Übersicht Kurzinfos Kurzinfos Juli 2013Appell der Europarechtler an den Bundesrat
Der jüngste Vorschlag der Landesregierung für ein institutionelles Abkommen mit der EU stösst bei Rechtsexperten in wichtigen Punkten auf Kritik. Fünfzehn Professoren mit Schwerpunkt Europarecht, internationales Recht und Staatsrecht haben dem Bundesrat letzte Woche einen gemeinsam unterzeichneten Brief zugestellt. Die Rechtsgelehrten rufen dazu auf, auch Modelle zu prüfen und in das Verhandlungsmandat aufzunehmen, bei denen die Schweiz eigene Richter stellen könnte.
Der Bundesrat hatte sich am 26. Juni für die sogenannte «EuGH-Lösung» entschieden. Dabei würde der Europäische Gerichtshof sowohl bei der Rechtsprechung als auch bei der Streitbeilegung eine verbindliche Rechtsauslegung zuhanden des Bundesgerichts beziehungsweise des Gemischten Ausschusses der Schweiz und der Europäischen Union vornehmen. Die Schweiz könnte im Europäischen Gerichtshof keine eigenen Richter stellen.
Die Rechtsprofessoren kritisieren, dass der Bundesrat andere Modelle, bei denen die Schweiz in der obersten gerichtlichen Instanz für die Auslegung der bilateralen Verträge vertreten wäre, von vornherein nicht weiter verfolgen will. Gemeint ist damit wohl insbesondere das «Andocken» an die Institutionen der drei dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angehörenden Efta-Länder. In einem gemeinsam erstellten Bericht der Berner und der Brüsseler Diplomaten wird dieses Modell als technisch durchführbar bezeichnet (NZZ 27. 7. 13) und neutral beschrieben. Eine Vertiefung der Option «Andocken» würde im Übrigen Gespräche mit den Efta-Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen erfordern, denn sie haben die Efta-Institutionen gegründet, nicht die Europäische Union.
Der Bundesrat will noch im August einen Entwurf für ein Verhandlungsmandat vorlegen. Das Hauptanliegen der Professoren lautet, dass sich der Bundesrat darin nicht vorschnell auf institutionelle Mechanismen festlegen soll, bei denen die Eidgenossenschaft sich nicht an einem überstaatlichen Gericht mit ihren eigenen Richtern beteiligen könnte.
Die Unterzeichnenden des Briefs an den Bundesrat sind der Ansicht, dass der Bundesrat deutlich über die Forderungen der EU zur Renovation des bilateralen Wegs hinausgegangen ist. Brüssel verlange ein am EWR angelehntes System. Übertrage man die Kompetenzen dem EuGH, verzichte man auf eine Repräsentation im überstaatlichen Gericht, was nicht wünschbar sei. Mit einem gerichtlichen Mechanismus, wie ihn der Bundesrat anstrebt, werde es schwierig, in einer Referendumsabstimmung eine Mehrheit zu finden, heisst es im Brief.
In vielen Punkten begrüssen die fünfzehn Europa- und Völkerrechtler aber die Grundsatzentscheide des Bundesrats vom vergangenen Juni. Genannt wird die Bereitschaft, Fortentwicklungen des EU-Rechts im Bereich der bilateralen Verträge zu übernehmen und einen neuen Mechanismus für die Streitbeilegung zu suchen. Diese Neuerungen trügen zur Rechtssicherheit bei und seien zum Vorteil der Schweiz. NZZ, 30. Juli 2013, S. 9
Politische Beteiligung in der Schweiz wird unterschätzt Das Lamento ist jeweils gross, wenn die Stimmbeteiligung nur bei etwas über 27 Prozent liegt, wie dies beim Urnengang zum Tierseuchengesetz im November 2012 der Fall war. Politiker aller Couleur beklagen dann recht schnell, dieser tiefe Wert sei Ausdruck für das Desinteresse an der Politik. Auch die langjährige, durchschnittliche Stimmbeteiligung in der Schweiz, die sich in den letzten Jahren bei rund 45 Prozent eingependelt hat, verleitet nicht gerade zu Jubelstürmen.
