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Kurzinfos November 07

18 Ausnahmen vom Cassis-de-Dijon-Prinzip

In ihrem Kampf um die Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips ist Bundesrätin Doris Leuthard einen Schritt weitergekommen. Ende Oktober 07 genehmigte der Bundesrat die umstrittene Liste der Ausnahmen, für die das Prinzip nicht gelten soll. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip soll im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) für Produkte aus dem EU-Raum eingeführt werden. Gemäss dem Prinzip dürften Waren, die in einem EU-Land vorschriftsgemäss in Verkehr gebracht wurden, auch in der Schweiz frei zirkulieren.

Die vor rund einem Jahr präsentierte Vernehmlassungsvorlage hatte noch 40 Ausnahmewünsche enthalten. Gemäss dem jetzt gefällten Zwischenentscheid wird die Schweiz an 18 Ausnahmen festhalten. Der Gesamtbundesrat hatte im Juli 07 beschlossen, dass man sich zuerst über die Ausnahmen im Klaren sein wolle, bevor man die eigentliche Vorlage verabschiede. Strittige Fragen sind damit noch offen - etwa ob die Schweiz das Cassis-de-Djjon-Prinzip einseitig einführt oder welche Regeln für Schweizer Produzenten gelten, die ihre Waren nur im Inland absetzen.

Im Einzelnen sollen die Schweizer Eigenheiten nur in 5 Fällen unverändert weiter gelten. Beispielsweise soll die Angabe des Alkoholgehalts alkoholischer Getränke weiterhin Vorschrift sein, und die Verwendung von Blei in Anstrichfarben bleibt verboten. In den übrigen 13 Fällen werden die heutigen Abweichungen vom EG-Recht eingeschränkt, oder die Ausnahme wird zeitlich befristet. Zum Beispiel wurde verfügt, dass das Phosphatverbot bei Waschmitteln aufrechterhalten wird, dass aber die Etikettierung nur noch in einer Amtssprache erfolgen muss, so dass phosphatfreie Waschmittel aus Deutschland leichter importiert werden können. Weiter entschied der Bundrat, man werde in 23 Fällen das Schweizer Recht an die technischen Vorschriften der EG anpassen - vor allem betreffend ungefährliche Chemikalien. Zudem sieht der Bundesrat für Produkte, deren Inverkehrbringen eine Zulassung erfordert (hier gelangt das Cassis-de-Dijon-Prinzip nicht zur Anwendung), vereinfachte Verfahren vor. Ausserdem wurden die von der EG abweichenden Importbewilligungsverfahren bzw. Importverbote überprüft; dabei wurden 20 Abweichungen bestätigt, zum Beispiel das Importverbot für Hunde- und Katzenfelle.

Eine Frage war bis zuletzt besonders umstritten, nämlich die, ob das Herkunftsland von Lebensmitteln und von Rohstoffen deklariert werden müsse. Hier gelangte man im Bundesrat zu keiner Einigung. Das Eidgenössische Departement des Innern und das Volkswirtschaftsdepartement wollen vielmehr bis Ende dieses Jahres nochmals über die Bücher gehen. Geprüft werden soll, welches die Auswirkungen einer Angleichung der schweizerischen Regeln ans EG-Recht wären und ob die heutige Deklarationspflicht durch eine freiwillige Deklaration ersetzt werden könnte. Die Frage ist nicht nur eine Herzensangelegenheit von Konsumentenschutzorganisationen, sondern sie betrifft auch allfällige Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen im Agrarsektor.

