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Kurzinfos August 2020



Kurzsichtiges Ränkeschmieden der EU gegenüber Grossbritannien

Die EU baut gegenüber Grossbritannien Druck auf, indem sie vorerst die Anerkennung und die Vollstreckung von Gerichtsurteilen gemäss dem Lugano-Übereinkommen verweigert. Das ist unüberlegt, wenn auch nicht überraschend. Das Lugano-Übereinkommen von 2007 (LugÜ) garantiert die Anerkennung und die Vollstreckung von Gerichtsurteilen in Zivil- und Handelssachen in den Vertragsparteien EU, in den Efta-Staaten Island, Norwegen, Schweiz und in Dänemark; Letzteres ist aufgrund einer Sonderregelung Einzelmitglied. Solche Urteile sollen in den Mitgliedstaaten der EU, in der Schweiz, Norwegen und Island frei zirkulieren können. Das Lugano-Übereinkommen fusst damit auf der Annahme, dass die Justizsysteme in Europa grundsätzlich gleichwertig sind.

Das Übereinkommen von 2007 ist ein Nachfolgevertrag zum ersten LugÜ von 1988. Dass beide Abkommen in der Schweiz unterzeichnet wurden und den Namen der wichtigsten Tessiner Stadt tragen, ist für das Land ein erheblicher Prestigegewinn. Rechtsindustrien

Das LugÜ ist Teil des EU-Rechts. Das Vereinigte Königreich war bisher als EU-Mitgliedstaat am Lugano-Übereinkommen beteiligt. Mit dem Ausscheiden aus der EU Ende 2020 würde der Lugano-Status enden. London hat deshalb am 8. April 2020 einen Antrag auf Wiederbeitritt als Einzelmitglied eingereicht. Gemäss dem Übereinkommen ist dafür die Zustimmung aller Vertragsparteien erforderlich. Die Efta-Staaten Schweiz, Norwegen und Island unterstützen die Wiederaufnahme der Briten. Die EU und Dänemark haben hingegen bisher nicht zugestimmt.

Das Betreiben von Gerichtsverfahren liegt überall in der Welt in den Händen von Anwälten und anderen Juristen; man spricht von Rechtsindustrien. Die bedeutendste Rechtsindustrie in Europa ist die britische. Im Jahr 2019 erwirtschafteten ihre Vertreter Einnahmen in der Höhe von 37,1 Milliarden Pfund. Das hängt auch mit der Qualität der britischen Richter zusammen. Ein Verlust der Lugano-Mitgliedschaft würde die Anerkennung und die Vollstreckung von Urteilen britischer Gerichte in der EU-27 und in Island, Norwegen und der Schweiz deutlich erschweren.

Gemäss Medienberichten vom April soll die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten zu verstehen gegeben haben, eine schnelle Entscheidung über den britischen Antrag liege nicht im Interesse der EU. Zur Begründung wurde geltend gemacht, die derzeitigen Lugano-Vertragsparteien seien alle Teil des EU-Binnenmarktes und das Vereinigte Königreich sei entschlossen, diesen zu verlassen. Diese Argumentation ist freilich nicht haltbar. Eine Zugehörigkeit zum Binnenmarkt ist nicht Voraussetzung für die Lugano-Mitgliedschaft. Und die Behauptung, alle derzeitigen Lugano-Staaten seien Mitglieder des Binnenmarktes, ist falsch; die Schweiz nimmt allenfalls partiell am Binnenmarkt teil. Von den vier Grundfreiheiten hat sie lediglich die Personenfreizügigkeit und (weitgehend) die Warenverkehrsfreiheit, nicht aber die Freiheiten der Dienstleistung, der Niederlassung und des Kapitals übernommen.

Tatsächlich geht es der EU um etwas ganz anderes: Sie will bei den Verhandlungen über ein künftiges Freihandelsabkommen mit Grossbritannien zusätzlichen Druck aufbauen. Das ist unüberlegt, aber auch nicht überraschend. Wie die Verweigerung der Anerkennung der Äquivalenz von Schweizer Börsen ab dem 1. Juli 2019 zeigt, schreckt man in Brüssel neuerdings nicht davor zurück, befreundete europäische Staaten mittels fragwürdiger Mittel zu schikanieren. Die Sache mit der Börsenäquivalenz war für die EU allerdings ein Schuss ins eigene Knie, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch reputationsmässig. So etwas steht einem Staatenverbund, der sich nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Rechts- und Wertegemeinschaft versteht, schlecht an. Völkerrechtliches Schädigungsverbot