Doch ist die formale politische Partizipation in der Schweiz tatsächlich so gering, wie es diese Zahlen glauben machen, die jeweils nach jedem Urnengang eine hohe Beachtung finden? Uwe Serdült, Politologe am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA), hat die Frage genauer unter die Lupe genommen. Das ZDA ist eine gemeinsame Hochschuleinrichtung der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz. Mit Hilfe von Stimmregisterdaten untersuchte Serdült die Teilnahme an Abstimmungen über einen längeren Zeitraum hinweg. Solche Datensätze existieren gegenwärtig in der Schweiz nur an zwei Orten: Im Kanton Genf und seit 2010 auch in der Stadt St. Gallen. In St. Gallen werden bei Abstimmungen die Stimmkarten jeweils mit einem Strichcode versehen. Auf diese Weise lässt sich in anonymisierter Form verfolgen, wer über mehrere Abstimmungen hinweg teilgenommen hat.
Der Politikwissenschafter hat die Stimmbeteiligung in der Stadt St. Gallen anhand des Datenmaterials von sieben Abstimmungen analysiert, die von März 2010 bis März 2012 stattfanden. Die Beteiligung schwankte für die einzelnen Urnengänge zwischen 44,4 und 53,3 Prozent. Diese Werte sind für die Schweiz vergleichsweise hoch, liegen aber durchaus im üblichen Rahmen. Verblüffendes zeigt sich, wenn man über mindestens sieben Abstimmungsdaten hinweg auszählt, wie oft ein Einzelner an Abstimmungen teilgenommen hat. Die Beteiligungsquote kumuliert sich dann auf 75,3 Prozent.
Etwas mehr als drei Viertel des Elektorats haben sich also an mindestens einem von sieben Urnengängen beteiligt. «Dieser Wert entspricht nun ganz und gar nicht mehr dem Bild einer nicht an Politik und Abstimmungen interessierten, stillen, schweigenden Mehrheit in der schweizerischen Abstimmungsdemokratie», schreibt Serdült in der Studie.
Gemäss den Umfragewerten der seit 1977 durchgeführten VOX-Analysen gehen die Politologen von drei soziologischen Typen von Stimmbürgern in der Schweiz aus. Auf rund 25 Prozent der Stimmberechtigten schätzt man die sogenannten Modellbürger, die eigentlich immer an die Urne gehen. Weitere 20 Prozent gehören zur Gruppe der «Abstentionisten», die sich nie an einer Abstimmung beteiligen. Auf rund 55 Prozent schätzen die Experten die Gruppe der unregelmässigen Urnengänger. Der von Serdült ermittelte Wert (Modellbürger und unregelmässige Urnengänger) deckt sich also ziemlich genau mit der Verteilung aus den Umfragewerten der VOX-Analysen.
Der Aarauer Politikwissenschafter ist sich bewusst, dass es weitere Forschungen braucht, um das Abstimmungsverhalten genauer zu analysieren. Wichtiger ist für ihn jedoch, den Blick auf eine alternative Betrachtungsweise der politischen Partizipation zu öffnen. «Die zwar kommode, aber letztlich irreführende Messung anhand von Durchschnittswerten ist zu hinterfragen», fordert Serdült.
Die bisherige Methode führe dazu, dass die Schweiz zusammen mit den USA als Land mit sehr niedriger Stimmbeteiligung geführt werde und deswegen in internationalen Demokratie-Rankings zuweilen schlecht abschneide. Dies könnte mit einer Langzeitbetrachtung geändert werden. NZZ, 23. Juli 2013, S. 8
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EU-Kommission will Atomenergie als Umweltschutz verkaufen Die EU-Kommission will Zeitungsbericht zufolge den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerken in Europa erleichtern. Ein Entwurf für eine neue Beihilferichtlinie von Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sieht vor, dass Energiekonzerne künftig für neue Kernkraftwerke genauso Subventionen erhalten dürfen wie die Produzenten von Ökostrom, da beide "kohlenstoffarm" und damit umweltfreundlich seien. Um beim Ausbau der Kernenergie voranzukommen, sollten Konzerne speziell für "die Errichtung und den Betrieb eines Atomkraftwerks" einfacher zu staatlichen Finanzspritzen kommen (zit. nach Süddeusche Zeitung, 19.07.2013). UmweltschützerInnen befürchten, dass damit der Bau dutzender neuer Atommeiler droht.
