Verhandlungen mit EU über Ausdehnung der Freizügigkeit
Der Bundesrat hat sich gegenüber der EU bereit erklärt, über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen Mitgliedländer zu verhandeln. Zum EU-Gesuch betreffend Finanzbeiträge stellte er eine Antwort für später in Aussicht. Im Hinblick auf ihre Erweiterung hat die Europäische Union die Schweiz am 14. Mai um neue Verhandlungen ersucht. Der Bundesrat antwortete darauf in einem vom 5. Juni 03 datierten Schreiben. In einem Brief an EU-Kommissar Chris Patten bekräftigt Bundesrätin Micheline Calmy- Rey, dass der Bundesrat grundsätzlich zu Verhandlungen über die Anpassung des Freizügigkeitsabkommens bereit sei. Das entsprechende Mandat sei in Konsultation bei den aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments und den Kantonen. Der Bundesrat hoffe, dass danach die Verhandlungen rasch beginnen könnten. Im Zentrum stehen die Kontingente von Arbeitsbewilligungen und die Übergangsfristen bis zur Öffnung des Arbeitsmarkts.
Zum EU-Wunsch nach finanziellen Beiträgen könne Bern erst nach Prüfung des EU-Verhandlungsgesuchs Stellung nehmen. Der Bundesrat hatte indes schon früher erklärt, dass im Rahmen der bilateralen Abkommen sowie der laufenden Verhandlungen keine Rechtsbasis für solche Beiträge bestehe. Eine Verbindung zu den Bilateralen bestehe auch sachlich nicht und komme aus Schweizer Sicht nicht in Betracht. Zudem verwies die Landesregierung auf die bisherige Hilfe der Schweiz an Mittel- und Osteuropa. NZZ. 12. 6. 03, S. 12
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EU-Energie-Markt-Deregulierung
Das EU-Parlament (EP) hat am Mittwoch in Strassburg in zweiter Lesung mit grossen Mehrheiten ein Gesetzgebungspaket gutgeheissen, das die Mitgliedstaaten zur vollständigen Öffnung der Elektrizitäts- und Erdgasmärkte verpflichtet. Es umfasst neben je einer Richtlinie über Strom und Gas eine Verordnung über den Netzzugang für den grenzüberschreitenden Stromhandel. Gewerbebetriebe können spätestens ab 1. Juli 2004 und private Haushalte spätestens ab 1. Juli 2007 ihren Strom- und Gaslieferanten frei wählen. Bereits seit 1999 (Strom) und 2000 (Gas) ist die freie Wahl für industrielle Grosskunden verwirklicht, wobei verschiedene Mitgliedstaaten weiter gegangen sind. Die Vollliberalisierung räumt nun die derzeitige «Asymmetrie» zwischen Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Öffnungsgraden aus, die zu Spannungen geführt hat. Der Wettbewerbsdruck soll eine effizientere und preisgünstigere Versorgung ermöglichen. Das EP ist in den Grundzügen jenem Kompromiss gefolgt, den die Mitgliedstaaten im Ministerrat im November 02 geschlossen haben (NZZ 26. 11.02). Dieser enthält Zugeständnisse vor allem an Frankreich; so ist beispielsweise die vollständige Liberalisierung, die die EU-Kommission für 2005 vorgeschlagen hat, auf 2007 verschoben worden.
Das Parlament hat unter anderem die Vorschriften zur sogenannten Entbündelung deutlicher formuliert. Darunter versteht man die Trennung zwischen dem Netzbetrieb (Fernleitungs- und Verteilnetze), der oft eine Art natürliches Monopol behält, auf der einen Seite und den Bereichen Produktion/Ver- trieb auf der anderen Seite. Dies soll integrierte Energiekonzerne daran hindern, Konkurrenten beim Zugang zu ihren Netzen zu diskriminieren oder ihren eigenen Verkauf querzusubventionieren. Das Paket sieht aber keine volle Entbündelung vor: Die beiden Bereiche müssen hinsichtlich Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt, nicht aber eigentumsmässig getrennt werden. Bei den Verteilnetzen muss die gesellschaftsrechtliche Trennung erst per Juli 2007 vollzogen werden, bei kleineren Unternehmen (weniger als 100000 Kunden) ist sie nicht erforderlich. Ausnahmen für Mitgliedstaaten, die den dis kriminierungsfreien Zugang durch andere Methoden erreichen, wären nur durch einen neuen Beschluss von Rat und Parlament möglich.
