UN-Klimaverhandlungen und EU Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz Ende November in Cancun (Mexiko) hat EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard erklärt, dass die EU keine Verpflichtungen zum Klimaschutz mehr eingehen werde, wenn andere Staaten nicht mitziehen. Wie Reuters berichtete, will die EU ein neues Klimaschutzabkommen nicht mehr automatisch unterschreiben. Um China, Indien oder Brasilien zu überzeugen, müssten vor allem die USA verbindliche Ziele zur Emissionsreduktion anstreben, sagte Hedegaard. Beim Klimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 war ein verbindliches Abkommen ausgeblieben. Allen voran weigerten sich die USA und China verbindlichen CO2-Abbauzielen zuzustimmen. Auch die EU wollte ohne vergleichbare Zusagen anderer Länder ihr Klimaziel nicht von 20 auf 30 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 erhöhen. So konnte kein Nachfolgevertrag für das 2012 auslaufende Kyoto- Protokoll auf den Weg gebracht werden.
Die aktuelle Lage der Klimaverhandlungen nannte Hedegaard "sehr schwierig"; In Cancun verhandeln die 190 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz. www.unfccc.int/2860.php; umwelt aktuell, November 2010, S. 13.
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Umweltverbände klagen erneut gegen EU-Kommission Die Umweltorganisationen Client-Earth, BirdLife, T&E und EEB haben im September vor dem Gericht der Europäischen Union Klage gegen die EU-Kommission eingereicht. Die Kläger werfen der Kommission vor, Dokumente über die negativen Auswirkungen der Nutzung von Biokraftstoffen zurückzuhalten. Das Internationale Forschungsinstitut für Agrar- und Ernährungspolitik IFPRI hatte im Auftrag der Kommission die Auswirkungen der Produktion von Biokraftstoffen auf die Landnutzung untersucht. Das Institut entwarf ein Szenario, bei dem 2020 sieben Prozent des Energiebedarfs des Verkehrssektors durch Biokraftstoffe gedeckt werden. Die Ergebnisse der Studie wurden jedoch nicht veröffentlicht.
Dies ist bereits die zweite Klage gegen die EU wegen mangelnder Transparenz in der Biokraftstoffpolitik. Die erste war am 8. März eingereicht worden. Damals hielt die Kommission zum ersten Mal negative Ergebnisse über Biokraftstoffe zurück. Inzwischen wurden Teile davon veröffentlicht. Das Verfahren läuft noch. Anklageschrift (PDF): www.kurzlink.de/klages; Transparenz in der EU: www.ec.europa.eu/transparency; umwelt aktuell, November 2010, S. 14.
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Bundesrat verabschiedet zwei Berichte zur Europapolitik Der Bundesrat hat am 17. September 2010 heute den Bericht über die Europapolitik in Beantwortung des Postulats Markwalder verabschiedet. Der Bericht wurde nach der Europaklausur des Bundesrates vom 18. August 2010 bereinigt. Dort hatte der Bundesrat beschlossen, dass die Schweiz ihr Verhältnis zur EU weiterhin auf der Grundlage bilateraler sektorieller Abkommen gestalten soll. Neben dem Bericht zur Europapolitik hat der Bundesrat bei seiner heutigen Sitzung auch einen Bericht verabschiedet, der das Verhältnis der Schweiz zu den europäischen Agenturen beleuchtet.
Der Bericht zur Europapolitik wurde in Beantwortung des Postulats Markwalder vom 10. Juni 2009 «Europapolitik. Evaluation, Prioritäten, Sofortmassnahmen und nächste Integrationsschritte» (09.3560) verfasst. Der Entwurf des Berichts diente dem Bundesrat als Grundlage für seine Europaklausur, bei der er am 18. August 2010 verschiedene Szenarien und Instrumente für den weiteren europapolitischen Weg der Schweiz erörterte. Dabei hat der Bundesrat entschieden, dass die Schweiz zur Wahrung ihrer Interessen ihr Verhältnis zur EU weiterhin über bilaterale sektorielle Abkommen gestalten soll. Auf diese Weise lassen sich nach seiner Überzeugung die Interessen sowohl der Schweiz als auch der EU in Einklang bringen.
