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Kurzinfos 3/96

Europa-Magazin Kurzinfos



Caritas-Studie über Tänzerinnen und Heiratsmigrantinnen

Die Caritas Schweiz schlägt in einer Publikation rechtliche Massnahmen vor, mit denen die Position ausländischer Opfer von ausbeuterischen Ehe- und Arbeitsvermittlungspraktiken, speziell von Zuhälterei, zu verbessern wäre. Sie fordert unter andrem einen von der Ehe unabhängigen Aufenthaltsstatus ausländischer Gattinnen und Gatten, bessere Voraussetzungen für die tatsächliche Ahndung von Straftatbeständen und eine erweiterte Definition des Delikts ,Menschenhandel". Frauen, die nicht aus den ,traditionellen (europäischen) Rekrutierungsgebieten" kommen, erhalten bislang ein Aufenthaltsrecht durch Heirat mit einem Einheimischen oder durch eine ,Artistinnenbewilligung", die jeweils für acht Monate (mit zwei Monaten Zwischenzeit) gilt. Die Bewilligung durch Heirat gilt während der formellen Ehe mit einem Schweizer oder des ehelichen Zusammenlebens mit einem niedergelassenen Ausländer. Bis zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung sind solche Gattinnen auf Gedeih und Verderb ihren Männern ausgeliefert, weil ihnen stets die Wegweisung aus der Schweiz droht. Caritas fordert deshalb, die auf Grund der Heirat erteilte Aufenthaltsbewilling zu verselbständigen. Caritas stellt im weiteren fest, dass an den bestehenden Missständen letztlich das Drei-Kreise-Modell der Ausländerpolitik schuld sei. Das Sonderstatut für Tänzerinnen sei allerdings eine Ausnahme von der Ausrichtung auf die EU-Staaten. Die Caritas akzeptiert diese Sonderregelung, weil sie generell für die Zulassung einer (begrenzten) Einwanderung aus der Dritte Welt eintritt und weil sie sich von repressiven Massnahmen angesichts einer offenkundigen ,Nachfrage" wenig verspricht. NZZ 12. 9. 96 (Martina Caroni: Tänzerinnen und Heiratsmigrantinnen, Rechtliche Aspekte des Frauenhandels in der Schweiz, Caritas-Verlag, Luzern 1996).


Gentech - falsche Antwort

Nach Ansicht des in Afrika tätigen Insektenforscher Hans Rudolf Herren, der sich durch das Programm zur biologischen Kontrolle der Schmierlaus einen internationalen Namen gemacht hatte, wäre es durchaus möglich, das Problem von 800 Millionen hungernden Menschen auf ökologisch sinnvolle Art zu lösen. Allerdings müssten dafür viel mehr Geld und Zeit in die landwirtschaftliche Forschung investiert werden. Nach Ansicht Herrens ist die Landwirtschaft des Nordens mit praktisch keinerlei oder gar negativer Nachhaltigkeit zu einem Fiasko geworden, das sich im Süden keinesfalls wiederholen dürfe. Auch Gen- und Biotechnologie sind seiner Meinung nach die falschen Antworten auf bestehende Probleme. Wäre auch nur ein Bruchteil dieser Gelder in die ökologische Pflanzenforschung, und zwar im Interesse des Nordens wie des Südens investiert worden, wäre man heute schon sehr viel weiter. NZZ 9. 10. 96


Umweltschutz - kein wesentlicher Kostenfaktor

Umweltschutz kostet Verbraucher und Unternehmen nach einem Bericht des deutschen Umweltbundesamtes wesentlich weniger, als oft angenommen wird. Als Kostenfaktor spiele der Umweltschutz in der Gesamtwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle, obwohl dieser Aspekt in der Standortdiskussion häufig in den Vordergrund gerückt werde. In Deutschland betrugen der Anteil der Ausgaben für den Umweltschutz am Bruttosozialprodukt 1994 nur 1,4 Prozent. Unternehmen könnten zudem durch Umweltschutz Kosten sparen. NZZ 9. 10. 96.

Ernst Ulrich von Weizsäcker: "Seit rund fünf Jahren sind die Firmen unter dem Druck der Globalisierung gezwungen, beim Umweltschutz Abstriche zu machen. Die Preissignale legen es heute nahe, Energie und Rohstoffe zu vergeuden und dafür immer mehr Menschen arbeitslos zu machen." TA 20. 9. 96


Energie 2000 schafft Arbeit

Obwohl die Energiepreise sanken, konnte das Konsumwachstum bezüglich der Energie Anfangs der 90er Jahre zuerst gedämpft, dann sogar gesenkt werden: In der Schweiz 1995 wurden 1,9% weniger Energie verbraucht und 1,2 Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestossen. Dafür wurden seit 1990 dank Energie 2000 2365 Arbeitsplätze geschaffen. Bis im Jahr 2000 rechnet man mit 7500 neuen Stellen und einer Energieeinsparung von 5 %. TA 10.9.96


Eurobetriebsräte

Seit dem 23. September ist die EU-Richtlinie in Kraft, die transnational tätigen Konzernen die Bildung eines Europäischen Betriebsrates (EBR) vorschreibt. Bis zu diesem Datum hatten Multis die Möglichkeit, mit einer - mit mehr Freiheiten verbundenen - freiwilligen Vereinbarung der Forderung nach einem EBR Genüge zu tun. "Europäische Betriebsräte sind sicher keine Gremien, in denen grosse Entscheidungen getroffen werden können, mit denen zum Beispiel Betriebsverlagerungen in ein anderes Land oder die !übernahme durch ein anders Unternehmen verhindert werden", warnt A. Eger, EBR-Koordinator beim SMUV, vor Illusionen. Nicht zu unterschätzen sei aber die Tatsache, dass es künftig Zehntausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geben wird, die als EBR-Mitglieder internationale Kontakte pflegen und Informationen austauschen. SGB Pressebulletin, 26. 9. 96.