Die Reaktionen auf den Entscheid fielen gemischt aus. Die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz zeigte sich erfreut über den Zwischenentscheid. Es sei höchste Zeit gewesen, dass das Geschäft nach den Wahlen deblockiert und die Ausnahmeliste im Wesentlichen bereinigt worden sei. Die Zahl der Ausnahmen sei auf ein «vernünftiges Mass» reduziert worden. Unversöhnlich gaben sich dagegen die Konsumentenorganisationen SKS, FRC und ACSI. Diese wollen nicht nur an der Deklaration des Herkunftslandes bei Lebensmitteln festhalten. Sie kritisieren zudem, dass der Bundesrat die Deklarationspflicht für Eier aus Käfighaltung sowie für die unbeabsichtigte Vermischung mit allergenen Substanzen bei Lebensmitteln bis Ende 2008 nochmals überprüfen will. Falls diese 3 Ausnahmen nicht definitiv beibehalten werden, wollen die Konsumentenschutzorganisationen die gesamte Gesetzesrevision ablehnen. für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ist diese Haltung inkonsequent. Ganz grundsätzlich stellt für ihn eine Pflicht zur Herkunftsdeklaration eine Verletzung des Cassis-de-Dijon-Prinzips dar; in diesem Fall solle man so ehrlich sein und sich nicht als Befürworter dieses Prinzips ausgeben, sagt er an die Adresse der Konnsumenterschützer. NZZ, 1. November 07, S. 15.



Filmförderung zum Preis von TV-Werbung für Alkohol?

Die Schweiz hat mit der EU ein neues Abkommen zur Filmförderung unterzeichnet. Der Vertrag, dem das Parlament noch zustimmen muss, ermöglicht die weitere Teilnahme am EU-Media-Programm bis 2013. Dieses verfügt über ein Budget von 755 Millionen Euro und hat zum Ziel, die Entwicklung, den Vertrieb und die Vermarktung europäischer Filme voranzutreiben. Der Schweizer Anteil beträgt 67,4 Millionen Franken. Die Fortsetzung der Kooperation mit der EU hat jedoch einen Preis. Die EU pocht auf das Gleichbehandlungsprinzip und verlangt, dass die Schweiz alle EU-Fernsehregeln ebenfalls anwendet. Die Konsequenz: Die Schweizer Werbefenster der ausländischen Fernsehsender müssten nicht mehr das hiesige Recht, sondern jenes ihrer Heimatstaaten beachten. Die deutschen Privatsender erhielten damit insbesondere die Möglichkeit, in ihren Fenstern Werbespots für alkoholische Getränke ans Schweizer Publikum zu richten. Gemäss hiesigem Recht ist dies untersagt, zumindest den sprachregional und national aktiven Sendern. Das schweizerische Gesetz ist jedoch nicht ganz konsequent, denn Regionalfernsehstationen dürfen Alkoholwerbung für weiche Alkoholprodukte wie Bier verbreiten. Dieses Privileg soll den Sendern gemäss den Vorstellungen des Parlaments die wirtschaftliche Existenz erleichtern.

Um die Filmförderung mit der EU fortsetzen zu können, ohne dabei die überregionalen Schweizer Privatsender zu benachteiligen, müsste also das neue Radio- und Fernsehgesetz, das erst seit einem halben Jahr in Kraft ist, bereits revidiert werden. Dies wiederum hätte eine Aufweichung der Präventionspolitik zur Folge. Das würde vor allem den Organisationen, die gegen Alkoholmissbrauch kämpfen, nicht gefallen. Von einer totalen Liberalisierung könnte allerdings nicht die Rede sein. Denn auch in Deutschland gibt es regulatorische Vorbehalte. So dürfen sich entsprechende Werbespots nicht an Kinder und Jugendliche richten oder diese beim Alkoholgenuss darstellen. Ferner hat der deutsche Werberat umfangreiche Verhaltensregeln erlassen, damit Alkoholwerbung nicht missbräuchlich angewandt wird. Und schliesslich dürfen Spots für Weinprodukt gemäss Jugendschutzgesetz erst ab 22 Uhr und Spots für höherprozentige Alkoholika erst ab 23 Uhr verbreitet werden.