Eine Schädigung der britischen Rechtsindustrie durch die Blockierung der Wiederaufnahme Grossbritanniens in das Lugano-Übereinkommen wäre eine noch grössere Fehlleistung. Theoretisch könnte die EU zwar geltend machen, sie sei bei diesem Entscheid frei. Diese Freiheit ist allerdings in einem so langen und engen Verhältnis durch das allgemeine völkerrechtliche Schädigungsverbot eingeschränkt. Ein solcher Schritt brächte den EU-27 nicht einmal Vorteile, im Gegenteil. Die EU-Staaten haben ein grosses Interesse daran, dass Urteile ihrer Gerichte in Zivil- und Handelssachen im Vereinigten Königreich problemlos anerkannt und vollstreckt werden können. Man denke etwa an Konsumentenfälle im Zusammenhang mit Online-Käufen oder Dienstleistungen aller Art. Das Verhalten der Kommission ist schliesslich ein Affront gegenüber Island, Norwegen und der Schweiz, die gleichsam in Geiselhaft genommen werden.

Gerade im Zeichen der jüngsten globalen Entwicklungen (Corona-Krise, Hongkonger «Sicherheitsgesetz», Belarus) ist die EU gut beraten, wenn sie der Nato-Atommacht Grossbritannien, die einen von zwei ständigen Sitzen im Uno-Sicherheitsrat innehat, beim Beitritt zum Lugano-Übereinkommen als Einzelmitglied keine Steine in den Weg legt. Damit das Vereinigte Königreich per Ende 2020 dem LugÜ als Einzelmitglied beitreten kann, müssen die Vertragsparteien spätestens bis zum 1. Oktober 2020 ihre Zustimmung geben. Wenn man das in Brüssel nicht begreift, so müssen die Hauptstädte aktiv werden. Carl Baudenbacher, Carl Baudenbacher war von 2003 bis 2017 Präsident des Efta-Gerichtshofs. NZZ, 21. August 2020, S. 8


EU-Abschottung

Die Schweiz darf sich nicht an das Netzwerk der europäischen Corona-Apps anschliessen. Als Grund dafür nennt Brüssel offiziell das fehlende Rahmenabkommen. Damit stellt die EU die Machtpolitik über die Gesundheit ihrer Bürger.

Der Streit zwischen der Schweiz und der EU um das institutionelle Rahmenabkommen hat Pause gemacht. In der Corona-Krise hatte die EU auf neue Versuche, Druck auf die Schweiz auszuüben, verzichtet, wie sie es etwa bei der Börsenäquivalenz getan hatte. Die neue EU-Verordnung über Medizinalprodukte wurde verschoben, was der Schweiz in diesem Bereich Luft verschafft hat.

Doch diese Zeit des Einvernehmens geht zu Ende. Die EU verweigert der Schweiz seit Wochen einen Anschluss an ihr länderübergreifendes System der Proximity-Tracing-Apps. Über eine neue Schnittstelle sollen dereinst die Warndaten der nationalen Corona-Apps europaweit ausgetauscht werden, um so grenzüberschreitend Infektionsketten zu unterbrechen. Heute muss man noch bei jeder Auslandreise die App des jeweiligen Landes installieren.

Der offizielle Grund für den Ausschluss ist, dass die Schweiz kein Gesundheitsabkommen mit der EU hat. Und dieses wiederum ist abhängig vom fehlenden Rahmenabkommen. Doch noch im Januar 20 zeigten sich die Entscheidungsträger in Brüssel angesichts der aufziehenden Seuchengefahr durchaus zu Pragmatismus bereit.

Damals ging es um den Zugang zum Frühwarnsystem für Infektionskrankheiten (EWRS). Die Schweiz hatte diesen nach einem EU-Beschluss von 2013 verloren. Die Rede war von einer Blockade mit «besorgniserregenden Auswirkungen auf die nationale Sicherheit» im Gesundheitsbereich. Im Fall einer Epidemie sind die Informationen aus den Nachbarländern für die Schweiz entscheidend.

Im Fall des Frühwarnsystems gewährte die EU der Schweiz schliesslich einen temporären Zugang zum EWRS. Unkompliziert und unbürokratisch – denn zuvor war ein Gesundheitsabkommen ebenfalls offiziell die Voraussetzung dafür. EU-Botschafter vergisst seine Grenzgänger

Was vor einem halben Jahr noch pragmatisch möglich war, droht nun an Brüssels Bürokratismus oder gar einer fatalen Ignoranz zu scheitern. Denn die Zusammenarbeit mit der Schweiz wäre auch im Interesse der EU.