Neues Einwanderungsgesetz in Frankreich

Aus der Kirchenbesetzung im Sommer hat das offizielle Frankreich die folgenden Lehren gezogen: Einerseits sind Erleichterungen für Härtefälle vorgesehen; andrerseits sollen "illegale" Ausländer leichter abgeschoben werden können. Falls ein Richter die Ausschaffungshaft eines Ausländers aufheben will, wird künftig die Polizei oder die Staatsanwaltschaft dies mit einem aufschiebenden Rekurs blockieren können. Damit soll verhindert werden, dass der Ausländer unauffindbar ist, wenn im definitiven Urteil seine Ausschaffung doch bestätigt werden sollte. Die Dauer dieser Haft kann weiterhin höchstens zehn Tage betragen. Die Polizei wird, wie bisher die Zöllner, Autos in einem Grenzraum von 20 Kilometer "summarisch" durchsuchen dürfen. NZZ 10. 10. 96


Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten

Eine deutsch-französische Initiative, die Mitte Oktober in Brüssel offiziell den übrigen EU-Mitgliedstaaten präsentiert worden ist, will eine "Flexibilitätsklausel" in den Maastrichter-Vertrag einfügen. Einzelne Staaten sollen künftig ihre "Kooperation" verstärken können, ohne dass sie von anderen EU-Staaten daran gehindert werden können. Sollte die Initiative Erfolg haben, würde sich für manche Staaten ein wichtiger Grund, EU-Mitglied zu sein, verflüchtigen. Für Grossbritannien etwa stellte die Möglichkeit, missliebige Prozesse in der EU blockieren zu können, einen wichtigen Grund für die Mitgliedschaft dar. Grossbritannien ist dem deutsch-französischen Vorstoss gegenüber entsprechend kritisch eingestellt und warnt davor, dass eine grundsätzliche Flexibilisierung der EU zur Spaltung der EU führen könnte. Die britischen Einwände versucht die deutsch-französische Initiative durch verschiedene Mechanismen zu entkräften: In einzelnen Bereichen möglicher Zusammenarbeit sind eine Mindestanzahl von Teilnehmerstaaten vorzusehen, damit diese zustande kommen kann. Entscheide für eine verstärkte Zusammenarbeit sind von einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedländer zu fassen. Deutschland und Frankreich drohen den übrigen Mitgliedländern an, die verstärkte Zusammenarbeit auf einzelnen Gebieten in jedem Fall vorantreiben zu wollen: wenn nicht innerhalb des EU-Vertragsrahmens, dann eben ausserhalb. TA 23. 10. 96


Positive Zwischenbilanz?

Laut einem Bericht der EU-Kommission hat das Binnenmarktprogramm das Wachstum des BIP in der EU jährlich um etwa 0,2% stimuliert. Im Zeitraum von 1987 bis 1993 wären somit der Aussicht auf den Binnenmarkt insgesamt 1,1% bis 1,5% Wachstum zuzuschreiben. Dieses Wachstum sei vor allem der Zunahme an Investitionen zuzuordnen. Durch die Verschärfung des Wettbewerbes ergab sich eine Verdreifachung der Firmenübernahmen von 1503 (1985) auf 4899 (1995). Entsprechend stieg die Arbeitslosigkeit (mittlerweile 18 Mio. Personen). Durch den Binnenmarkt sind laut Kommission 300 000 bis 900 000 Stellen geschaffen worden. Wieviele durch ihn wegrationalisiert wurden, gibt die EU-Kommission nicht an. TA 2./3. 11. 96


Gewinne der EU-Skeptiker

Bei den finnischen Wahlen der EU-Parlamentarier konnten die EU-Skeptiker unerwartet bedeutende Gewinne erzielen. Diese wirkten sich jedoch nicht in einer Aenderung der EU-skeptischen Vertretungen im EU-Parlament aus. Obschon die EU-Skeptiker einen starken Stimmenzuwachs erzielten, der vor allem auf die Bedenken der Bevölkerung bezüglich der WWU und des Euros zurückzuführen ist, wird der Urnengang voraussichtlich keine Auswirkungen auf Helsinkis stramm WWU-freundliche Politik haben. Die sozialdemokratisch angeführte Exekutive wird sich jedoch vermehrt auf harte Kritik ihres wirtschaftspolitischen Austeritätskurses gefallen müssen - etwa von den EU-Kritikern Esko Seppänen (Linkssozialist) und Paavo Väyrynen (Zentrumspolitiker, ehemaliger Aussenminister), die bei den Wahlen zum EU-Parlament die besten Resultate erzielten. NZZ. 22. 10. 96


Euro-Chimären

EU-Kommissionspräsident Jacques Santer will dem vom ihm ins Leben gerufenen Beschäftigungspakt im kommenden Jahr absolute Priorität einräumen. Teil des Paketes war die Bewilligung zusätzlicher Mittel für die europäischen Verkehrsprojekte (TEN) gewesen. Diesen hatte allerdings der EU-Finanzministerrat Mitte Oktober endgültig eine Absage erteilt. So gibt Santer nun vor, von der Einführung der Einheitswährung eine Verminderung der 18 Millionen-Arbeitslosigkeit in der EU zu erhoffen - obwohl jedermann weiss, dass die Einführung des Euros die Arbeitslosigkeit in der EU erhöhen wird. NZZ 23. 10. 96.


WWU-skeptische Schweden

Lediglich 18% der Schweden können sich für die Einführung des Euro in der EU erwärmen. Die Sozialdemokratie selber ist bezüglich der Frage gespalten. Entsprechend hat die EU-freundlich eingestellte Regierung wenig Spielraum für ihre Währungspolitik. Laut Maastrichter-Vertrag müsste die Regierung Schwedens dem EWS beitreten. Die schwedische Regierung weist aber darauf hin, dass der EWS irrelevant sei. Wichtiger als eine erlaubte Währungsspannweite von 30% sei die Stabilität der Währung. Für diese Haltung wird die schwedische Regierung von den EU-Regierungen (ausser London) unter Druck gesetzt. NZZ 23. 10. 96


Schlankheitskur für die EU-Kommission?