Andere Schweizer Werbetabus wären ebenso bedroht, etwa das Verbot politischer oder religiöser Fernsehspots. In Deutschland sind solche zwar ebenfalls untersagt. Doch gibt es Interpretationsspielräume, wie Franz Zeller, Rechtsspezialist beim Bundesamt für Kommunikation erklärt. Auch Frankreich verbiete politische Werbung nicht eindeutig. Vor allem aber würden in Rechtsstreitigkeiten ausländische Behörden darüber entscheiden, was nun in den hiesigen Werbefenstern zulässig ist oder nicht. Die Schweiz hätte nichts zu sagen.

Hinzu kommt, dass bei Revisionen ausländischer Werberegelungen die Schweiz nicht mitreden könnte, sondern die Entscheide hinnehmen müsste. Da der Schweizer Feinsehmarkt hoch internationalisiert ist, würden einheimische Werberegelungen in letzter Konsequenz ausgehebelt. Stossend ist dabei auch die Tatsache, dass die Schweiz EU-Beschlüsse oder Entscheide einzelner EU-Staaten ohne Mitsprache hinnehmen müsste.

Punkto Souveränität schätzt der Bundesrat die Lage ohnehin pessimistisch ein, wie seiner Botschaft ans Parlament betreffend Media-Abkommen zu entnehmen ist. Die Landesregierung zweifelt grundsätzlich daran, ob die schweizerischen Werbevorschriften langfristig gegenüber Sendern aus EU-Staaten anwendbar bleiben. Dies aufgrund der geplanten Revisionen der grenzüberschreitenden Fernsehabkommen (Europaratskonvention und EU-Richtlinie): «Es ist. offen, ob die besondere Konventionsvorschrift für Werbefenster weiterbestehen wird», schreibt der Bundesrat.

Nun muss das Parlament entscheiden. (NZZ, 5. November 07, S. 7). Inzwischen hat die Aussenpolitische Kommission (APK) des Ständerats sich oppositionslos dafür ausgesprochen, die weitere Teilnahme am Filmförderungsprogramm für die Jahre 2007 bis 2013 nicht zu genehmigen, sondern das Geschäft an den Bundesrat zurückzuweisen. Dieser soll mit der EU nach Möglichkeiten suchen, die den medienpolitischen Interessen der Schweiz mit ihren Werbeverboten für Alkoholika, Politik und Religion besser Rechnung tragen. Dies teilten die Parlamentsdienste am Mittwoch, den 21. November 07, mit. Die APK erachtet die Lockerung der Werbeverbote als innenpolitisch problematisch. Um zu verhindern, dass die Räte das Abkommen aus diesem Grund ablehnen, will sie die Möglichkeit von Nachverhandlungen mit der EU nicht unversucht lassen und fordert den Bundesrat dazu auf, sich entsprechend einzusetzen. Spätestens im Herbst 2009 soll er das Geschäft dem Parlament erneut zur Genehmigung vorlegen - zusammen mit allfälligen Gesetzesänderungen im Fernsehbereich, falls die Nachverhandlungen nicht zum Erfolg führen sollten. In der Zwischenzeit soll die Landesregierung weiterhin für die provisorische Anwendung des Abkommens sorgen. Zugestimmt hat die APK dem Verpflichtungskredit betreffend die Finanzierung der vorläufigen Teilnahme am Media-Programm für die Jahre 2007 bis 2009. - Der Ständerat ist in dieser Angelegenheit Erstrat. NZZ, 22. November 07, S. 16


Bilaterale EU-CH-Runde zu Stromenergie

An einer ersten Verhandlungsrunde in Brüssel haben Delegationen der Schweiz und der EU Mitte November 07 die seit längerem geplante Arbeit an einem bilateralen Stromabkommen aufgenommen. Hauptanliegen beider Seiten ist laut Schweizer Angaben die Versorgungssicherheit im liberalisierten Umfeld. Die EU-Mitgliedstaaten wiederum haben bei der Erteilung des Verhandlungsmandats an die EU-Kommission als Verhandlungsziel die Schaffung eines integrierten Elektrizitätsmarkts zwischen der EU und der Schweiz genannt, der auf die EU-Rechtsvorschriften zum Strom-Binnenmarkt gestützt sei.