Gleichzeitig verabschiedete der Bundesrat auch einen Bericht zum Verhältnis der Schweiz zu den europäischen Agenturen. Er tat dies in Erfüllung des Postulates David vom 19. März 2008 «Verhältnis der Schweiz zu den europäischen Agenturen» (08.3141). Der Bericht beleuchtet das Verhältnis der Schweiz zu den europäischen Agenturen, die Bedeutung derselben für die Schweiz sowie ihre Einflussmöglichkeiten in diesen. Er stellt fest, dass die europäischen Agenturen unter sich sehr heterogen sind; ebenso unterschiedlich ist ihre jeweilige Bedeutung für die Schweiz. Die Einflussmöglichkeiten sind je nach Zusammenarbeitsverhältnis unterschiedlich. Generell kann aber gesagt werden, dass durch die zunehmende Konzentration von Aufgaben in EU-Agenturen die Einflussmöglichkeiten der Schweiz tendenziell abnehmen und deshalb häufig ein Interesse an institutionalisierten Kontakten zu diesen Agenturen besteht. (Home-Page des Bundes; http://www.admin.ch/aktuell/00089/index.html?lang=de&msg-id=35208; konsultiert am 21. November 2010)
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Avenir Suisse - Kleine Übung in orwellscher Sprachumdeutung Das folgende ist ein Zitat: „Souveränität kann in einem Kontext der Globalisierung nicht mehr allein als nationale Autonomie verstanden werden, auch nicht der Schweiz. Und diese muss ihre Souveränität – bei aller globalen Verflechtung – in erster Linie in und gegenüber Europa behaupten. Europa aber steht am Scheideweg. Sollte es nicht an der Eurokrise zerbrechen, ist mit einer forcierten Integration zu rechnen. Damit könnte der bilaterale Weg rascher an ein Ende kommen, als wir es uns wünschen. Wenn die Schweiz dann ihre Souveränität wahren will, um weiterhin Wohlstand, Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten, braucht sie eine vorausschauende Europapolitik. Mit einer Neuauflage des EWR oder aber der Prüfung eines EU-Beitritts unter Beibehaltung des Schweizer Frankens könnte sie sich wichtige Souveränitätsspielräume bewahren bzw. neue eröffnen. Da Souveränität zudem immer mehr als Gestaltungsspielraum auf internationaler Ebene verstanden wird, wird die Schaffung einer globalen Allianz von handelsoffenen «Small and Medium States» vorgeschlagen.“
„Versteht man Souveränität als nationale Selbstbestimmung, war es um diese in der Schweiz in den letzten 24 Monaten nicht nur gut bestellt. Der Druck auf den Finanzplatz, namentlich auf das Bankgeheimnis, aber auch die Libyen-Krise, die ohne das Schengen-Abkommen nicht hätte bewältigt werden können, sind nur zwei Beispiele dafür, dass nicht alles im Alleingang durchgesetzt bzw. erreicht werden kann. Zudem wird Souveränität heute vielmehr als Gestaltungsspielraum und Einfluss auf internationaler Ebene verstanden. Die Schweiz, die ihre Souveränität bisher – und mit Erfolg – traditionell als nationale Autonomie definiert, ist daher doppelt gefordert. Acht Autoren und die beiden Herausgeber gehen im neuen Buch von Avenir Suisse der Frage nach, was Souveränität generell und konkret für die Schweiz bedeutet und wie sie in Zukunft gewahrt werden kann. Eine weitsichtige Europapolitik ist dabei ebenso gefordert wie die Verstärkung von globalen Allianzen.“
„Bisher hat es die Schweiz verstanden, eine äusserst erfolgreiche Souveränitätsstrategie durchzusetzen: Aussenpolitik, besonders Europapolitik, bedeutete primär Aussenwirtschaftspolitik. Damit erreichte die Schweiz eine weitgehende Integration in den eu-Binnenmarkt, blieb politisch-institutionell aber dennoch unabhängig, wenn auch teilweise unter Bedingungen des «autonomen Nachvollzugs». Ihre Krönung findet diese souveränitätspolitische Strategie im bilateralen Weg mit der eu, der nach dem ewr-Nein von 1992 eingeschlagen wurde. Dessen Erfolg hat aber auch seine Tücken: Europapolitisch herrscht gleichsam ein Denkverbot. Dieses aber gilt es, gerade mit Blick auf die vergangenen Monate und mögliche Zukunftsszenarien, aufzubrechen.“
„Mit ihren Analysen und Vorschlägen möchte Avenir Suisse die europapolitische Diskussion von Denkverboten befreien und auch global auf neue Möglichkeiten aufmerksam machen. Sie sollen die Schweiz befähigen, je nach Entwicklung in den kommenden Jahren zum richtigen Zeitpunkt und vorbereitet den bestmöglichen Weg einzuschlagen. Die Publikation «Souveränität im Härtetest: Selbstbestimmung unter neuen Vorzeichen» enthält nach einem Vorwort der Herausgeber fünf grundlegende Beiträge zur Konzeption der staatlichen Souveränität. Georg Kohler, Franz von Däniken, Thomas Maissen, Jürg Martin Gabriel und Dieter Freiburghaus erfassen das Konzept der Souveränität aus begrifflicher, historischer, aktueller, europäischer und internationaler Sicht. Im zweiten Teil analysieren Heinz Hauser, Ernst Baltensperger, Christian Keuschnigg und Martin Kolmar sowie Urs Meister und Carl Baudenbacher die Souveränitätsspielräume der Schweiz in der Aussenhandels-, der Geld- und der Steuerpolitik sowie in der Ressourcen- und Energiepolitik und der Rechtsprechung. Das Buch schliesst mit einem Fazit und Ausblick von Katja Gentinetta, in dem der Souveränitätsspielraum der Schweiz in Europa wie auch global ausgelotet wird und drei strategische Vorkehrungen vorgeschlagen werden.“ http://avenir-suisse.ch/de/viewPublication/content/themen/effizienz-der-institutionen/souveraenitaet.html, konsultiert am 21. November 2010
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EU hält sich nicht an die eigenen Regeln Ausgerechnet während der Überarbeitung der Regelungen für bessere Transparenz hat der EU-Ministerrat die Herausgabe eines Schlüsseldokumentes verweigert. Die Umweltrechtsorganisation Client Earth hält diesen Mangel an Transparenz inzwischen für "endemisch" bei den EU- Institutionen und kritisiert gleichzeitig den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag, den Zugang zu Dokumenten für die Öffentlichkeit zu begrenzen. Client Earth hat deshalb Klage erhoben.