Bonn und Paris treten gegen das Vertretungsrecht der EU-Länder in der EU-Kommission ein. Bei einer eventuellen Erweiterung der EU auf bis zu 27 Mitglieder dürfe die Zahl der Kommissare nicht zunehmen. Deutschland werde dann auch nicht immer einen Kommissar entsenden können, sagte Hoyer, der deutsche Beauftragte für die Maastricht-II-Verhandlungen. Der französische Minister Barnier argumentierte, wenn jedes Mitgliedsland einen Kommissar entsende, werde die Kommission geschwächt, weil sie dann nur ein Forum der nationalen Repräsentanten sei. Die Vorschläge der deutsch-französischen Allianz hätten auch ihre Vorteile. Die EU-Kommission verliert bei deren Annahme die heutige Scheinlegitimität, Plattform der Mitsprache aller EU-Länder zu sein. NZZ 23. 10. 96


Energie in der EU zu teuer?

Der EU-Kommissar Bangemann legte Anfangs Oktober im Namen der EU-Kommission dar, dass die Kosten für Telekommunikation und Energie in der EU zu senken seien. Im Vergleich zu den USA oder Japan seien diese viel zu teuer. Dabei machten sie rund 60% der Produktionskosten aus. Bangemann drohte in diesem Zusammenhang jenen Ländern, die mit der Liberalisierung ihrer Märkte in diesen Bereichen zögern. Wer etwa den Telekommunikationsmarkt nicht wie vereinbart am 1.1.98 voll liberalisiere, soll weniger Strukturhilfen der EU erhalten, die diese künftig entsprechend der "Effizienz" der Wirtschaftspolitik in den einzelnen Mitgliedsländern ausgerichtet werden soll. TA 10.10.96


Abkehr von EU-Orthodoxie

Bei den französischen Sozialisten macht sich eine leichte Rückbesinnung auf sozialdemokratische Traditionen bemerkbar. Insbesondere wollen sie sich vom unter Mitterand grassierenden EU-Fundamentalismus befreien. Zar hatte sich Jospin im Frühling noch Attacken der Gauche socialiste gegen die europäische Währungsunion erwehren müssen. Unterdessen aber hat sich die Partei von einer sklavischen EU-Treue beziehungsweise Treue zu den Maastricht-Verträgen gelöst. Die Devise heisst jetzt: Europa Ja, aber "Maastricht" nur bedingt. Jospin erklärt jetzt offen, seine Partei sei nicht an die einseitige monetäre Fixierung der europäischen Integration und auch nicht unbedingt an die kommenden Beschlüsse der Regierungskonferenz gebunden. Statt des von Deutschland inspirierten Stabilitätspaktes wollen die Sozialisten einen "Solidaritäts- und Wachstumspakt", der soziale Verpflichtungen, namentlich zur Arbeitsbeschaffung enthalten und alle EU-Mitglieder statt nur eines "harten Kerns" einschliessen soll. NZZ 25. 10. 96


Unnachgiebige Schweden

Ab 1. Januar 1997 hätten die skandinavischen EU-Mitglieder ihren Sonderstatus bezüglich Alkoholeinfuhren aufgeben müssen. Die Skandinavier meldeten aber den Wunsch an, ihren Sonderstatus unbeschränkt fortzuschreiben. EU-Kommissar gelang es nun, Finnland und Dänemark einen Kompromiss abzuringen: bis im Juni 2002 sollten diese Länder Zeit haben, den Sonderstatus auf selbstgewählte Weise aufzuheben. Die Schweden verweigerten sich aber diesem Kompromiss. Stockholms Alkoholpolitik werde nach sozialpolitischen Grundsätzen gestaltet und über diese Prinzipien hätten einzig und allein die Schweden zu bestimmen. Bezüglich eines möglichen Entscheides des EU-Gerichtshofes zeigte sich der Stockholmer Minister ôstros gelassen: der EU-Gerichtshof werde sich sicherlich von den volksgesundheitlichen Argumenten, welche Schweden bei seinem Kampf gegen den Alkoholimport geltend mache, überzeugen lassen. NZZ 25. 10. 96


Einsichten

Die EU-Kommission stellt fest, dass die Liberalisierung des Kapitalverkehrs , zusammen mit der Herausbildung internationaler Finanzmärkte, eine fast unbeschränkte Kapitalmobilität nach sich gezogen habe. Der andere Faktor, die Arbeit, sei buchstäblich auf der Strecke geblieben und Gegenstand zunehmender Steuerbelastungen: Zwischen 1980 und 1994 hat nach Berechnungen der Kommission die Besteuerung des Faktors Arbeit von 34,7% auf 40,8 zugenommen. In der gleichen Periode reduzierte sich die Belastung des Faktors Kapital und die Besteuerung der Selbstständigerwerbenden von 44,1% auf 35,2%. Die EU-Kommission machte Ihre Bemerkungen wohl, damit wir wissen, wieso Gewerkschaften und Sozialdemokratie für den EU-Integrationsprozess sind. NZZ 24. 10. 96


EWG-Artikel 235

Nachdem die Verfassungsklage einiger dänischer Bürgerinnen und Bürger gegen Maastricht von einem dänischen Gericht zugelassen worden war (das Urteil kann beim EM bezogen werden, 3 Seiten, für 3 SFr!), beflisst sich die dänische Regierung um eine restriktive Interpretation von EU-rechtlichen Klauseln, die den EU-Gremien nicht näher definierte Entscheidungsbefugnisse einräumen. Die dänische Verfassung gestattet die übertragung von staatlichen, dänischen Entscheidungskompetenzen an supranationale Institutionen nur dann, wenn diese übertragung für explizit festgelegte und umrissene Teilbereiche erfolgt. Der mit Bedacht unscharf gefasste Gemeinschaftsartikel 235 könnte mithin in Widerspruch zu den Absichten stehen, die in der dänischen Verfassung ausgedrückt werden. NZZ 2./3. 11. 96 Art. 235 im Wortlaut: "Erscheint ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen, und sind in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Versammlung die geeigneten Vorschriften." (S. 207, Europäischer Unionsvertrag, Beck-Texte im dtv).