Damit schienen die EU-Staaten damals darauf zu drängen, dass die Schweiz im Gegenzug zur Integration in den Binnenmarkt die einschlägigen EU-Vorschriften übernimmt. Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie und Schweizer Delegationsleiter, sagte indessen nach den Gesprächen vor Schweizer Medien, man sei sich einig gewesen, dass es um die Lösung von Problemen gehe und dass nicht die Übernahme ganzer Gesetze oder des Acquis (EU-Rechtsbestand) im Zentrum stehe. Er habe die andere Seite als pragmatisch und offen erlebt. Die EU-Kommission wiederum sprach in einer eigenen Pressemitteilung neutral von der Aushandlung eines Abkommen mit «gemeinsamen Prinzipien und Regeln» für einen integrierten Strommarkt. Gleichwohl dürfte es schwierig sein, in zentralen Bereichen eine von den EU-Vorschriften abweichende Lösung durchzusetzen.

Die Schweiz führt indessen mit dem Stromversorgungsgesetz per 2008 bereits wesentliche Grundprinzipien ein, die den EU-Rechtsgrundlagen entsprechen. Für die Eidgenossenschaff geht es in den Verhandlungen nicht zuletzt um die langfristige Sicherung ihrer Funktion als europäische Stromdrehscheibe. Einen regen Stromhandel treibt sie vor allem mit Frankreich und Italien, wobei verkürzt ausgedrückt billiger Atomstrom aus Frankreich ein und teure Spitzenenergie nach Italien ausgeführt wird. Insgesamt wird ein jährlicher Handelsüberschuss von rund 1 Mrd. Fr. erzielt. Auch das Kommissionscommunique betonte die Bedeutung der Schweiz für den europäischen Strommarkt, die sich aus der zentralen geografischen Lage und dem hohen Anteil an Strom aus Wasserkraft (und damit der Lieferung von Spitzenenergie) ergebe.

Vor diesem Hintergrund zählen zu den Wichtigsten Verhandlungsthemen Regeln für den Stromtransit, darunter für die Nutzung des Transitnetzes, die Entschädigung für die Transitkosten und die Handhabung von Übertragungs-Engpässen. Ein heikles Thema sind hierbei die langfristigen Verträge, die Schweizer Unternehmen für den Strombezug von der französischen EdF abgeschlossen haben und die teilweise bis etwa 2020 laufen. Denn laut EU-Recht ist Netz-Engpässen im grenzüberschreitenden Handel «mit nichtdiskriminierenden marktorientierten Lösungen» (z. B. Auktionen) zu begegnen. Die vorrangige Zuteilung grenzüberschreitender Übertragungskapazitäten an einzelne Unternehmen ist nicht zulässig, wie auch der EU-Gerichtshof festgehalten hat. Genau ein solcher privilegierter Netzzugang ist aber mit den Langfristverträgen verbunden; lediglich die neben ihnen verbleibenden freien Übertragungskapazitäten stehen dann noch für Auktionen und ähnliche Verfahren zur Verfügung.

Für Steinmann sind diese Lieferverträge ein zentraler Verhandlungsgegenstand. Die Priorität dabei bestehe darin, die bestehenden Verträge über die verbleibende Laufzeit durchzuziehen. Auch die EU-Staaten hätten bei Einführung der einschlägigen EU-Regeln derartige Kontrakte anmelden können.

Einen zweiten Verhandlungsgegenstand bilden Sicherheitsstandards zur Verhinderung von Netzüberlastungen. Eine solche Überlastung war 2003 der Hauptgrund für einen Blackout in Italien. Damals äusserte die EU Interesse an einer Einbindung der Schweiz in ihre Sicherheitsregeln. Inzwischen ist der Verhandlungsbereich viel breiter und die Interessenlage komplexer. Manche EU-Vertreter spielen nun das Brüsseler Interesse mit der Bemerkung herunter, die damaligen Sicherheitsanliegen seien auf anderen Wegen bereits weitgehend erfüllt worden.

