Umfrage: 87 Prozent der Deutschen für Volksabstimmungen
Laut einer aktuellen Emnid-Umfrage wollen 87 Prozent der Deutschen wie ihre Nachbarn aus der Schweiz direkt über strittige Fragen per Volksabstimmung entscheiden. Wir stellen mit Genehmigung der BamS die komplette Umfrage zur Verfügung. Eine überwältigende Mehrheit von 87 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sprechen sich laut einer Emnid-Umfrage für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene aus. Von den am 7. März bundesweit Befragten waren nur 11 Prozent gegen Volksabstimmungen. Mit freundlicher Genehmigung der BamS bieten wir die sich über 55 Seiten erstreckende Umfrage hier zum Download an. (Hinweis: In der uns vorliegenden Umfrage wurden die Umlaute nicht richtig dargestellt. Wir bitten dies zu entschuldigen!) (x. http://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2013-03-27_Emnid-Umfrage_zu_Volksabstimmungen.pdf)
Schleichende Entmachtung des Föderalismus
Die Schweiz ist stolz auf ihren funktionierenden Föderalismus. Doch mittlerweile findet eine zunehmende Zentralisierung statt – nicht zuletzt auf Druck der Europäischen Union.
«Ist die Schweiz ein verkapptes EU-Mitglied?» Diese Frage stellte Wolf Linder, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern, am Symposium «Föderalismus und Subsidiarität». Die Veranstaltung in Freiburg im Breisgau fand Anfangs März 2013 zum zweiten Mal statt, organisiert vom Walter-Eucken-Institut und vom Aktionskreis Freiburger Schule.
Als Beispiel für den wachsenden Einfluss der EU auf die Schweizer Politik nannte Linder die Bologna-Reform für einen einheitlichen europäischen Hochschulraum, die in der Schweiz zügig umgesetzt wurde – ohne Parlamentsbeschluss und ohne Zustimmung der für Bildung hauptsächlich zuständigen Kantone. Auch auf dem ordentlichen Weg der Verfassungsänderung würden in der Schweiz immer mehr Aufgaben an den Bund übertragen. Die Kantone hätten daher schlechte Karten, in Zukunft ihre Zuständigkeiten zu bewahren, sagte Linder.
Dies ist aber kein rein schweizerisches Phänomen; entsprechende Tendenzen gibt es auch in anderen föderalen Staaten wie etwa den USA. Laut Gebhard Kirchgässner, Direktor des Schweizerischen Instituts für Aussenwirtschaft und angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität St. Gallen, findet in föderalen Systemen eine schleichende Zentralisierung statt. Gründe dafür sind die wachsende Mobilität und die steigende Zahl internationaler Verträge. Die Schweiz verhandele mit der EU über Dossiers, die kantonale Regelungen beträfen, wie etwa die steuerlich privilegierte Behandlung von ausländischen Konzernen. – Mit der ursprünglichen Idee von «Föderalismus und Subsidiarität» habe dies immer weniger zu tun. Zwar steige im Zuge des intensivierten Standortwettbewerbs der Wunsch nach Föderalismus. Parallel würden aber die Selbstverantwortung der kleineren politischen Einheiten und ihre Mitbestimmung auf zentraler Ebene strapaziert. Auch der Subsidiaritäts-Grundsatz (Staatsaufgaben werden von den kleinsten dazu fähigen Einheiten übernommen) verliere an Bedeutung.
Nicht zuletzt bewegt sich auch die EU immer mehr weg vom Prinzip der Selbstverantwortung hin zu einem Verbund mit zentralisierter Entscheidungskompetenz. Die EU-Kommission nutzt ihren wachsenden Spielraum. Indem Themen entpolitisiert und in einzelne bürokratische Rechtsakte aufgeteilt würden, könne die EU-Kommission Konflikte mit dem Rat vermeiden und immer mehr selbst regeln, sagte Thomas König, Professor für politische Wissenschaft an der Universität Mannheim.
Der Einfluss der EU-Mitgliedstaaten wird noch auf andere Weise geschmälert. Peter M. Huber, Richter am deutschen Bundesverfassungsgericht, sieht die grösste Gefahr für die Selbstbestimmung der Mitglieder darin, dass die Verträge zweifelhaft angewandt würden, wie dies die Rettungsübungen gezeigt hätten. Es gehe um reine Machtpolitik. Laut Politikwissenschafter Linder steht die Schweiz denn auch grundsätzlich vor dem gleichen Problem wie die Mitgliedstaaten der EU. Hinter den von Brüssel geltend gemachten Sachzwängen steckten wirtschaftliche Interessen. Den davon negativ betroffenen Staaten stünden zwar Handlungsalternativen offen, diese seien aber mit grösseren ökonomischen Nachteilen verbunden. NZZ, 11. März 2013, S. 18.