WWU - Kosten in Milliardenhöhe

Die Brüsseler Lobby der Einzelhändler, die EuroCommerce gab eine Untersuchung in Auftrag, die zum Schluss kam, dass die Einführung des Euro den Ladenbesitzern Aufwendungen von insgesamt 27 Mrd. Ecu bescheren wird. Die Studie gibt der englischen Diskussion über Sinn und Unsinn der Einheitswährung neuen Auftrieb. Die Kosten werden entweder auf den Konsumenten überwälzt (Inflation!) oder von den Ladenbesitzern getragen (unwahrscheinlich). EuroCommerce zieht aus dem Ungemach allerdings nicht den Schluss, der Euro sei abzulehnen - man schielt mit der Studie auf Subventionen aus Brüssel. Berner Bund 26./27. 10. 1996


Euphemismus

E. Gabaglio, Generalsekrertär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, machte in Spanien, an einer Kundgebung "Für Beschäftigung und ein soziales Europa" folgende Ausführungen: "Alle europäischen Akteure müssen sich darüber im klaren sein, dass die WWU allein keine Arbeitsplätze schaffen wird. Damit sie in den Augen der Bürger und Bürgerinnen und der mehr als 20 Mio. Arbeitslosen glaubwürdig wird, muss sie mit einer Beschäftigungsdynamik Hand in Hand gehen." (Pressebulletin de EGB, 25-96). Da die WWU nicht nur keine Arbeitsplätze schaffen wird, sondern etliche vernichten wird, ist die Ausdrucksweise von Gabaglio als beschönigend zu betrachten.


EU-Gericht unterstreicht freien TV-Markt

In einem Urteil gegen den britischen Broadcasting Act von 1990 entschied das EU-Gericht: Wenn ein Fernsehsender unter Berücksichtigung der EU-Richtlinie, die ihrerseits Gewalt- und Pornosendungen Grenzen setzt, in einem EU-Land zugelassen ist, so muss er auch in den anderen 14 Mitgliedstaaten ausgestrahlt werden dürfen, und zwar ohne zusätzliche Prüfung. Das EU-Gericht bekräftigte damit die Haltung, wonach die Kontrolle des Senders denjenigen staatlichen Behörden zusteht, wo der Sender steht, und nicht dem Staat, in dem die Ausstrahlung erfolgt. NZZ 20. 9. 96


Unrühmliche Rolle der EU-Kommission

Arpad Somogyi, Leiter des Berliner Bundesinstitutes für Gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin wies vor einem Untersuchungsausschuss des EU-Parlamentes darauf hin, dass das deutsche Institut die EU-Kommission bereits 1993 und 1994 vor der möglichen Ansteckungsgefahr für den Menschen gewarnt habe. Damals wollte die Kommission jedoch nichts von einer übertragbarkeit der BSE-Seuche wissen. Sie beschränkte sich auf Empfehlungen für die Schlachtungen von britischen Rindern. Erst im März 1996 verhängte die Brüsseler Behörde ein Exportverbot. "Das ist zwei Jahre zu spät gewesen", sagt Somogyi. Von einer Eindämmung der Suche könne bisher keine Rede sein. Auch jetzt würden pro Woche 250 bis 300 Rinder neu an BSE erkranken. Die deutsche EU-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt ist überzeugt davon, dass die Brüsseler EU-Behörde die Krise lange Zeit bewusst vertuscht hat. "Die Kommission hat vor allem Angst wegen des Zusammenbruchs der Rindfleischmärkte. Der Gesundheitsschutz für die Menschen war offenbar nur noch zweitrangig", sagt die Sozialdemokratin. In der Tat gibt es mehrere Hinweise, dass hohe EU-Funktionäre die Folgen des Rinderwahnsinns heruntergespielt haben. Am 12. Oktober 1990 empfahl ein Beamter der EU-Generaldirektion Landwirtschaft dem ständigen Veterinärausschuss der EU, die Gefahren der BSE-Seuche zu verheimlichen. Er forderte sogar, gegenüber der Presse "Desinformation zu betreiben". Berner Zeitung 17. 10. 96


Direkte Demokratie: Auswirkungen Direkter Demokratie

Verschiedene Studien von ôkonomen habe sich mit den Wirkungen der direkten Demokratie auf die öffentlichen Haushalte und die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewidmet. In US-Staaten mit Initiativrecht ist die öffentliche Hand sparsamer (um 4%). Dabei wird das Geld anderes ausgegeben: die Regierungen der direktdemokratischen Staaten gibt 12 Prozent weniger als in anderen Staaten, während die Gemeinden 10% mehr ausgeben als in anderen Staaten. Das Initiativrecht sorgt zudem dafür, dass öffentliche Dienstleistungen eher über Gebühren als über Steuern finanziert werden. Im Schnitt fordern direktdemokratische Staaten 8% weniger Steuern (John G. Matsusaka, University of Southern California). Eine Untersuchung in der Schweiz zeigte (1983), dass Gemeinden mit ausgebauteren Volksrechten ihren Abfall günstiger beseitigen. Die Volkswirtschafter Bruno S. Frey und Werner Pommerehne haben errechnet, dass Kantonen mit ausgebauten Initiativ- und Referendumsrechten eine bessere Steuermoral kennen: dort unterschlägt jeder Bürger auf seiner Steuererklärung 1600 Franken weniger als im Landesdurchschnitt. Dies obwohl dieselben Kantone ihrer Bürger nicht so scharf kontrollieren und sie weniger hohe Strafen bei Steuerhinterziehung zahlen müssen. Es gilt somit: Je mehr die Leute mitbestimmen können, was mit ihrem Geld passiert, desto besser ist die Steuermoral (Steuermoral bei EU-Beitritt lässt grüssen!). Lars Feld und Marcel Savioz ermittelten in einem Forschungsprojekt der Uni St. Gallen, dass die 17 Kantone mit mehr Volksrechten im Zeitraum 1982 bis 1993 eine um 5,4 Prozent höhere Wirtschaftsleistung erzielten. Im Einzeljahr 1989 lag ihr Brottoinlandprodukt sogar 12 bis 18 Prozent höher. Berner Bund, 15.10.96