Verhandelt werden soll sodann über Umweltregeln, wobei für die Schweiz die gegenseitige Anerkennung der Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energiequellen im Vordergrund steht. Angesichts ihres hohen Anteils an Strom aus Wasserkraft und eines zunehmenden Klima-Bewusstseins könnte dies ihre Absatzchancen auf den EU-Märkten verbessern. Ein weiteres Thema ist der gegenseitige freie Marktzugang. Hier könnten Übergangsfristen nötig werden, da die Schweiz die in der EU bereits vollzogene letzte Stufe der Liberalisierung (freie Wahl des Stromlieferanten auch für kleinere Endverbraucher) erst fünf Jahre nach Inkraftsetzung des Stromversorgungsgesetzes einführen wird (mit fakultativem Referendum). Von wirtschaftlicher. Bedeutung ist aber vor allem der Zugang zu Grosskunden. Ein eher von der EU betontes, aber laut Steinmann am ersten Verhandlungstag noch gar nicht angesprochenes Verhandlungsthema sind Wettbewerbsregeln, zum Beispiel für die Förderung von erneuerbaren Energien. NZZ, 9. November 07, S. 27


Schweiz - Transitland für Mehrwertsteuer-Schwindler aus der EU

Organisierte Banden haben die EU-Staaten mit Steuerbetrugum bis zu 100 Milliarden Franken pro Jahr erleichtert. Die Schweiz diente als Zwischenlager, um die Spuren zu verwischen, nahm aber keinen Schaden. Jetzt scheinen sich die Karussell-Betrüger in Luft aufgelöst zu haben. In seiner simpelsten Form kassiert eine Firma einen Vorsteuerabzug für den Verkauf an eine Scheinfirma in einem anderen Land, die sich dann in Luft auflöst und die Mehrwertsteuer nicht abliefert. In hochentwickelten Betrügerringen werden die Güter in der EU, wo die Mehrwertsteuer erst im Bestimmungsland entrichtet werden muss, mehrmals im Kreis herumgeschickt, wodurch Millionengewinne entstehen können. Die Europäische Kommission schätzt, dass die Banden von den Mitgliedstaaten pro Jahr etwa 100 Milliarden Franken ergaunern.

Drittländer wie die Schweiz dienen vor allem dazu, die Spuren zu verwischen. Die Waren werden eingeführt, in ein ZoIllager gebracht und gleich wieder in ein EU-Land ausgeführt, ohne dass dafür Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Das Zwischenlagern in einem Drittland ist legal, und der Schweizer Fiskus nimmt dabei keinen Schaden. Bemerkbar macht sich der Karussell-Betrug nur in den Auftragsbüchern der Spediteure, welche die Ware über die Grenze und wieder zurück fahren. Die Banden verschieben wertvolle Güter mit geringem Volumen, dafür in grossen Mengen. In einer grossen deutsch-britischen Polizeioperation am Frankfurter Flughafen und nahe der Schweizer Grenze wurden im Sommer 2006 innerhalb von fünf Tagen 30 000 Mobiltelefone im Wert von 270 Millionen Franken beschlagnahmt.

Nach Angaben von Beat Gasser, Sektionschef in der Abteilung Strafsachen der Eidgenössischen Zollverwaltung, gibt es in der Schweiz bis jetzt keine Hinweise auf organisierten Karussell-Betrug. Die Behörden nahmen zwar auch schon Personen fest, die zum Beispiel für Schmuckstücke einen Vorsteuerabzug geltend gemacht haben und diese anschliessend illegal wieder in die Schweiz einführen wollten. Im Vergleich zu den Karussell-Betrugsringen, die das erbeutete Geld über verschiedene Kanäle in aller Welt waschen und von denen einige unter dem Einfluss der russischen Mafia stehen sollen, fällt das jedoch unter Kleinkriminalität. Die schweizerische Mehrwertsteuer, so Gasser, sei für die bisher bekannten Betrügereien nicht anfällig. Dies hätten Abklärungen der Zoll- und der Steuerverwaltung ergeben. Die Banden schrecke weniger der im Vergleich zu den EU- Staaten tiefe Steuersatz als die strengeren Vorschriften über Registrierung und Controlling ab.