Dieser Vorstoss der EU-Kommission kommt freilich nicht aus heiterem Himmel. Bereits ein halbes Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima hatte die EU-Kommission ein Papier vorgestellt, in dem ein Szenario mit dem Neubau von 40 Atomkraftwerken bis 2030 vorgeschlagen wurde. In dem aktuellen Entwurf der EU-Kommission zur Atomenergieförderung wird ausdrücklich auf die Euratom-Verträge von 1957 verwiesen, nach denen sich die EU-Staaten verpflichten, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“. Schätzungen gehen davon aus, dass Österreich rd. 100 Millionen Euro jährlich für EURATOM und damit für die Förderung der europäischen Atomwirtschaft mitfinanziert. Solidarwerkstatt Österreich, Dezember 2013, Solidarwerkstatt, Rundbrief Nr. 18, Juli 2013, http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=908&Itemid=1
Auf Grund der heftigen Kritik hat die EU-Kommission hat ihren umstrittenen Plan zur Förderung von Atomkraftwerken dann aber begraben: Der Vorschlag von Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, Subventionen für AKWs nicht in EU-Richtlinien aufzunehmen, sei von seinen Kollegen gebilligt worden, sagte ein Sprecher des Spaniers. Die Regeln für die Beihilfen für Ökostrom in Ländern wie Deutschland sollen indes angepasst werden.
Die Beihilfe-Richtlinien sollen demnach im November veröffentlicht werden. In einem früheren Entwurf der Kommission waren Hilfen für Atomkraftwerke noch enthalten, was von Deutschland und Umweltschützern kritisiert wurde. Einem EU-Diplomaten zufolge setzte sich die Bundesregierung dafür ein, dass die Subventionen nicht in die Richtlinien aufgenommen werden.
Die Auslassung bedeutet allerdings nicht, dass EU-Länder keine Beihilfen für Atomkraftwerke mehr gewähren können. Für Länder wie Grossbritannien dürfte die Förderung der Nuklearenergie aber schwieriger werden, weil sie in jedem Fall einen formellen Antrag bei der EU-Kommission stellen müssen. "Das ist ein deutlicher Rückschlag für die Rechtssicherheit bei Atomenergie", sagte Claude Turmes, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament. 8. Oktober 2013, http://www.t-online.de/wirtschaft/energie/versorgerwechsel/id_65893524/eu-kommission-kippt-akw-foerderplaene.html
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EU/US-Schnüffelsumpf! Die Empörung von europäischen Regierungen über das US-Schnüffelprogramm PRISM ist an Heuchelei kaum zu überbieten. Bereits in den frühen 90er Jahren, lange vor 9/11, begann eine intensive Kooperation der US- und EU-Spitzeldienste. Auch die Geheimdienste der grossen EU-Staaten gehören zu den grossen Datenkraken, die EU selbst ist ein Treibriemen zum Ausbau des Überwachungsstaates.
Da wir beinahe täglich mit neuen Enthüllungen konfrontiert sind, in welch überspannter Art und Weise die Menschen in der „freien westlichen Welt“ von Regierungen und Geheimdiensten bespitzelt werden, zunächst ein Versuch eine kurzen Zusammenfassung von Bekanntem und vielleicht weniger Bekanntem in dieser Causa.
Zu Beginn der Enthüllungen übten sich EU-Führungspersonal in Ahnungslosigkeit und Empörung – pure Heuchelei, wie sich nunmehr herausstellt. Gert-René Polli, ein ehemaliger Leiter des österreichischen Geheimdienstes "Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung": "Wir kannten die Auswirkungen dieses Programms. Und diese Information und dieses Wissen war ‚common understanding‘ zwischen allen europäischen Nachrichtendiensten, auch der Deutschen."