Aussenpolitik vors Volk

SVP-Nationalrat Christoph Blocher plant eine Volksinitiative (Lancierungsdatum Anfang 1997), die es dem Volk häufiger als heute erlauben soll, über internationale Verträge abzustimmen. Alle internationalen Vereinbarungen, die über der Verfassung stehen oder einer Verfassungsnorm gleichkommen, sollen obligatorisch Volk und Ständen vorgelegt werden. Für Vereinbarungen auf Gesetzesstufe soll das fakultative Referendum gelten (TA 7. 10. 96). Die Zielrichtung der Initiative entspricht einem durchaus demokratischen Postulat. Durch die unvermeidliche Aufwertung der Bedeutung internationaler Verträge werden die Kompetenzen von Parlament und Volk zusehends ausgehöhlt. Eine demokratische Korrektur ist hier durchaus angebracht. Wie werden sich SP und GPS in dieser Frage verhalten? Werden diese Parteien ein demokratisches Anliegen ablehnen, nur weil es aus der falschen Ecke kommt? Damit würden diese Parteien signalisieren, dass sie Christoph Blocher als moralische Autorität akzeptieren. Um zu wissen, was gut und schlecht ist, genügt es auf Blocher zu schauen und dann das Gegenteil zu vertreten! Schade allerdings ist, dass die Initiative zur längst fälligen Stärkung des Volkes in internationalen Belangen nicht von rot-grüner Seite lanciert wurde. Das Forum hat an eine solche Initiative schon seit etliche Zeit gedacht. Uns fehlen aber die finanziellen und personellen Kräfte für die Lancierung von Initiativen. TA 7. 10. 96.


Wider Kostenwahrheit

Die "europäischen" Arbeitgeber sprechen sich gegen die Einführung der Kostenwahrheit im Strassenverkehr aus. Jeder Schritt in diese Richtung werde zu einer Verringerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit führen. Europäische Firmen müssten heute bereits durchschnittlich 16% beziehungsweise 21% mehr für die Benützung der Strassen hinblättern als die Konkurrenz in den USA und in Japan. NZZ 24. 10. 96


Verfassungsrevision

Bei einer im vergangenen Mai durchgeführten Befragung zur Verfassungsrevision ergab sich, dass sich das Interesse der Bevölkerung an dieser in Grenzen hält. Ausbau der direkten Demokratie wird befürwortet, die Hinaufsetzung der Unterschriftenzahlen hingegen abgelehnt. Grosse unterschiede gibt es diesbezüglich zwischen den Altersklassen: Die Jungen wollen mehr direkte Demokratie, die Alten dagegen stimmen Einschränkungen eher zu. TA 14. 9. 96.


Volks-Motion für EU-BürgerInnen

Ein österreichisch-italienischer Vorschlag an die EU-Regierungskonferenz schlägt eine Art Volks-Motion für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger vor. Der Vorschlag sieht vor, dass ein Zehntel der Wahlberechtigten in mindestens drei Mitgliedstaaten einen Vorschlag für eine EU-Rechtsnorm einreichen können. Der Text müsste in Artikeln abgefasst sein, das Gemeinschaftsrecht der EU betreffen und die erforderliche Unterschriftenzahl nachweisen können. Die Volks-Motion würde über das EU-Parlament eingereicht, das eine Stellungnahme dazu abgibt und via EU-Kommission dem Ministerrat zur Debatte weiterleitet. Die Volks-Motion würde das von der EU-Kommission eifersüchtig verteidigte Brüsseler Vorschlagsmonopol ins Wanken bringen. Die Einführung der Volks-Motion würde einen einstimmigen Beschluss der fünfzehn Mitgliedstaaten bedingen. NZZ 2. 10. 96


Euro-Kritiker in der französischen SP

In der französischen SP kommt es vom linken Flügel her immer wieder zu Kritiken bezüglich des Euro. Es wird kritisiert, dass der Euro zu einer langen Austeritätsphase führe. Zudem werde der künftigen EU-Zentralbank zu viel Macht gegeben, die nicht durch politische Instanzen ausgeglichen werde. Die Handlungsspielräume der einzelstaatlichen Wirtschaftspolitik würden zunichte gemacht. Le Monde, 13./ 14. 10. 1996.


Frauen und Jugendliche zahlen die Zeche

Von der hohen Arbeitslosigkeit in der EU sind Jugendliche und Frauen nach wie vor besonders betroffen. Die EU-Kommission legte einen Arbeitsmarktbereich vor, wonach die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen doppelt so hoch ist wie bei Erwachsenen. In 13 der 15 EU-Staaten sei de Arbeitslosenquote von Frauen höher als die von Männern; In der Union habe es 1995 insgesamt 148 Mio. Arbeitsplätze gegeben, 1,1 Mio. mehr als im Jahr zuvor. Dies seien immer noch 4 Mio. weniger als Anfang der neunziger Jahre. Dass Binnenmarktprojekt führte somit nicht zu mehr, sondern zu weniger Arbeitsplätzen, wobei vor allem die Frauen und die Jugendlichen die Zeche zahlen. NZZ 11. 10. 96


SP für 8 zusätzliche Mehrwertprozente

Die EU-Integrations-freundliche Ausrichtung der SPS verpflichtet diese immer wieder zu unsozialer Politik. Bereits die Unterstützung der Einführung der Mehrwertsteuer, von der SP lange als unsozial bekämpft, wurde unter den sozialpolitisch nicht besonders glücklichen Eurosternen beschlossen. Der Systemwechsel brachte eine Umverteilung von Steuerlasten von 2 Milliarden - von oben nach unten. Der damit einhergehende Kaufkraftverlust der unteren Einkommensschichten drosselte die Konjunktur und hatte entsprechend ungünstige Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit (Bericht der ETH-Konjunkturforscher, Berner Bund 11. 11. 96). Jetzt will die SP - wiederum mit dem Argument, bei einem Beitritt zur EU werde die Erhöhung der Mehrwertsteuer so oder so nötig - die kleineren Einkommen zusäztlich zur Kasse bitten Einen sozialen Touch will die SP diesem unsozialen Vorstoss durch den Vorschlag geben, die Krankenkassenprämien abzuschaffen und durch die zusätzlichen 8 Prozent Mehrwertsteuern zu finanzieren (NZZ. 11. 10. 96). Da die Schweiz kaum der EU beitreten wird, wird das einzige Resultat der SP-EUphorie ein unsozialeres Steuersystem in der Schweiz sein.