Inzwischen ist der Karussell- Betrug praktisch zum Erliegen gebracht wordem. Dazu beigetragen habe einerseits eine Informationskampagne unter den Spediteuren, die meist gar nicht wussten, dass sie im Auftrag eines Betrugs-Karussells fuhren. Anderseits habe die Schweiz die EU-Staaten mit Informationen beliefert. 25 Ermittlungen seien auf Ersuchen Grossbritanniens, des am meisten betroffenen Landes, durchgeführt worden.

Die Amtshilfe im Zollwesen schliesst Zwangsmassnahmen aus. Die Zollverwaltung ist auf die Kooperation der Spediteure angewiesen. Die Anwendung von Zwangsmassnahmen auf Ersuchen eines EU-Staates ist nur auf dem Rechtshilfeweg möglich, was aber angesichts der kurzen Halbwertszeit von Scheinfirmen im Karussell-Geschäft meist zu langwierig ist. Kurzfristige Durchsuchungen auf dem Amtshilfeweg werden möglich sein, sobald das bilaterale Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EU ratifiziert und in Kraft ist. Manche EU-Mitglieder sind aber noch nicht so weit. Auch die Schweiz hat noch nicht ratifiziert, aber alle Vorbereitungen dazu getroffen.

Grossbritannien, das den Vertrag ratifiziert hat, ersuchte die Schweiz um eine bilaterale Inkraftsetzung, um den Karussell-Betrug effizienter bekämpfen zu können. In Bern hält man wenig von vorzeitigen Spezialregelungen, zumal das Abkommen auf Wunsch Brüssels zustande gekommen war. London möchte die Amtshilfe erweitern, weil man der Abnahme des Karussell-Betrugs in den Statistiken nicht traut. NZZ, 13. November 07, S. 151


EU-Fischerei schafft sich selbst ab

Harte Kritik hat die EU für die Festlegung ihrer Fangquoten für 2008 vom WWF geerntet. Wegen der anhaltenden Überfischung sind nach Berechnungen der Umweltorganisation rund 80 Prozent der Fischbestände in den europäischen Küstenregionen gefährdet. Grund hierfür seien zu hohe Fangquoten, eine zu grosse Fangflotte und ein mangelhaftes Fischereimanagement. Die rund 230’000 Arbeitsplätze im Fischereisektor seien ebenfalls gefährdet. Die auf zehn Jahre angelegte Gemeinsame Fischereipolitik der EU habe es nach fünf Jahren nicht geschafft, die Ausbeutung der Meere zu stoppen, kritisierte der WWF. So habe die EU die Quotenvorgaben des Internationalen Rates zur Erforschung der Meere (ICES) oftmals ignoriert. www.wwf.de/meere; www.ices.dk; DNR-Informationen, , November 07, S. 27


EU will weiter kanalisieren

Für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) der EU sollen 1’000 weitere Kilometer ausgebaut werden, um die Schifffahrt zu fördern. Grosse Teile der naturnahen Flusslandschaften und Auwälder würden hierdurch zerstört werden, warnten europäische Umweltverbände. Neben Donaugebieten, die nicht zur EU gehören und somit nicht unter EU-Naturschutzrichtlinien fallen, seien auch Abschnitte in Deutschland und Ungarn betroffen. Details zu bevorstehenden Baumassnahmen seien noch nicht veröffentlicht worden. Umweltverbände in den Donaustaaten sammeln Unterschriften für eine Petition zum Schutz der Donau. Donauschutzkommission: www.icpdr.org ; Petition: www.danubecampaign.org/de , DNR-Informationen, November 07, S. 27


