspruch hat - allerdings nur bis zu der Höhe, die auch im Inland übernommen würde. Ambulante Behandlungen können die Patienten ohne vorherige Genehmigung imAusland antreten. Für stationäre :Behandlungen (mindestens eine Übernachtung) und in einigen Sonderfällen, darunter hochspezialisierte, kostenintensive Versorgungen, können die Mitgliedstaaten hingegen ein System der «Vorabgenehmigung» einführen. Die Genehmigung kann nur in bestimmten Fiillen verweigert werden. So darf sie insbesondere abgelehnt werden, wenn dem Patienten die geeignete Versorgung innerhalb eines «medizinisch vertretbaren Zeitraums» auch zu Hause angeboten werden kann. Vorgeschrieben werden sodann praktische Verbesserungen wie die Einrichtung nationaler Anlaufstellen zur Information der Bürger über Behandlungen im Ausland.
Die von der EU-Kommission 2008 vorgeschlagene Richtlinie setzt im Wesentlichen die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs um, der - etwa unter Verweis auf den freien Dienstleistungsverkehr in der EU - bereits in mehreren Einzelfall-Urteilen das Recht auf Behandlung im Ausland festgehalten hat (NZZ 6. 9. 06 und 3. 7. 08). Sie ergänzt bestehende EU-Vorschriften, die unter anderem Notfälle während eines vorübergehenden Auslandaufenthalts regeln.
Laut Kommission entfallen von den öffentlichen Gesundheitsausgaben in der EU nur etwa 1% auf grenzüberschreitende Behandlungen (einschliesslich Notfälle). Geplante Behandlungen im Ausland werden gemäss Experten meist nur in Sonderfällen gewünscht, etwa bei langen Wartezeiten für bestimmte Operationen oder wenn das nächste Spital jenseits der Grenze liegt. Gleichwohl haben sich die Mitgliedstaaten im Gesetzgebungsverfahren aus Furcht vor den Kosten weitergehenden Wünschen in den Weg gesteIlt. NZZ, 20. Januar 2011, S. 27