Wirtschaft: Standortvorteile der Schweiz

Eine Umfrage bei den amerikanischen Handelskammern in Europa führt zum Ergebnis, dass die Schweiz von den 23 untersuchten Ländern die besten wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen für Investoren bietet. Die Ergebnisse beruhen auf ausführlichen Interviews mit 722 Spitzenmanagern von Firmen, die den amerikanischen Handelskammern in Europa angehören. 64% der befragten Mitglieder der amerikanischen Handelskammer waren Schweizer Firmen, 80% der befragen Spitzenmanager waren schweizerischer Nationalität. Dies besagt, dass die Schweizer Wirtschaftsführer genau dann die Standortvorteile der Schweiz zu würdigen wissen, wenn sie nicht ihre eigenen Interessen auf kosten der Arbeitnehmer innerhalb der Schweiz durchzudrücken versuchen. TA 18. 10. 96.


Ein GATT für Steuern?

Am Kongress der Intertnational Fiscal Association in Genf wurde Anfangs September 1996 ein "Gatt für Steuern" vorgeschlagen. Dies um zu verhindern, dass die im internationalen Steuerwettbewerb stehenden Staaten nicht mehr und mehr gezwungen werden, ihre Steuersätze zu senken. Auf Grund der wachsenden internationalen Mobilität des Kapitals werden Investoren ihr Geld dort anlegen, wo die Zinsbesteuerung am günstigsten ist, und Unternehmen werden bevorzugt dort investieren, wo die Unternehmensbesteuerung Vorteile bietet. In der Folge werden Staaten ihre Steuersätze auf mobilen Produktionsfaktoren sukzessive reduzieren, um sie ins Land zu locken. Dadurch gehen andren Staaten Steuereinnahmen verloren, Steueroasen entstehen, und internationale Standortentscheide werden laut einigen Rednern durch steuerliche Aspekte verzerrt. Ein internationales Abkommen sollte deshalb Minimalsteuersätze für Zinserträge und Dividenden festlegen. Darüber hinaus sollten solche Erträge an der Quelle besteuert werden, da die Besteuerung im Empfängerland auf Grund von Informationsproblemen schwierig ist. Die EU ist als Rahmen für Mindestnormen kaum geeignet, wie die ernüchternden Erfahrungen zeigen. Es bedarf einer über die EU hinausgehende internationale Lösung, um "gleich lange Spiesse" zu gewährleisten. NZZ 7./8. 9. 96


Verlust der Budget-Souveränität

Die Kommission will der Budgetsouveränität der EU-Mitgliedstaaten an den Kragen. Um die Stabilität des Euro zu gewährleisten, müssen sich alle EU-Länder, die an der Währungsunion teilnehmen wollen, an eine eiserne Budgetdisziplin halten. Haushaltsdefizite, die höher ausfallen als die im Maastrichter Vertrag etablierten 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP) sollen künftig mit saftigen Strafen geahndet werden. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht eine Grundbusse von 0,2% des BIP des betreffenden Landes vor. Dies würde im Falle Deutschlands rund 7 Mrd. DM entsprechen. Dazu kommt ein Zehntel der Differenz zur 3%-Marge. Bei einem Defizit von 4,8%, würde dies somit einem Zehntel von 1,8% des BIP entsprechen. Die enormen Summen würden bei der EU-Kommission in Brüssel zunächst als Depot hinterlegt. Die Zinsen würden in den Gemeinschaftshaushalt fliessen. Gelingt es dem fehlbaren Land nicht, seine Finanzen innert zwei Jahren ins Lot zu bringen, würden die Bussen definitiv verhängt, der ganze Betrag würde in den EU-Haushalt fliessen. Dafür wurde ein Höchstsatz von 0,5% des BIP festgelegt, im Falle Deutschlands einen Betrag von 17 Mrd. DM. Ausrutscher sollen nur im Falle von Naturkatastrophen und einer schweren Rezession geduldet werden. Da es der EU-Kommission klar ist, dass derart hohe Bussen die Kohäsion der EU gefährden könnten, schlägt sie Massnahmen vor, die auf eine weitgehende Vergemeinschaftung der nationalen Haushalts- und Wirtschaftspolitik hinauslaufen. Die Länder müssen jährlich den übrigen Mitgliedländern Stabilitätsprogramme vorlegen. Darin verpflichten sich die Länder, ein ausgeglichenes oder positives Haushaltsergebnis anzustreben. Die anderen Länder können Empfehlungen zur Anpassung und Verbesserung der Programme abgeben. TA 17.10.96


EU-Entsenderichtlinie

Der Rat der EU-Arbeits- und Sozialminister hat am Dienstag in Brüssel die sogenannte Entsenderichtlinie endgültig verabschiedet. Die Bestimmungen der Richtlinie, deren Verhandlungen sich über fünf Jahre erstreckten, müssen nun von den Mitgliedstaaten innerhalb von drei Jahren in eigenes Recht umgesetzt werden. Die EU-Richtlinie befasst sich mit der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern und sieht vor, dass Arbeitskräfte aus einem anderen EU-Land zu den gleichen Bedienungen beschäftigt werden, wie sie am betreffenden Arbeitsort in diesem Gewerbe üblich sind. Es geht hier vor allem um Arbeitsschutz-, Mindestferien- und Mindestlohnbestimmungen, sofern diese durch Rechtsvorschrift oder Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags für inländische Unternehmen verbindlich sind. Die Richtlinie findet grundsätzlich ab dem ersten Tag der Entsendung Anwendung, doch kann der einzelstaatliche Gesetzgeber eine Schwellenfrist von bis zu einem Monat einführen. NZZ 25. 9. 96.

