Reform der EU-Regeln zur Arbeitszeit gescheitert Delegationen des EU-Parlaments (EP) und der EU-Mitgliedstaaten haben sich in einer letzten Verhandlungsrunde in der Nacht auf Dienstag, 28. April 2009, nicht auf einen Kompromiss zur Reform der geltenden EU-Arbeitszeit-Richtlinie einigen können. Da sämtliche Etappen des Gesetzgebungsverfahrens ausgeschöpft sind, ist damit das Vorhaben nach fast fünf jährigem Ringen gescheitert, und die geltenden Regeln bleiben in Kraft.
Die Zähne ausgebissen haben sich die Unterhändler zum einen am «Opt-out»: Laut der geltenden Richtlinie (Gesetz) können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen Überschreitungen der als Grundregel geltenden durchschnittlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche zullassen. Das EP wollte dieses Opt-out nach einer Übergangsfrist abschaffen; der Ministerrat (Gremium der Mitgliedstaaten) hatte seine Beibehaltung gefordert, wenn auch unter restriktiveren Bedingungen als bisher. Das einst von Grossbritannien erwirkte Opt-out wird mittlerweile von 14 EU-Staaten genutzt.
Die zweite Streitfrage betraf die Behandlung von Bereitschaftsdiensten beispielsweise im Spital. Weil sich die derzeitige Richtlinie hierzu ausschweigt, werden Bereitschaftsdienste, die am Arbeitsplatz zugebracht werden müssen, laut dem EU-Gerichtshof voll der Arbeitszeit zugerechnet werden. Die Umsetzung dieser Interpretation stellt viele Mitgliedstaaten vor Probleme. Deshalb war geplant, mit der nun gescheiterten Reform neue, differenziertere Vorgaben für Bereitschaftsdienste: einzuführen.
EU-Arbeitskommissar Spidla zeigte sich in einer Stellungnahme bitter enttäuscht über das Scheitern der Verhandlungen. Der Status quo sei wahrscheinlich keine langfristige Lösung, erklärte er vor allem unter Verweis auf die Bereitschaftsdienst-Urteile. Das wahrscheinliche Resultat sei, dass nun noch mehr Staaten auf das Opt-out zurückgreifen würden. Die EU-Kommission müsse über das Ergebnis nachdenken und über allfällige nächste Schritte entscheiden. Die Behörde wird laut einer Sprecherin auch prüfen, ob inzwischen alle Mitgliedstaaten im Einklang mit der geltenden Richtlinie und der Bereitschaftsdienst-Rechtsprechung stehen. Falls nicht, sind rechtliche Schritte gegen säumige Staaten möglich. NZZ, 29. April, 2009, S. 21
|
EU-Milch ruiniert Kleinbauern Seit März 09 hat die EU-Kommission mehrere zehntausend Tonnen Butter und Magermilchpulver aufgekauft, um die Milchpreise in Europa zu stabilisieren. Ende Januar 09 waren bereits die EU-Exportsubventionen für Milchprodukte wieder eingeführt worden. Das kritisieren die Entwicklungsorganisation Oxfam und die alternative Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die strukturellen Probleme der EU-Milchwirtschaft blieben ungelöst, sagte Marita Wiggerthale, Handeisexpertin von Oxfam Deutschland.
Entwicklungsländer sind wichtige Absatzmärkte für europäische Agrarprodukte. 2007 gingen dorthin mehr als zwei Drittel der Milchexporte. "Die billigen Milchpulver- und Frischmilchimporte unterbieten die Preise der einheimischen Kleinbauern und gefährden ihre Existenzgrundlagen", so Wiggerthale. Hunderttausende Kleinbauern könnten mit subventionierten Dumpingpreisen nicht mithalten, sagte Berit Thomsen von der AbL. Die Folgen seien Armut und Hunger. Die Agrarpolitik in Deutschland und Europa habe durch die Ausweitung der Milchquote dieses Dumping provoziert - auch zulasten der Milcherzeuger in Deutschland. Oxfam, www.kurzlink.de/oxfam-milchexporte; www.milchdumping-stoppen.de; www.abl-ev.de, umwelt aktuell, April 2009, S. 18.
|
Schengen – Vereinfachung des Informationsaustausches Der Nationalrat will den Informationsaustausch mit den Strafverfolgungsbehörden der Schengen-Staaten vereinfachen. Er hat am Dienstag als Erstrat mit 87 zu 42 Stimmen ein entsprechendes Bundesgesetz gutgeheissen, das sich aus einer Weiterentwicklung des Schengen-Rechts durch die EU ergibt. Die Schweiz hat bis Februar 2010 Zeit, die neuen Vorgaben umzusetzen.
Angesichts der gegenwärtigen Kontroverse um das Bankgeheimnis und die Amtshilfe der Schweiz in Steuersachen war das Thema Informationsaustausch auch für die europhile Rechte von einiger Brisanz. In der Debatte wurde indes mehrfach betont, dass das neue Bundesgesetz an der derzeit geltenden Rechtslage nichts ändere und die Schweiz auch künftig Informationen nur nach Massgabe der landesrechtlichen Bestimmungen übermitteln werde. «Wir tauschen gestützt auf das neue Gesetz nichts aus, was wir nicht bereits nach dem geltenden Recht austauschen dürften», formulierte es der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri. Und Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf versicherte, dass das Bankgeheimnis unberührt bleibe. Die Vorlage erlaube keinen Informationsaustausch bei Steuerhinterziehung und habe keine Geltung für Steuerbehörden.
Die SVP-Fraktion gab sich mit solchen Aussagen aber nicht zufrieden. Das Gesetz enthalte zu viele Generalklauseln, welche die Privatsphäre und das Berufsgeheimnis aushebelten, kritisierte der Schwyzer Nationalrat Pirmin Schwander. Sein Nichteintretensantrag sowie sämtliche Anträge von SVP-Seite, den Informationsaustausch enger zu fassen, wurden indes abgelehnt.
Das neue Gesetz zielt darauf hin, dass Informationen zur Verfolgung und Verhütung von Delikten international vereinfacht ausgetauscht werden können. Im Prinzip soll dies nicht automatisch, sondern nur auf Anfrage der ausländischen Strafverfolgungsbehörden geschehen. Auch soll die Schweiz den Schengen-Staaten nur solche Informationen übermitteln, die bereits vorhanden sind und auf die ohne prozessuale Zwangsmassnahmen zugegriffen werden kann. Daneben sieht die Vorlage aber neu auch den «spontanen» Informationsaustausch vor: Bei gewissen Delikten sollen die Strafverfolgungsbehörden des Bundes den Schengen-Staaten nicht auf Anfrage, sondern unaufgefordert Daten zur Verfügung stellen. Diese Neuerung sorgte nicht nur bei der SVP, sondern auch bei den Grünen für Protest. Diese Regelung gehe zu weit und könne «in der Dunkelkammer der Datenflüsse» zu Missbräuchen führen, meinte Daniel Vischer (gp., Zürich). Die Ratsmehrheit folgte indes der Argumentation von Justizministerin Widmer-Schlumpf, dass es sich um eine verbindliche Vorgabe handle und zudem sichergestellt sei, dass nur bei einem hinreichenden, konkreten Verdacht spontan informiert werden dürfe. NZZ, 29. April 2009, S. 16.
|