Die Kooperation der nationalen Datenschnüffler wird zunehmend auch über die EU-Ebene vorangetrieben und organisiert. Der EP-Abgeordnete Martin Ehrenhauser dazu: „Das Kooperationsnetz, das bisher etabliert wurde, umfasst derzeit vier Abteilungen des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) und zwei EU-Agenturen Europol und Frontex. Insgesamt 1.300 Mitarbeiter sind beschäftigt und ein Jahresbudget von 230 Millionen Euro steht zur Verfügung“ (6). Dreh- und Angelpunkt für militärische und zivile nachrichtendienstliche Informationen ist das EU-Intelligence Analysis Center, das gemeinsam mit dem EU-Militärstab in den EAD eingegliedert worden ist. Ehrenhauser: „Die privilegierten Mitgliedsstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Schweden, Spanien und Grossbritannien entscheiden, welches Land Experten entsenden darf und welches nicht.“
Auf EU-Ebene ist nicht nur der Einfluss der Konzernlobbyisten besonders gross, auch Militär und Geheimdienste und die mit ihnen verwobene Politiker verstehen Brüssel besonders effizient zu nutzen, um den Überwachungsstaat in den Mitgliedsstaaten auszubauen. Wie künstlich die EU-Aufregung um PRIMS ist, zeigt, dass die Genese des Überwachungswahns weit zurückreicht und von Anbeginn in gemeinsamen US- und EU-Ambitionen wurzelt. Bereits seit 1993 gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen FBI und Polizeibehörden von EU-Staaten, um die Überwachung der Telekommunikation voranzutreiben. Unter dem Codenamen ENFOPOL schuf die EU an der Jahrtausendwende die Grundlage für die EU-weite Vereinheitlichung von Abhörstandards und Zugriffsrechten von Spitzeldiensten, die schliesslich Schritt für Schritt in nationales Recht übergeführt wurden. Wesentliche Vorbereitungen dafür erfolgten 1998 im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Als Ergebnis der ENFOPOL wurden auch in Österreich die Telekommunikationsanbieter mittels „Überwachungsverordnung“ verpflichtet, ihre Netze mit Schnittstellen auszurüsten, von denen aus der überwachte Fernmeldeverkehr zur Überwachungseinrichtung der gesetzlich ermächtigten Behörde übertragen werden kann.
Die Vorarbeiten zur exzessiven Schnüffelei begannen also lange vor 9/11, doch seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ging alles noch viel schneller. Kurz danach erliessen die EU-Innenminister die „Anti-Terror“-Richtlinie, die seither in allen EU-Staaten in nationales Recht gegossen wurde, in Österreich in die berüchtigten §§ 278b ff. Dadurch kann nicht nur politisches Engagement rasch in die Kriminalität gedrängt werden, Polizei und Geheimdienste können sich auch leicht auf diese „Anti-Terror-Paragrafen“ berufen, um das Ausspionieren sozialer Netzwerke und Bewegungen zu legitimieren. Auch die Vorratsdatenspeicherung, die alle BürgerInnen unter Generalverdacht stellt, indem alle elektronischen Verbindungsdaten zumindest ein halbes Jahr lang gespeichert werden müssen, geht auf eine EU-Richtlinie zurück.
Die mit dem EU-Vertrag von Lissabon (2009) verankerte „Solidaritätsklausel“ verpflichtet die EU-Staaten zur gegenseitigen Unterstützung „mit allen Mitteln, einschliesslich militärischen … um terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden“ (Art. 222., VAEU). Angesichts der jüngsten Enthüllungen muss diese „Solidaritätsklausel“ wohl in neuem Licht gelesen werden – als einen Persilschein zum wahrlich grenzenlosen Austausch der europäischen Spitzeldienste. Nicht vergessen werden sollte auch, dass über die EU derzeit eine Reihe von Forschungsprojekten finanziert und koordiniert werden (z.B. Indect), deren Ehrgeiz darin besteht, PRISM & Co noch zu überflügeln, indem die im Internet ausgeforschten Datensätze mit den von Drohnen ausgespähten verknüpft werden. Solidarwerkstatt , Rundbrief Nr. 17, Juli 2013, Gerald Oberansmayr, http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=901&Itemid=77
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INDECT – „Traum der EU vom Polizeistaat“ Das EU-finanzierte Forschungsprojekt INDECT macht den "gläsernen Menschen" immer mehr zur Realität. INDECT bedeutet soviel wie „Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Entdeckung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung.“
Das EU-finanzierte Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, eine Sicherheitsarchitektur zu entwerfen, die sämtliche bestehenden Technologien – Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Telekommunikation, Gesichtserkennung, Websites, Diskussionsforen, Usernet-Gruppen, Datenserver, P2P-Netzwerke sowie individuelle Computersysteme - und alle vorhandenen Datenbanken wie Namen, Adressen, biometrische Daten, Interneteinträge, polizeiliche, geheimdienstliche, militärische, forensische und zivile Datenbanken, Daten von luft- und seegestützten Plattformen und Satelliten logisch miteinander verknüpft, in Echtzeit auswertet und verwaltet. Aus den zusammengefassten Daten sollen dann mittels intelligenter Computeranalyse von Verhalten und Sprache kriminelle und „abnormale" Aktivitäten und Bedrohungen automatisch frühzeitig erkannt und gemeldet werden (sh. Domingo Conte, nomenom.blogspot.com).