Das Paket verlangt von den Mitgliedstaaten die Bestimmung einer Regulierungsbehörde, die den fairen Zugang zu den Übertragungsnetzen, die Preisgestaltung für die Netznutzung und Ähnliches kontrolliert. Zusammen mit der Entbündelung sowie der Stromhandelsverordnung, die den bisher geringen grenzüberschreitenden Wettbewerb fördert, soll dies gewährleisten, dass die Liberalisierung auch tatsächlich Wettbewerb provoziert. Der EP-Berichterstatter für die Strom- Richtlinie, der Luxemburger Grüne Turmes, und sein «Gas-Kollege», der deutsche Sozialdemokrat Rapkay, betonten aber gemeinsam, es seien weitere Massnahmen nötig, um zu verhindern, dass kleine unabhängige Anbieter von marktbeherrschenden Unternehmen an den Rand gedrängt Würden. Sie begrüssten zudem die erstmals festgeschriebene Informations- und Kennzeichnungspflicht, laut der jeder Stromlieferant den Kunden Auskunft über seinen Energieträgennix (Atom, Kohle, Gas, erneuerbare Energien) und über die Umwelt- und Klimaauswirkungen geben muss. NZZ. 5. 6. 03, S. 19
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Kritik an UNO-gestützter US-Willkür
Trotz internationaler Kritik hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den USA nachgegeben und die Immunität für Uno-Friedenssoldaten vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) um ein weiteres Jahr verlängert (NZZ 13.6.03). Die Schweiz reagiert mit Bedauern auf diesen Entscheid, hat sie doch im Vorfeld zusammen mit Jordanien, Kanada, Liechtenstein und Neuseeland - allesamt Staaten, die sich bereits im Hinblick auf die Gründung des ICC in hohem Masse engagiert hatten - klar gegen eine Verlängerung Stellung bezogen. Laut Jenö Staehelin, Schweizer Botschafter bei der Uno in New York, behindere die Resolution «einen historischen Schritt in Richtung eines international gültigen Gesetzes». Die Schweiz missbillige deshalb die Resolution 1422 in ihrem Prinzip wie in ihren Modalitäten, sagte Staehelin vor dem Sicherheitsrat. Mit deutlichen Worten nannte er in seiner kurzen Rede die schweizerischen Vorbehalte, wonach es besorgniserregend sei, dass der Sicherheitsrat einen internationalen Vertrag abändere, der im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehe. Truppen, die unter Uno-Flagge stünden, von der Strafverfolgung zu befreien, sei ein fehlgeleiteter Ansatz. NZZ, 14./15. Juni 03, S. 13
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Europarat kämpft gegen illegalen Organhandel
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat die 45 Mitgliedstaaten der Organisation dazu aufgerufen, die Konventionen über Biomedizin in Verbindung mit den Protokollen über Transplantationen von menschlichen Organen in Kraft zu setzen. Ebenso müssten alle Staaten zur wirkungsvolleren Bekämpfung der international organisierten Kriminalität im Bereich des Organhandels umgehend das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den Menschenhandel unterzeichnen und ratifizieren. Zugleich sollte die Zusammenarbeit mit Interpol und Europol intensiviert werden. Für den Erfolg der Strategie sei es entscheidend, dass die finanzielle und personelle Ausstattung dieser Organisationen in diesem Bereich aufgestockt würden.
Seit sich bei Organverpflanzungen die Überlebensrate stark verbessert hat und derartige Operationen zum Teil bereits Routineeingriffe sind, ist die Nachfrage nach ausserfamiliären Spenderorganen drastisch angestiegen. Zurzeit warten in Westeuropa fast 40 000 Patienten auf eine Nierentransplantation, fünfzehn bis dreissig Prozent von ihnen sterben, noch während sie auf der Warteliste stehen. Die Wartezeit beträgt rund drei Jahre und wird sich bis 2010 voraussichtlich auf zehn Jahre erhöhen. Diesen Notstand machen sich kriminelle Organisationen zunutze. Sie bringen insbesondere die Ärmsten der Armen in Ländern der Dritten Welt oder auch in Osteuropa dazu, Organe zu verkaufen. Der Preis für. eine Niere liegt zwischen 2500 und 3000 Dollar, ein Vermögen für einen Inder oder Peruaner. China wird vorgeworfen, sich an diesem Geschäft durch die «Ausschlachtung» seiner zahlreichen Hinrichtungsopfer zu beteiligen. Die Empfänger sind angeblich zur Zahlung von 100 000 bis 200 000 Dollar je Transplantation bereit.
Nicht selten werden die Spender zu Opfern, wenn sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert, weil sie hat arbeiten müssen, unzulänglich ernährt sind und die medizinische Nachsorge fehlt. Die meisten illegalen Spender werden im Laufe der Zeit auf Dialyse angewiesen sein und müssen dann ihrerseits auf eine Nierentransplantation hoffen, die sie sich aber nicht leisten können. Der Europarat hat aus dieser Situation einige grundsätzliche ethische Fragen gestellt: Sollen die Armen der Welt für die Gesundheit der Reichen sorgen? Soll die Linderung der Armut auf Kosten der menschlichen Gesundheit erfolgen? Seit kurzem kann in einigen westeuropäischen Ländern ein Trend zu weniger restriktiven Gesetzen festgestellt werden. Diese lassen mehr Raum für die vom Europarat missbilligten Lebendspenden zu.