Mehr Genmais in der EU

In der Europäischen Union wird immer mehr gentechnisch veränderter Mais angebaut. Nach Angaben des Informationsdienstes TransGen ist in diesem Jahr Genmais in Spanien, Frankreich, Tschechien, Portugal und Deutschland auf etwa 110’000 Hektar Fläche gesät worden. Vergangenes Jahr seien es 62’000 Hektar gewesen - etwa ein Prozent der Maisanbaufläche der EU. Genveränderter Mais werde in der EU derzeit ausschliesslich in den fünf genannten Ländern angebaut. Rechtlich erlaubt sei der Anbau in der gesamten EU. Spanien ist TransGen zufolge Spitzenreiter mit einem Anstieg von 40 Prozent in der Anbausaison 2007. In dem Land wachse auf über 75000 Hektar genmanipulierter Bt-Mais. Das entspreche einem Viertel der nationalen Maiserzeugung. In Deutschland betrage die Fläche dagegen nur 2650 Hektar. In der EU wird laut TransGen ausschliesslich Bt-Mais gepflanzt, der einen Wirkstoff gegen den Maiszünsler produziert. Der Mais werde als Futtermittel oder Energiepflanze verwertet. Wo der Maiszünsler, dessen Raupen sich durch den Stängel der Pflanzen bohren, besonders viel Ernte zerstöre, seien Landwirte sehr am Anbau von Bt-Mais interessiert, schreibt der von der Biotech-lndustrie finanzierte Infodienst. Kritiker lehnen die Sorte ab, weil gentechnikfreie Nachbarfelder verunreinigt werden könnten. TransGen, Aachen, www.transgen.de; DNR-Informationen , November 07, S. 17


EU-Programme für Bildung und Jugend

Die 1967 gegründete Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit (CH -Stiftung) ist eine interkantonale Organisation aller 26 Kantone, welche vom Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) den Auftrag zur Betreuung der europäischen Bildungs- und Jugendprogramme erhielt. Diese stellen ein weiteres Standbein für die Teilnahme der Schweiz an den Bildungs-, Berufsbildungs- und Jugendprogrammen der EU dar. Die CH-Stiftung hatte ihr Angebot in Zusammenarbeit mit der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten erarbeitet, deren Informations- und Koordinationsstelle «Erasmus Schweiz» sie betreut.

Das Programm «Lebenslanges Lernen» hat vier Teilprogramme: Schulbildung, Hochschulbildung («Erasmus»), berufliche Aus- und Weiterbildung sowie Erwachsenenbildung. «Jugend in Aktion» umfasst mehrere Projekte; Stichworte sind etwa Begegnung, Initiativen, partizipative Demokratie, der europäische Freiwilligendienst oder die Zusammenarbeit mit Nachbarländern.

Voraussetzung für die Schweizer Teilnahme an den Programmen ist der Abschluss eines bilateralen Abkommens mit der EU. Für die Umsetzung müssen alle beteiligte~ Länder eine von der Staatsverwaltung unabhängige Agentur bezeichnen. Das Schweizer Verhandlungsmandat wurde vom Bundesrat im Februar 07 verabschiedet; es ist geplant, dass die Verhandlungen noch im Jahr 07 beginnen. Ziel ist es, beim Parlament die erforderlichen Mittel 2008 zu beantragen und die Schweizer Teilnahme ab Anfang 2009 zu ermöglichen. Für alle Programme sind Bundesbeiträge von 130 Millionen Franken für vier Jahre vorgesehen, davon entfallen rund 27 Millionen Franken auf die Agentur. Sie wird ihre Arbeit nach dem Abschluss der Verhandlungen und dem Finanzierungsbeschluss auf der Basis einer Leistungsvereinnbarung mit dem SBF aufnehmen können. NZZ, 15. November 07, S. 16


Zwischen Völkerrecht und Volkswillen

Kommission diskutiert über strengere Regeln für Initiativen

Die Verwahrungsinitiative hat gezeigt, wie schwierig der Umgang mit völkerrechtswidrigen Volksinitiativen ist. Eine Parlamentskommission will nun prüfen, ob solche Begehren künftig für ungültig erklärt werden können. Das Vorhaben hat allerdings einen schweren Stand.