Diese Erkenntnis ist jedoch noch nicht bei der EU angekommen. Der abtretende EU-Botschafter in Bern, Michael Matthiessen, etwa empfahl in der NZZ, dass die Schweizer, die in EU-Ländern Ferien machen, ja die jeweilige nationale App auf ihr Smartphone herunterladen könnten. Die eigenen Grenzgänger scheint er vergessen zu haben.

Jeden Tag kommen über 300 000 Personen aus den Nachbarländern in die Schweiz, um hier zu arbeiten. Für sie macht es einen grossen Unterschied, wenn sie nicht jeden Tag zweimal zwischen den nationalen Covid-Apps hin- und herschalten müssen – was rasch auch vergessen gehen kann. Die Einbindung der Schweizer App ist deshalb entscheidend, damit die Infektionsketten des täglichen kleinen Grenzverkehrs unterbrochen werden können.

Brüssel sollte auf den Ruf der Grenzregionen hören

Diese Problematik ist in den Grenzregionen bekannt. Deshalb sind es nun auch Politiker aus Baden-Württemberg, die bei der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen intervenieren – mit exakt diesem Verweis auf die Grenzgänger. Nun müssen die Verantwortlichen im fernen Brüssel den Ruf aus den grenznahen Regionen noch hören.

Dass die EU die Schweiz jetzt bei der Seuchenbekämpfung unter Druck setzt, ist beschämend. Die EU hat beim Frühwarnsystem Anfang Jahr 2020 gezeigt, dass pragmatische Lösungen auch ohne Gesundheitsabkommen möglich sind. Auch minimale rechtliche Grundlagen für die Einbindung der Schweizer Corona-App wären rasch ausgehandelt.

Die Entwickler in der Schweiz haben ihre App auf einen Anschluss an das europäische System vorbereitet. Die Technik ist bereit. Jetzt müssen sich nur noch die Entscheidungsträger in der EU bewegen – und erkennen, dass eine Kooperation ihren eigenen Bürgern nützt. NZZ, 20. August 2020, S. 9


Londoner Studie zu Bilateralen

Im Auftrag der Stiftung für bürgerliche Politik (https://buergerliche-politik.ch/studie/) hat das Londoner Forschungsinstitut «Europe Economics», zu dessen Kunden auch die EU-Kommission zählt, die Verträge der Bilateralen I untersucht. Bei vier der sieben Verträge fanden die Ökonomen keinen nennenswerten Effekt. Studienleiter Dr. Andrew Lilico sagt: «Unsere Untersuchung der sieben Verträge hat gezeigt, dass der allergrösste Teil der BIP-Effekte auf die Personenfreizügigkeit, den Abbau technischer Handelshemmnisse und die Luftfahrt zurückgeht.» Die Ergebnisse der Studie für diese Verträge lauten:

• Die Handelserleichterungen im Abkommen über die technischen Handelshemmnisse haben im Zeitraum 2002-2017 etwa 0,2 Prozent zum BIP/Kopf hinzugefügt.

• Das Flugverkehrsabkommen hat zu einer Zunahme des BIP/Kopf um 0,1 bis 0,2 Prozent geführt.

• Über den gleichen Zeitraum hat die Einwanderung 4,4 Prozentpunkte an Wachstum beim BIP/Kopf gekostet. Ohne sie wäre das BIP/Kopf demzufolge heute um mehr als 3500 Franken höher. Auf die Personenfreizügigkeit führen die Forscher ein um 0,7 Prozent kleineres BIP/Kopf der einheimischen Bevölkerung zurück.

Damit zieht Europe Economics in seinem Gutachten folgendes Fazit: «Der Befund früherer Studien, wonach das Paket der Bilateralen I insgesamt eine positive Auswirkung auf das Schweizer BIP pro Kopf hatte, kann durch die Resultate der vorliegenden Analyse (mit Blick auf die ursprüngliche Bevölkerung) nicht bestätigt werden.»