Indect definiert abnormales Verhalten unter anderem so: „Rennen, zu langes Sitzen an einem Ort, Treffen mit vielen Personen, Schreien, hektisch Autoschlüssel suchen.“
Einmal vom System als verdächtig eingestuft, wird ein Gefahrenprofil erstellt. D.h. es werden umgehend weitere Daten über Sie via Gesichtserkennungssoftware, Internet (z.B. Facebook), SMS-/E-Mail- oder Telefonüberwachung und sonstige verfügbare Datenbanken eingeholt. INDECT verständigt die zuständigen Sicherheitskräfte zur „Sicherstellung“. Was wie Sience Fiction klingt, soll bald zur Realität werden.
Exzessive Bürgerüberwachung
INDECT soll laut Plan der EU-Kommission bis Ende 2013 fertig entwickelt und ab 2014 einsatzbereit sein. Es soll u.a. Themen wie Bürgerschutz und Kriminalprävention aufgreifen, nur geht es noch viel weiter.
Ausspionieren sozialer Netzwerke
INDECT soll ausserdem die automatisierte Kontrolle des Internets und Mailverkehrs perfektionieren: d.h. Auffinden illegaler Downloadmöglichkeiten, Ausforschen von persönlichen Beziehungsnetzen - all das, was bislang mühselige Kleinarbeit von Menschen war, soll nun der Computer blitzschnell analysieren. INDECT rundet damit die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ab. Auch in Österreich werden seit 1. April 2012 alle BürgerInnen durch anlasslose Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverbindungsdaten kriminalisiert.
Netzexperte Erich Moechl (ORF-futurezone, 10.5.2012): „INDECT ist ein Prototyp für ein System zur Rundumüberwachung der urbanen Zivilgesellschaft… Das technische Set-Up sieht einer modernen militärischen Gefechtsfeldzentrale dabei zum Verwechseln ähnlich. ... Die Funktionen der einzelnen Elemente von INDECT ergeben zusammen ein für den Einsatz in der urbanen Zivilgesellschaft adaptiertes C4-ISR-System, wie sie in allen Kriegsgebieten zum taktischen Einsatz kommen.“
An der permanenten Überwachung rund um die Uhr durch Bündelung von Hard- und Software verschiedener Überwachungstechnologien sind Unternehmen und Polizeibehörden aus neun EU-Ländern und 17 Hochschulen beteiligt. Wobei jedes Institut, Unternehmen nur einen kleinen Teil zum grossen Indect-Puzzle beiträgt, indem es nur in seinem Fachbereich daran arbeitet. 1,4 Milliarden Euro entfallen im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU auf den Sektor Sicherheit, 15 Millionen Euro davon auf Indect. In den Verhandlungen für das nächste Forschungsrahmenprogramm wird eine massive Erhöhung der Mittel für „Sicherheitsforschung“ angedacht. Von 1,4 Mrd. im laufenden Programm auf 3,8 Milliarden Euro.
Meinungs- und Gewissensfreiheit bedroht.
