EU-Mercosur-Abkommen: „Klimafeindlicher Teufelskreislauf“ Die EU-Kommission drängt auf den Abschluss des Freihandelsabkommens der EU mit den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay). Es droht ein klimafeindlicher Teufelskreislauf.
Zunächst: Wer würde von diesem Freihandelsabkommen profitieren? In Europa ist es klar: die deutsche Automobilindustrie, die sich durch Zollsenkungen für Autos und Autoteile große Exportchancen ausrechnet. Umgekehrt sollen vor allem Rindfleisch und Soja von Lateinamerika nach Europa kommen. Ein klimafeindlicher Teufelskreislauf: Um die klimafeindliche Automobilindustrie anzukurbeln, wird die Abholzung der Regenwälder – der grünen Lunge unserer Erde - weiter angeheizt, damit wir von Agrofabriken, wo unter oftmals katastrophalen sozialen Bedingungen geschuftet wird, mit billigen landwirtschaftlichen Produkten versorgt werden, die die heimische Landwirtschaft bedrohen. Zugleich treiben wir damit den klimafeindlichen Transport von Gütern über tausende Kilometer nach oben.
„Lippenbekenntnisse“
Um den Protesten gegen diesen Wahnsinn den Wind aus den Segeln zu nehmen, wollen die EU-Verhandler diesen Freihandelsvertrag mit einem Zusatzabkommen schmackhaft machen, das den Schutz des Regenwaldes und der Menschenrechte verspricht. Doch im März 2023 sind die Inhalte dieses Zusatzabkommens durchgesickert. Bettina Müller, Handelsexpertin der deutschen NGO PowerShift, resümiert: „Statt echter Veränderungen, wie von der EU-Kommission angekündigt, bietet der EU-Vorschlag der gemeinsamen Zusatzvereinbarung vor allem Lippenbekenntnisse, die die Abholzung von Wäldern, den Klimawandel oder Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen nicht effektiv verhindern oder bekämpfen. Stattdessen fördert das EU-Mercosur-Abkommen noch mehr Güterhandel, der auf der Ausbeutung natürlicher Rohstoffe, der Vertiefung wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beruht.“ (23.3.2023).
„Carbon Leakage“
Auch die Österreichische Bundes-Arbeiterkammer kommt zum Ergebnis, „dass die ökonomischen Vorteile des Handelsdeals vernachlässigbar sind, die Gefahren für Menschen und Umwelt dagegen beträchtlich.“ (www.akeuropa.eu, 16.6.2023) In einer Arbeits-Kammer-Studie (Endbericht Oktober 2021) wurde das vertieft ausgeleuchtet: „Durch die Erleichterung des Marktzugangs und die Senkung der Handelskosten tragen Abkommen wie das EU-Mercosur-Abkommen zur Vertiefung des extraktivistischen Wirtschaftsmodells in den Mercosur-Ländern bei, in denen das Wirtschaftswachstum zunehmend von der Ausweitung der landwirtschaftlichen Massenproduktion und dem Abbau von mineralischen Rohstoffen abhängt. Die Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens verlangen von der EU, ihren CO2-Fußabdruck bis 2050 drastisch zu reduzieren. Tatsächlich hat die EU in den letzten 30 Jahren zunehmend darauf zurückgegriffen, dies durch Carbon Leakage zu erreichen, d. h. durch den Import von Gütern, in denen immer mehr Treibhausgase enthalten sind. Das EU-Mercosur-Abkommen wird diesen Prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen, da alle Umweltbestimmungen des Abkommens nur Absichtserklärungen sind und keiner sanktionsbewehrten Streitbeilegung unterliegen.“
Entmündigung der nationalen Parlamente
Einige EU-Staaten haben angekündigt, dass sie dem EU-Mercosur-Abkommen nicht zustimmen werden. Doch das konzernfreundliche EU-Vertragswerk hat für solche Fälle vorgebaut. Die EU-Kommission könnte das EU-Mercosur-Abkommen in einen allgemein-politischen und einen handelspolitischen Teil aufzuspalten. Für den handelspolitischen Teil, das eigentliche Freihandelsabkommen, würde eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat reichen, die Parlamente der Nationalstaaten würden damit umgegangen und letztlich entmündigt. Denn der handelspolitische Teil könnte dann sofort „vorläufig in Kraft treten.“ Dieser Trick ist bereits beim EU-Freihandelsabkommen mit einigen zentralamerikanischen Ländern angewandt worden, bei denen ebenfalls einzelne EU-Mitgliedsstaaten die Zustimmung verweigerten. „Vorläufig in Kraft“ ist das Abkommen trotzdem schon - seit 2013. Juli 2023, https://www.solidarwerkstatt.at/umwelt-energie/eu-mercosur-abkommen-klimafeindlicher-teufelskreislauf
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Passerelle-Klauseln - eine weitere Bedrohung für die Demokratie Das EU-Parlament, das seine Kampagne zur Abschaffung der Einstimmigkeit bei Ratsbeschlüssen fortsetzt, verabschiedete Mitte Juli 2023 einen Bericht mit Empfehlungen zur Umsetzung der Passerelle-Klauseln, einem Vertragsmechanismus, der es dem EU-Rat ermöglicht, von der Einstimmigkeit zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit (AQM, s. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN-FR-DE/TXT/?from=EN&uri=LEGISSUM%3Apasserelle_clauses) überzugehen. Der nicht bindende Bericht bezeichnet die Passerelle-Klauseln als ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Fähigkeit der EU, «schnell und effektiv zu handeln» und gibt Empfehlungen für die politischen Bereiche, in denen sie angewendet werden sollen - begleitet von einem Zeitplan für die Umsetzung.