Ökonom Andrew Lilico ergänzt: «Als den wahrscheinlich wichtigsten Kanal, über den die Einwanderung das BIP pro Kopf reduziert hat, erachten wir sinkende Investitionen und tiefere Produktivität.» Darin sieht auch die Stiftung für bürgerliche Politik das wesentliche Verdienst der Studie. Schon frühere Forschungsarbeiten hätten teilweise aufgezeigt, dass das BIP/Kopf unter der Personenfreizügigkeit leide. Es sei aber das erste Mal, dass die Gründe dafür mit wissenschaftlichen Methoden untersucht worden seien.

Der Zusammenhang: Durch die grosse Verfügbarkeit billiger ausländischer Arbeitskräfte könnten die Unternehmen auf ansonsten notwendige Investitionen in physisches Kapital verzichten. Als Folge davon sänken die Löhne (gemäss Europe Economics um 3,5 bis 3,7 Prozent zwischen 2002 und 2017), während die Kapitalrenditen stiegen. Die Personenfreizügigkeit mache vor allem jene reicher, deren Einkommen schwerpunktmässig aus Kapitalinvestitionen stamme. Weil die tieferen Investitionen und der höhere Arbeitsanteil am BIP auch auf Kosten der Produktivität gingen, «ist die Einwanderung wahrscheinlich der Schlüssel zur Erklärung der schwachen Schweizer Produktivitätsentwicklung im letzten Jahrzehnt und darüber hinaus», sagt Andrew Lilico.

Professor Reiner Eichenberger, Ökonom an der Universität Fribourg, hat für die Stiftung für bürgerliche Politik die Befunde der Studie analysiert: «Sie zeigt klar, dass die Bilateralen I den materiellen Wohlstand der Schweiz reduziert haben.» Eine wesentliche Stärke sieht Eichenberger darin, dass Europe Economics mit neuen Daten gearbeitet habe, „wohingegen die bisherigen Studien nur die Entwicklung bis 2014 berücksichtigen konnten». Zudem würden die «teils absurden Annahmen mancher Studien im Auftrag des Bundes unaufgeregt aber treffend“ relativiert. Weiter zeige die Studie „dass der Zuwanderungsdruck aus der EU vor allem daran liegt, dass viele EU-Länder unattraktiv für Arbeitszuwanderer sind und deshalb die Wanderungswilligen weiterhin stark in die Nicht-EU Länder Schweiz und Norwegen drängen werden». Die Studie ist zu finden unter https://buergerliche-politik.ch/wp-content/uploads/2020/08/StudieBilaterale_de.pdf , August 2020


Das neue EU-Budget führt auch für die Schweizer Steuerzahler zu höheren Kosten

Die Schweiz bezahlt in den Bereichen Forschung, Kohäsion, Grenzschutz und Satellitennavigation wesentliche Summen an die EU und ihre Mitgliedstaaten. Das neue EU-Budget dürfte ausser bei der Kohäsion zu deutlich höheren Kosten führen.

Kaum eine Studie dürfte der Schweiz in der EU jüngst so geschadet haben wie die Bertelsmann-Untersuchung von 2019 zum Nutzen des Binnenmarktes. Darin wollte die Stiftung eruieren, wer wie stark von dem Kernstück europäischer Integration profitiert. Und wer steht auf Platz eins? Die Schweiz, die gar nicht Mitglied der EU ist. Der gemeinsame Binnenmarkt erhöht demnach die Wohlfahrt – vereinfacht gesagt das Einkommen – eines jeden Schweizers pro Jahr um gut 2900 €. Der Durchschnittswert für EU-Bürger liegt dagegen «nur» bei 840 €.

Kleine Länder, die viel Handel trieben und stark international ausgerichtet seien, profitierten besonders stark, erklären die Autoren. Das wurde auch den Niederlanden jüngst in den Budgetverhandlungen um die Ohren geschlagen. Wer so stark profitiere, solle den Zugang angemessen abgelten, hiess es.

Das Paket an bilateralen Abkommen erlaubt der Eidgenossenschaft auch ohne Mitgliedschaft in ausgewählten Bereichen einen weitreichenden Zugang. Doch wie viel kostet eigentlich dieser Marktzugang? Welche Beiträge überweist die Schweiz aufgrund der bilateralen Verträge an die EU? Und welchen Einfluss hat das neue Sieben-Jahre-Budget?

Im Herbst 2019 stellte SVP-Nationalrat Lukas Reimann dem Bundesrat Fragen zu Zahlungen an die EU und an die Mitgliedstaaten. Laut der Antwort fliesst vor allem in den Bereichen Forschung, Kohäsion, Schengen und Satellitennavigation Geld.