"Es sieht so aus, dass die Auslegung von Freihandel und Liberalisierung durch den Norden Slogans sind, die in Wahrheit bedeuten: Liberalisierung, wenn es dem Norden nützt; Protektionismus, wenn er den Süden blockieren kann. Während Güter und Kapital weltweite Bewegungsfreiheit haben sollen, gilt dies nicht für Arbeitskräfte und Technologie. Wenn man das derzeitige Verhalten der reichen Länder berücksichtigt, so bedeutet Globalisierung nichts anderes als das Niederreisen von nationalen Grenzen, auf dass jede, die über Kapital und Güter verfügen, frei sind, die Märkte zu beherrschen. " Mahathir Mohamad, Premierminister von Malysia." (NZZ. 2./3. 11.96)


Propaganda und Ehrlichkeit

EU-Kommissionspräsident Jacques Santer will dem vom ihm ins Leben gerufenen Beschäftigungspakt im kommenden Jahr absolute Priorität einräumen. Teil des Paketes war die Bewilligung zusätzlicher Mittel für die europäischen Verkehrsprojekte (TEN) gewesen. Diesen hatte allerdings der EU-Finanzministerrat Mitte Oktober endgütlig eine Absage erteilt. So gibt Santer nun vor, von der Einführung der Einheitswährung eine Verminderung der 18 Millionen-Arbeitslosigkeit in der EU zu erhoffen - obwohl jedermann weiss, dass die Einführung des Euros die Arbeitslosigkeit in der EU erhöhen wird. NZZ 23. 10. 96. Im Le Soir (Brüssel, 17. 10. 96) gab sich Santer dann aber ehrlicher: "Ob die Einheitswährung gut für die Beschäftigung ist? Diese Frage stellt sich gar nicht."


Sonntags-Initiative

Im September 1996 ist in Luzern der Verein "Sonntagsinitiative" gegründet worden. Er möchte eine Initiative zur Einführung von jährlich vier autofreien Sonntagen lancieren. Material zur Initiative kann bestellt werden bei: Verein Sonntagsinitiative, Judith Hauptlin, Postfach 40 9414 Schachen bei Reute (071 891 54 43/Fax: 071 891 54 41)


Wirtschaft CH: Von Euro unabhängiger Franken

Die völlige Ankoppelung des Frankens an den geplanten Euro wäre laut SNB-Vizepräsident Jean-Pierre Roth problematisch. Die Schweiz müsste dann mit Zinserhöhungen rechnen und würde damit "einen unserer wichtigsten Standortvorteile preisgeben". Derzeit beträgt beispielsweise die Zinsdifferenz zu Deutschland rund 2a %. "Als vorübergehende Notma·nahme", um einen allzu starken Frankenanstieg beim übergang zum Euro zu verhindern, sei eine zeitweilige Koppelung Franken/Euro aber durchaus denkbar. TA 23.10.96


Wirtschaft CH: Investitionen in Osteuropa

Die Schweiz investiert, pro Kopf der Bevölkerung betrachtet, unter allen Ländern Westeuropas, am meisten in Osteuropa. Dies ist nicht als ein Ausfluss besonderer Vorliebe für Osteuropa zu betrachten, sondern als Ausdruck der generell starken Auslandorientierung der Schweizer Volkswirtschaft. So investierte die Schweiz 1994 5 Milliarden SFranken in den EU-Ländern. NZZ 23. 10. 96


Wirtschaft CH: Exportrisikogarantie - Subvention von Multis

ABB Schweiz hat einen Antrag für Garantien über 350 Millionen Franken an die Exportrisikogarantie (ERG) eingereicht. Der Gesamtkonzern ABB will sich bei den Ausschreibungen um den Damm am Yangtse-Fluss um Aufträge in der Höhe von rund 850 Millionen Franken bewerben. Davon sollen rund 350 Millionen Franken auf ABB Schweiz entfallen. Die Erklärung von Bern protestiert gegen das Ansinnen der ABB. Nach Angaben der EvB steht bei dem hochbrisanten Entscheid die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Menschenrechts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik auf dem Spiel. Die Dimensionen des Projektes sprengten weltweit alle bisher bekannten Ausmasse von Infrastrukturvorhaben. Es müssen 1,13 Millionen Menschen umgesiedelt werden. Auch der WWF Schweiz richtet sich gegen den Bau des sogenannten Drei-Schluchten-Projektes. NZZ 18. 10. 96


Formen der Isolation

Die Schweiz ratifizierte ein Protokoll mit verschärften Vorschriften zum Schutz der Ozonschicht. Im Juni hatte der Ständerat als zweite Kammer grünes Licht für die Ratifizierung des 1992 verschärfte Protokolls gegeben. Dieses will den Ausstieg aus der Produktion der drei Ozonkiller Methylbromid, teilweise halogenierte Fluor-Kohlen-Wasserstoffe (ZFCKW) und teilweise halogenierte Fluor-Brom-Kohlenwasserstoffe (HFBKW) beschleunigen. NZZ 14./15. 9. 96


De qui se moque-t-on?

"Ihre schönes Land gehört zu Europa" - meinte Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt in einer Rede am "Zürcher Europafest". Dass die Schweiz zu Europa gehört, und das seit ihrer Existenz, dürfte bekannt sein: Das Territorium, das die Schweiz heute einnimmt, war immer schon ein Teil des Kontinentes Europa - und das dürfte so allgemein bekannt sein, dass sich die Erwähnung dieser Tatsache in einer politischen Rede eigentlich erübrigte. Oder verwechselt Schmidt nach bekannter EU-populistischer Manier Europa mit der EU? In diesem Falle wäre der Satz, dass die Schweiz zu Europa gehört, falsch, da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist. Der Ausspruch Schmidts ist somit eine Plattitude oder ein falscher Satz.

Die Rede Schmidts war im übrigen klar euronational ausgerichtet. Er beschwor die Angst der Westeuropäer, gegenüber den künftigen oder gegenwärtigen Grossmächten ein Nichts zu werden. "Wenn die Völker Europas im nächsten Jahrhundert überhaupt mitspielen wollen bei weltpolitischen Entscheidungen, [..] wenn sie ihre eigenen Interessen angemessen vertreten wollen, dann können sie dies nur gemeinsam. Nur wenn die Europäische Union als Einheit auftritt, nur dann werden sich die alten Völker Europas behaupten können." Da wird Bedrohung von Aussen zelebriert, um Einheit zu schmieden - und es wird locker übersehen, dass es gerade die EU ist, die in der Blockbildung eine Vorreiterrolle spielt und damit die anderen Weltgegenden unter Zugzwang setzt. Klassische Verwechslung der Rollen, die für Herrschafts-Ideologie sehr typisch ist. Aggression und Aufbau von Bedrohungspotential als Akt der Selbstverteidigung!

(TA, 30. 9. 96).