Vor Ende 2023 sollen Sanktionen, steuerliche Maßnahmen in der Energiepolitik und Umweltmaßnahmen der AQM unterworfen werden. Die Positionen der EU in multilateralen Foren und der Abschluss internationaler Abkommen in der Außen- und Verteidigungspolitik würden bis Ende 2024 mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Entscheidungen in der Sozialpolitik und alle außenpolitischen Entscheidungen mit Ausnahme von Militäroperationen sollen erst nach den EU-Wahlen im Juni nächsten Jahres getroffen werden.
Der Bericht ist die jüngste von vielen derartigen Entschließungen, die in der Vergangenheit vom Parlament angenommen wurden - die meisten Mitgliedstaaten sind jedoch nicht an dieser Änderung interessiert. Im Mai 2022 hatten allerdings neun Mitgliedstaaten eine "Gruppe von Freunden" zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU gegründet. People’s News, Nr. 258, 14. Juli 2023 (www.people.ie)
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Luxemburgs Glyphosat-Verbot ist illegal Ein EU-Verwaltungsgericht hat in zweiter Instanz entschieden hat, dass Luxemburgs Verbot von Glyphosat im Jahr 2021 keine rechtliche Grundlage hat. Luxemburg war der erste EU-Mitgliedsstaat, der die Verwendung des Pestizids am 1. Januar 2021 einseitig verbot. Daraufhin wurde es von Bayer verklagt. Bayer argumentierte, Luxemburgs Vorgehen verstoße gegen EU-Recht. Nach Ansicht des Gerichts in zweiter Instanz hatte das Verbot in Luxemburg keine Rechtsgrundlage, da Glyphosat in der EU derzeit bis zum 15. Dezember dieses Jahres zugelassen ist. People’s News, Nr. 258, 14. Juli 2023 (www.people.ie). Weitere Lektüre: https://www.env-health.org/campaigns/glyphosate-why-the-eu-needs-to-protect-health-ban-the-popular-weedkiller/
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Seid nicht so transparent! Die EU-Kommission hat – ohne das EU-Parlament zu begrüssen! – an die EU-Hauptstädte einen Brief geschickt, um sie davon abzuhalten, weitere Maßnahmen zu einem vor zwei Jahren vereinbarten Gesetzentwurf zur Steuertransparenz hinzuzufügen. Die Richtlinie zur länderbezogenen Berichterstattung verpflichtet große Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften, ab 2026 auf ihren Websites offenzulegen, wo sie in der EU Steuern zahlen und Gewinne erzielen. European Network on Debt and Development, sagte: "Es ist wirklich absurd, dass die Europäische Kommission eine Richtlinie, die eigentlich die Transparenz von Unternehmen fördern soll, dazu benutzt, die öffentliche Transparenz darüber, was multinationale Unternehmen an Steuern zahlen, einzuschränken - anstatt sie zu fördern." People’s News, Nr. 258, 14. Juli 2023 (www.people.ie). Die Richtlinie: https://www.pubaffairsbruxelles.eu/eu-institution-news/public-country-by-country-reporting-council-paves-the-way-for-greater-corporate-transparency-for-big-multinationals/
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So viel zum 'sozialen Europa' Einem Bericht des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) zufolge haben Unternehmen, die in der Vergangenheit mutmaßlich gegen Arbeits- und Arbeiterrechte verstoßen haben, in den letzten zehn Jahren EU-Zuschüsse in Millionenhöhe erhalten. Daten aus dem 2023 Global Rights Index zeigen, dass fünfzehn Unternehmen im letzten Jahr gegen das Arbeitsrecht in der EU verstoßen haben, wobei die meisten von ihnen EU-Gelder erhalten haben. Darunter sind große Namen wie Amazon, Ryanair und IKEA, und es werden Verstöße wie die Entlassung von streikenden Arbeitnehmern und die Weigerung, Tarifverträge auszuhandeln, aufgeführt.
Allein Ryanair erhielt seit 2014 fast eine Milliarde (962 Millionen Euro) im Rahmen des Programms Connecting Europe Facility und eines Horizon-Programms zur Erforschung der Sicherheit von Piloten. Im Juni 2022 weigerte sich die Fluggesellschaft, mit streikenden spanischen Flugbegleitern und Kabinenmitarbeitern zu verhandeln, und leitete Disziplinarmaßnahmen gegen Streikende ein. Nach den EU-Vorschriften müssen sich antragstellende Unternehmen verpflichten, das geltende EU-Recht, einschließlich der Sozial- und Arbeitsübereinkommen, einzuhalten, um EU-Mittel zu erhalten. In der Praxis wird das nicht eingehalten. People’s News, Nr. 258, 14. Juli 2023 (www.people.ie).
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