Für den wichtigsten Posten, die Forschung, überwies Bern jüngst durchschnittlich 284 Mio. Fr. pro Jahr. Dabei handelt es sich um Pflichtbeiträge für die Beteiligung am 8. Forschungsrahmenprogramm der EU (FRP) namens «Horizon 2020». Das nächste FRP («Horizon Europe») ist in den Startlöchern und soll von 2021 bis 2027 dauern.

Die hiesigen Forscher reichen so gute Projekte ein, dass die Schweiz lange Zeit mehr Geld aus den EU-Töpfen zurückerhielt, als Bern eingezahlt hatte. Von 2007 bis 2013 flossen 2,5 Mrd. Fr. an EU-Geldern in die Schweiz. Der hiesige Beitrag belief sich dagegen «nur» auf knapp 2,3 Mrd. Fr. Das löste in der EU wenig Freude aus. Die Modalitäten wurden angepasst. Künftig sollen Ein- und Auszahlungen übereinstimmen.

Die Kosten dürften für die Schweiz deshalb zunehmen. Das Staatssekretariat für Bildung rechnet mit durchschnittlich neu rund 775 Mio. Fr. pro Jahr. Das liegt aber auch daran, dass die EU ihr Forschungsbudget stetig erhöht. Für die nächste Budgetperiode ist ein Plus von 24% vorgesehen, wenn man den Aufbaufonds hinzurechnet. Ursprünglich wollte die Kommission noch mehr, doch die Staats- und Regierungschefs stutzten diese Ambitionen.

Der Bundesrat hat in seiner Botschaft im Mai 6,2 Mrd. Fr. für die erneute Vollassoziierung bei «Horizon Europe» beantragt. Das entspricht 886 Mio. Fr. pro Jahr. Darin enthalten sind allerdings auch Reserven beispielsweise für Schwankungen des Wechselkurses. Der Beitrag im auslaufenden FRP ist auch deshalb aussergewöhnlich gering, weil die EU aufgrund der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 2014 zeitweise die Assoziierung der Schweiz sistierte. Deshalb beteiligten sich die hiesigen Forscher von 2014 bis 2016 nur etwa an einem Drittel der üblichen Projekte. Der Beitrag im «normalen» Jahr 2019 belief sich auf 562 Mio. Fr.

Bern muss mit Brüssel ein Abkommen aushandeln, um bei «Horizon Europe» dabei zu sein. Im ersten Paket bilateraler Abkommen mit der EU ist der Zugang zum 5. FRP geregelt. Diese Übereinkunft muss also stetig erneuert werden. Auf Anfrage erklärte die EU-Kommissio, dass die Schweiz nicht mehr wie bisher voll assoziiert sei. Bern habe wie alle interessierten Drittländer ein neues «internationales» Abkommen abzuschliessen. Dessen Form sowie die Teilnahmebedingungen seien aber noch offen.

Die Schweiz erhofft sich weiterhin eine einer vollständigen Assoziierung gleichkommende Regelung. Die Gespräche darüber dürften laut dem Staatssekretariat für Bildung Ende 2020 beginnen. Entgegen gewissen Befürchtungen drohte Brüssel bisher nicht explizit damit, das Forschungsdossier als Hebel in den Verhandlungen um ein Rahmenabkommen einzusetzen. Eine Sprecherin der Kommission teilte allerdings mit, wie für alle anderen Länder würden «der allgemeine Status, die Dynamik und die Perspektiven des betreffenden Drittlandes in Bezug auf die Union und ihre Politik» eine Rolle spielen. Kohäsionszahlungen sind für die EU ein Eintrittspreis

Beim zweitteuersten Posten, der Kohäsion, sieht man höhere Beiträge in Bern wohl weniger gern als in der Forschung. Rund 129 Mio. Fr. bezahlte die Schweiz jährlich von 2014 bis 2019 direkt in selbstgewählte Förderprojekte in die östlichen und neuen EU-Mitgliedstaaten. Diese «Kohäsionsmilliarde» soll erneuert werden. Das Parlament bewilligte sie im Dezember 2020. Aufgrund des Knatsches mit der von der EU ausgesetzten Äquivalenz der Schweizer Börse sind allerdings die Zahlungen blockiert. Kommt es zu einer Einigung, sollen bis 2029 jährlich 130 Mio. Fr. fliessen. Die Kommission wünscht sich einen noch höheren Beitrag und möchte regelmässige Zahlungen. Doch bis jetzt gibt es keinerlei konkrete Forderungen der EU, dass sich die Schweiz etwa an dem Aufbaufonds beteiligen solle. Somit bleiben diese Kosten während des nächsten EU-Budgetrahmens konstant und könnten frühestens in zehn Jahren ändern.