Parallel läuft eine zweite Klage gegen die EU-Kommission, weil diese Dokumente über die negativen Klimaauswirkungen durch die Nutzung von Biokraftstoffen zurückgehalten habe (siehe S. 14). Client Earth, www.clientearth.org; umwelt aktuell, November 2010.
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Machtkampf zwischen EU-Parlament und Mitgliedstaaten Delegationen des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten haben in der Nacht 16. November 2010 Verhandlungen über das Budget des nächsten Jahres erfolglos abgebrochen. Die Kommission muss nun einen neuen Haushaltsentwurf vorlegen. Der Streit, der zum Scheitern der Verhandlungen führte, drehte sich zum Schluss nicht mehr um die Zahlen des Budgets, sondern um zusätzliche Forderungen des Parlaments. Besonders stossend für einige Mitgliedstaaten war, dass das Parlament versuchte, die umstrittene Idee von EU-Eigenmitteln (EU-Steuer) auf die Tagesordnung für die Budgetplanung 2014 bis 2020 zu drücken. Dies lehnten vor allem Grossbritannien, die Niederlande und Schweden ab, die der Übertragung von Kompetenzen an die EU-Institutionen seit je kritisch gegenüberstehen. Damit ist ein seit längerem schwelender Machtkampf um Befugnisse zwischen den Mitgliedstaaten und dem Parlament offen ausgebrochen.
Das Parlament, dem der Lissabonner Vertrag einen Machtzuwachs bescherte, hat das erste Jahr seit dessen Inkrafttreten eifrig dazu benutzt, sich weitere Befugnisse zu sichern, die in den EU-Verträgen nicht vorgesehen sind. Das begann beim Ringen um den Europäischen Auswärtigen Dienst und er- reichte mit der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen Parlament und Kommission über ihre gegenseitigen Beziehungen Ende Oktober 2010 den ersten Höhepunkt. Darin sichert sich das Parlament eine Vorzugsbehandlung, beispielsweise bei Verhandlungen über internationale Abkommen oder beim Zugang zu vertraulichen Informationen.
Das Abkommen verletzt laut den Mitgliedstaaten das Gleichgewicht zwischen den drei EU-Institutionen (Rat der Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament), wie es im Lissabonner Vertrag festgeschrieben wird. Der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten sah zwar vorläufig von einer Klage beim Gerichtshof ab. Doch er drohte in einer offiziellen Erklärung mit gerichtlichen Schritten, sollten Kommission und Parlament auf der Basis dieses Abkommens in einer Art und Weise tätig werden, welche die Interessen und Machtbefugnisse der Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnte.
Mit Blick auf die Stimmung in mehreren Mitgliedstaaten hatten Beobachter in der Umsetzungsphase für den Lissabonner Vertrag eher erwartet, dass die Mitgliedstaaten versuchen würden, die Vergemeinschaftung gewisser Politikbereiche abzuwehren oder sogar rückgängig zu machen. Im Parlament und in der Kommission wurde gern ein angeblicher «Trend zum zwischenstaatlichen Prinzip» gegeisselt, welcher der «Gemeinschaftsmethode» entgegenstehe. Doch wie es scheint, ging die Initiative vielmehr von jenen Institutionen aus, die in die gegenteilige Richtung drängen.
Bei der Budgetfrage sahen einige Mitgliedstaaten offenbar den Zeitpunkt gekommen, eine rote Linie zu ziehen. Sie ist zwar eher symbolischer Art, da jeder Beschluss über EU-Eigenmittel sowieso von den Mitgliedstaaten einstimmig gefasst werden müsste und daher chancenlos erscheint. NZZ, 17. November 2010, S. 4
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