Weil die strafrechtliche Verantwortung für den Organhandel in den Strafgesetzbüchern der 45 Europarat-Staaten nur selten eindeutig geregelt ist, verlangte die Parlamentarische Versammlung am Mittwoch eine Ausdehnung der strafrechtlichen Verantwortung auf Makler und Vermittler, Spital- und Pflegepersonal und medizinische Mitarbeiter, die an illegalen Transplantationen beteiligt sind. Auch medizinisches Personal, das den "Transplaritationstourismus" fördert, soll künftig haftbar gemacht werden. Die sogenannten Spenderländer werden in der Entschliessung aufgefordert, Aufklärungskampagnen insbesondere im ländlichen Raum durchzuführen. Sie sollen illegale Spender ermitteln und deren medizinische Nachversorgung gewährleisten. Ausserdem sollen sie in ihr Strafrecht Bestimmungen für medizinisches Personal aufnehmen, das an der Durchführung von medizinischen Eingriffen beteiligt ist. Vor allem an die Adresse der Entwicklungs- und Schwellenländer richtet sich die Aufforderung, Schritte zu unternehmen, um Vermittlungsagenturen sowie den Auftraggebern einschlägiger Anzeigen in Zeitungen auf die Spur zu kommen. NZZ, 26. Juni, 2003, S. 48
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Rechte für Menschen, Regeln für Konzernriesen
Das weltweite Netzwerk von Friends of the Earth International (FoEI) kämpft gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen (NGO) für ein internationales Regelwerk für multinationale Unternehmen, das die Rechte der von Konzernaktivitäten betroffenen Menschen und Gemeinden garantiert und gleichzeitig die Konzerne für ihre Taten weltweit haftbar macht. Dazu gehört das Recht der Menschen, Konzerne in deren Heimatländern zu verklagen, ebenso wie das Recht, schädliche Konzernakitivtäten insgesamt zu unterbinden, wenn sie sozial- und umweltpolitische Ziele untergraben. Während Entwicklungsländer und die Zivilgesellschaft für solche Forderungen meistens viel übrig haben (siehe auch die Forderungen einiger Entwicklungsländer nach Unternehmensverantwortung im Bereich Investitionen), blockieren vor allem die Industrieländer jeglichen Fortschritt und handeln damit weniger im Interesse der Menschen, sondern in dem der multinationalen Konzerne.
Die reichen Industrieländer hatten sich jüngst vorgenommen, die Rolle multinationaler Konzerne im Weltwirtschaftssystem auf dem diesjährigen G8-Gipfel in Evian zu diskutieren. Französische Pläne für eine "Charter of Principles for Responsible Market Economies" wurden allerdings noch vor dem Gipfel von anderen G8-Ländern erfolgreich torpediert. Statt betroffenen Menschen Rechte zuzusprechen, sollen ihnen nun noch mehr Rechte genommen werden: Das vor allem von der EU vorangetriebene Investitionsabkommen unter dem Dach der WTO sieht vor, Rechte und Einflussmöglichkeiten der Menschen und der demokratisch gewählten Regierungen weiter zu beschneiden und statt dessen Konzernen und Investoren mehr Freiheiten und Schutz zu garantieren. Dazu gehört zum Beispiel die Möglichkeit, Staaten zu verklagen, wenn diese durch neue Sozial- oder Umweltgesetze die Profite der Konzerne schmälern könnten. DNR-EU-Rundschreiben, Sonderteil 6. 03: Weltweite Regeln für globale Unternehmen, S. 4 f).
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Tiertransporte noch immer nicht eingeschränkt
Parlamentserklärung soll EU-Kommission zum Handeln drängen. Bereits vor mehreren Monaten wollte die EU-Kommission einen Gesetzentwurf zur Begrenzung von Tiertransporten in Europa vorlegen. Bis heute ist dies nicht geschehen. Mit einer schriftlichen Erklärung des EU-Parlaments soll nun das Problem von Lebendtiertransporten wieder auf die Tagesordnung der Kommission gebracht werden. Eine Kernforderung darin ist die Begrenzung der Transporte von Schlacht- und Masttieren innerhalb Europas auf maximal acht Stunden oder 500 km. Eine solche Erklärung muss jedoch binnen drei Monaten durch die Mehrheit der 626 Parlamentsmitglieder unterstützt werden. Nur dann erhält sie Gütigkeit und stellt ein deutliches Signal an die Kommission dar. Bislang haben bereits 21 7 Parlamentarier die Erklärung unterzeichnet.. DNR-EU-Rundschreiben, 6. 03, S. 19
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