Dann dürfte Brüssel die Forderungen aber spätestens erneuern. Denn die EU sieht die Kohäsionszahlungen als Entschädigung für den erleichterten Zugang der Schweiz zum Binnenmarkt. In der Schweiz dagegen herrscht eher das Verständnis vor, dass es sich um eine einmalige Wohltätigkeit handelt.

Kostet Frontex nur die Hälfte?

Mit jährlich 51 Mio. Fr. sind die Kosten für den drittteuersten Bereich, Schengen und Dublin, bereits deutlich geringer als für Forschung und Kohäsion. Die beiden Abkommen räumen der Schweiz bei der Grenzkontrolle sowie Migrations- und Asylfragen eine aktive Rolle in der EU ein. Das kam in der Coronavirus-Krise zum Ausdruck und wurde jüngst von Bundesrätin Karin Keller-Sutter bei einem Gespräch mit ihrem Kollegen Horst Seehofer in Berlin unterstrichen.

Nun dürften die Kosten entgegen den ursprünglichen Plänen deutlich sinken. Die Grenzwachtbehörde Frontex soll bis spätestens 2027 unter Schweizer Beteiligung auf 10 000 Mann ausgebaut werden. Doch die Staats- und Regierungschefs kürzten das Budget im Juli von 9 Mrd. € auf noch 5,1 Mrd. €. Das könnte die beschlossene Reform infrage stellen. Die Kommission teilte auf Anfrage aber mit, dass trotz Budgetkürzung die Kernkapazität gemäss dem neuen Mandat erhalten bleibe. Man werde dafür auf die Anschaffung gewisser Grossgeräte verzichten. In einzelnen Bereichen sollen zudem die Staaten selbst Ausrüstung anschaffen und diese dann Frontex zur Verfügung stellen.

Die Schweiz rechnete mit jährlich 453 Mio. Fr. für die ausgebaute Frontex. Aufgrund der Kürzungen könnte sich die Summe auf 265 Mio. Fr. fast halbieren, wie die Zollverwaltung bestätigte. Sie wies aber darauf hin, dass die Gespräche zum EU-Budget noch nicht abgeschlossen sind. Europäische Satelliten werden immer teurer

Viertgrösster Posten ist schliesslich die Summe, welche die Schweiz für die Teilnahme an den Satellitennavigations-Programmen Galileo und Egnos zahlt. Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um das GPS der Europäer. Im Jahr 2013 war noch von jährlichen Kosten für die Schweiz von 30 Mio. bis 35 Mio. Fr. die Rede gewesen. Jüngst zahlte Bern 42 Mio. Fr. Das Bundesamt für Strassen (Astra) spricht von 38 Mio. Fr. Und bald wird es noch mehr sein. Die EU-Spitzen erhöhten das Budget für die nächsten sieben Jahre von 6,3 auf 8 Mrd. €. Das Astra rechnet ab 2021 mit jährlichen Kosten von 51 Mio. €.

Das Prestigeprojekt Galileo ist allgemein stark verspätet und viel teurer als erwartet. Ferner verabschiedete sich Grossbritannien mit dem Brexit auch von Galileo. Die Schweiz muss einen Teil dieser Brexit-Lücke ausgleichen. Ferner schreibt das Astra, dass der Betrieb und die Weiterentwicklung sowie der Ausbau der Konstellation ins Geld gingen. In der Summe könnten sich die Beiträge verdoppeln

Die Kosten für diese vier Bereiche – Forschung, Kohäsion, Grenzschutz und Satellitennavigation – dürften sich also gemäss dieser stark vereinfachten Rechnung aufgrund des neuen EU-Budgets von rund 506 Mio. Fr. pro Jahr auf 1221 Mio. Fr. mehr als verdoppeln. Das liegt vor allem an der Forschung, bei der die Schweiz auf eine engere Einbindung und damit mehr Ausgaben als zuvor hofft (+491 Mio. Fr.) und zum anderen am Ausbau im Bereich Grenzschutz (+214 Mio. Fr.). Pro Kopf wären es neu 142 Fr. pro Einwohner. Für die rund 448 Mio. EU-Bürger sind es pro Kopf 343 € für den eingangs erwähnten Nutzen von 840 €. NZZ, 7. August 2020, S. 21

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