Die Gestaltung des eigenen Lebens aufgrund eigener Entscheidungen, frei von Zwängen, Beobachtung und Beeinflussung seine Meinung zu äussern und neue Ideen zu entwickeln, ist ein Menschenrecht und wichtig, um durch Versuch, Irrtum und aber auch Fehler zu neuen Erkenntnissen, Entwicklungen und Produkten zu kommen. Nur in einer Gesellschaft frei von Beobachtung, ohne Angst vor Verfolgung, in der Menschen nicht fürchten müssen, dass neue, unausgegorene Ideen missverstanden werden und ihr Tun als „verdächtig“ eingestuft wird, entstehen neue fortschrittliche Entwicklungen. Durch INDECT wird der „gläserne Mensch“ immer mehr zur Realität. Als „Traum der EU vom Polizeistaat“ bezeichnet die „Zeit“ diese Rundum-Bespitzelungstechnologie. (Die Zeit, 29.9.2009). „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ (Benjamin Franklin), Solidarwerkstatt, Rundbrief 16, Juli 2013. https://mail.google.com/mail/u/0/?shva=1#inbox/13fbea71284a5412
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Direkte Demokratie in Österreich - Alibiaktionen! Der von den beiden Regierungsparteien im Juni 2013 vorlegte Entwurf zur "Stärkung der direkten Demokratie" ist eine reine Alibiaktion, die nicht ansatzweise der Forderung entspricht, dass die Bevölkerung Volksabstimmungen von unten auslösen können soll.
Der von SPÖ und ÖVP vorgelegte Entwurf für die Stärkung der direkten Demokratie verdient diesen Namen nicht. 72% der Menschen in Österreich sprechen sich dafür aus, dass die Bevölkerung Volksabstimmungen auslösen können soll, deren Ergebnis bindend ist. Dieser Forderung wurde nicht einmal ansatzweise Rechnung getragen. Denn der Regierungs-Entwurf verlangt ein
- extrem hohes Quorum: Mindestens 10% der Bevölkerung, rd. 650.000 Menschen (bei Verfassungsbestimmungen fast eine Million) müssen ein Volksbegehren unterschreiben, damit
- dadurch eine unverbindliche Volksbefragung eingeleitet werden kann und nicht eine bindende Volksabstimmung.
- Und selbst wenn dieses hohe Quorum erreicht wurde, kann eine solche Volksbefragung vom Nationalrat weitgehend willkürlich unterbunden werden, indem er mit Mehrheit entscheiden kann, ob er dem Anliegen des Volksbegehrens Rechnung getragen hat oder nicht. Zeit- und Kostenbürde einer VFGH-Klage werden den Volksbegehrensbetreibern aufgebürdet, Verzögerungsfaktor: ca. 2 Jahre.
- EU-Recht, Gesamtänderungen der Verfassung und völkerrechtliche Verträge sollen von vornherein ausgeschlossen werden. Damit würden direktdemokratische Initiativen etwa gegen die Entmündigung des Parlaments in Budgetfragen (EU-Two-Pack-Verordnungen), gegen die EU-Budgetdiktate (Six-Pack-Verordnungen, Fiskalpakt), gegen die EU-Liberalisierungswut, den Austritt aus EU-Verträgen, für die Ausweitung der direkten Demokratie, usw. verunmöglicht.
Die Solidar-Werkstatt Österreich, die sich gemeinsam mit anderen Organisationen in der Plattform „demokratie2013 “ für eine Stärkung der direkten Demokratie engagiert, zu diesem Regierungsentwurf: „Wir wollen mehr direkte Demokratie und nicht solche Alibiaktionen. Der Forderung, dass die Bevölkerung selbst bindende Volksabstimmungen auslösen können soll, wird dieser Entwurf nicht einmal ansatzweise gerecht. Vorbild für eine ernsthafte Umsetzung dieser Forderung sollte aus Sicht der Solidar-Werkstatt die Schweiz sein, wo 100.000 innerhalb eines Jahres frei gesammelter Unterschriften ausreichen, um eine Volksabstimmung durchzusetzen. Nicht EU-Recht, das in zunehmend autoritärer Weise den neoliberalen Marktradikalismus schützt, sondern die Wahrung der Menschenrechte sollen davon ausgenommen sein.“, SOLIDAR-WERKSTATT, Rundbrief, 15, Juli 2013, http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=878&Itemid=1
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