Nachlese zur Chruchill-Rede

Von der Churchill-Rede wird von EU-Befürwortern nur das herausgepickt, was Ihnen in den Kram passt. Churchill forderte etwa, dass in einem "Vereinigten Europa" - was das genau heisst, spezifizierte er nicht - alle Staaten gleichviel Gewicht haben sollten. In der EU ist dies offensichtlich nicht der Fall, haben dort die Grossstaaten doch mehr Stimmen als die Kleinstaaten. Wie dem auch sein - Churchill ist keine europapolitische Autorität. In der Politik sollten Argumente eigentlich mehr zählen als Autoritäten. Dies gilt offensichtlich nicht für jene, die vom ersteren zuwenig haben.


Verlagerungen und Standortfrage

Die Schaffung von Arbeitsplätzen im Ausland durch Schweizer Firmen ist gewöhnlich nicht durch entsprechende Schwächen des Standortes Schweiz zu erklären, sondern durch die Notwendigkeit der Marktnähe. "Beim Aufbau von Arbeitsplätzen im Ausland gehen viele Schweizer Unternehmen weit weniger von Kosten- als von Marktüberlegungen aus. Die Präsenz mit Produktionsstätten ist oft Voraussetzung für starke Stellungen in wichtigen Märkten" (NZZ 1. 10. 96, S. 27). Marken, Verbindungen und Strukturen spielen oft eine wesentliche Rolle für den Markterfolg. NZZ 1. 10. 96


Lohndumpingklauseln - effets pervers

Einem 22jährigen Vietnamesen wurde wegen Lohndumping die Arbeitsbewilligung verwehrt. In der Baubranche gilt ein Gesamtarbeitsvertrag (auch für bewilligungspflichtige Ausländer). Der festgelegte minimale Stundenlohn ergibt ein Monatssalär von 4200 Franken. An diesen Mindestlohn hält sich die Baubranche mittlerweile nicht mehr. Flüchtlinge, Asylbewerber und Saisonniers dürfen aber trotzdem nicht unter 4200 Franken angestellt werden. Entsprechend durfte der Vietnamese seinen Job für 3600 Franken nicht antreten. TA 21.22. 9. 96


Streichübung

Entgegen den Beschlüssen der EU-Kommission und der Mehrheit des EU-Parlaments wollen die Finanzministerien der 15 EU-Länder die bisherige Unterstützung von Umweltverbänden einstellen. Das beschlossen die zuständigen Beamten bei der ersten Lesung des EU-Haushalts 1997. Die ursprünglich vorgesehenen rund 14 Millionen D-Mark Zuschüsse für Organisationen wie das Europäische Umweltbüro, den Dachverband der EU-Umweltinitiativen oder der EU-Verbrauchervertretung BEUC setzten die Beamten kurzerhand auf Null. Die seit Jahren gewährten Mittel sollten gewährleisten, dass in Brüssel nicht nur die Industrie, die mehr als 5000 Lobbyisten vor Ort hat, sondern auch die Umweltschützer präsent sind. Spiegel, 37 1996, S. 18.


Umwelt: Grundwasser

Die Belastung des Grundwassers durch Entnahme sowie Schadstoffeintrag aus Landwirtschaft, Industrie und Haushalten nimmt EU-weit zu. In den späten 80er Jahren betrug die Gesamtentnahme für alle Verwendungszwecke 587 m* pro Kopf und Jahr. Zwischen 1970 und 1985 stieg die Wasserentnahme um 35%. Auf 20% der Agrarfläche wird der höchstzulässig Nitrateintrag, auf 25% der höchstzulässige Eintrag von Pflanzenschutzmitteln überschritten. Eur-op News, Herbst 1996.


Verkehr frisst immer mehr Energie

Von 1960 bis 1994 ist der Anteil des Verkehrs am gesamten Energieverbrauch in der EU von 16,6 auf 30,8 Prozent gestiegen. Mit einem Anteil von 31,1 Prozent unterscheidet sich der Energieverbrauch des Verkehrs in der Schweiz nur unwesentlich vom EU-Mittel. Beim Strassenverkehr ist der Anteil am Energieverbrauch in dieser Zeitspanne von 57,5 auf 83,3% gestiegen, während jeder des Eisenbahnverkehrs von 30,7% auf gerade noch 1,7% gesunken ist. Demgegenüber ist der Anteil des Luftverkehrs von 6,4% auf 11,5% gestiegen. In der Schweiz hat der elektrische Strom für den Betrieb der Eisenbahnen nach Angaben des Bundesamtes für Statistik im Jahre 1993 noch gerade 3,5% des gesamten Energieverbrauchs des Verkehrs ausgemacht. TA 11. 9. 96.


Verabschiedung der Bioethik-Konvention

Nach mehr als zehnjährigen Vorarbeiten hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates den Konventionsentwurf zum Schutz der Menschenrehte und der Menschenwürde bei der Anwendung von Biologie und Medizin verabschiedet. Mit Hilfe der Konvention sollen dem medizinischen Fortschritt durch für ganz Europa gültige Rechtsnormen ethische Grenzen gesetzt werden. Dabei wurden die Interessen der Forschung und der Versicherungsgesellschaften jedoch relativ hoch gewertet. Letztere sind an Gentests interessiert, um das Versicherungsrisiko gegenüber Einzelpersonen zu minimieren. Um diese Gefahr etwas zu mildern, wurden entsprechende Tests an das Einverständnis der betroffenen Personen geknüpft. Grundsätzlich werden Eingriffe an menschlichem Erbgut in der Konvention nur zum Zweck der Diagnose, Vorbeugung und Behandlung gestattet. NZZ 27. 9. 96


Trauerspiel C02-Abgabe

Die Schweiz trägt mit einem überdurchschnittlich hohen Pro-Kopf-Ausstoss von jährlich 6,5 Tonnen Kohlendioxid zum weltweiten Treibhauseffekt bei. Klimaverträglich wären nach Ansicht der Wissenschaft nur 2 Tonnen. Das vom Bund vorgeschlagene Ziel, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 gegenüber dem Stand von 1990 um zehn Prozent zu verringern, bleibt somit weit hinter den Forderungen der besorgten Fachleute zurück. Eine CO2-Lenkungsabgabe will der Bundesrat erst einführen, wenn die anderen Massnahmen nicht zum anvisierten Ziel führen. TA 24.10.96

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