Im November befasste sich die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates mit einem Thema, das in der zu Ende gehenden Legislatur wiederholt für heftige Auseinandersetzungen gesorgt hat. Es geht um die Frage, wie mit völkerrechtlich problematischen Volksinitiativen zu verfahren ist. Politisch brisant wurde die lange Zeit bloss abstrakt geführte Diskussion mit der Verwahrungsinitiative, die nach überwiegender Auffassung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstösst. Nach langem Hin und Her will das Parlament das Begehren nun zwar umsetzen - allerdings nur mit deutlichen Abstrichen, damit die EMRK eingehalten werden kann. Der Fall scheint damit gelöst, das eigentliche Problem ist es aber noch nicht: Mit der Einbürgerungs- und der Minarett-Initiative sind nämlich bereits ähnlich gelagerte «Problemfälle» unterwegs.

Es verträgt sich schlecht mit der direkten Demokratie, ein Volksbegehren zur Abstimmung zuzulassen, seinem Anliegen anschliessend aber nicht zu entsprechen. Damit stellt sich die Frage, ob man völkerrechtswidrige Initiativen künftig besser von vorneherein für ungültig erklärt. Zu diesem Zweck müssten aber die Gültigkeitsvoraussetzungen verschärft werden. Denn heute können einzig Initiativen, die gegen zwingendes Völkerrecht (Normen von elementarer Bedeutung wie das Folter- oder das Refoulement-Verbot) verstossen, der Abstimmung entzogen werden; die EMRK zählt nicht a priori dazu.

Bei Kollisionen von Initiativen mit «einfachem» Völkerrecht obliegt es den politischen Behörden, Volkswillen und Völkerrecht miteinander in Einklang zu bringen. Gemäss heutiger Praxis steht dabei die völkerrechtskonforme Auslegung des Initiativtextes im Vordergrund. Lässt sich auf diesem Weg keine Vereinbarkeit 'herstellen, muss der Widerspruch zwischen Initiative und internationalem Recht auf anderem Weg behoben werden, wenn gar nicht anders möglich durch eine Änderung oder Kündigung des fraglichen Staatsvertrags. Handelt es sich um ein fundamental wichtiges Abkommen, hätte dies für die Schweiz allerdings schwerwiegende Konsequenzen: Sie müsste sich völkerrechtlich verantworten, mit grossen wirtschaftlichen oder politischen Nachteilen rechnen oder einen empfindlichen Reputationsschaden hinnehmen.

Wie der Fall der Verwahrungsinitiative zeigt, sind Bundesrat und Parlament offenkundig nicht gewillt, es so weit kommen zu lassen. Die EMRK zu künden, wurde während der Debatte von keiner Seite ernsthaft gefordert. Justizminister Christoph Blocher, der für seine kritische Einstellung gegenüber dem Völkerrecht bekannt ist, anerkannte, dass die Vorgaben der EMRK einzuhalten seien. Und auch die SVP, die sich die Verteidigung des Landesrechts auf die Fahnen geschrieben hat, trat nicht für die Kündigung der EMRK ein, wie sie es eigentlich konsequenterweise hätte tun müssen. Mit anderen Worten: Selbst die schärfsten Völkerrechts-Kritiker sind der Auffassung, dass bedeutende Staatsverträge einer widersprechenden Volksinitiative vorzugehen haben. Deshalb läge eigentlich der Schluss nahe, diese neuen Regeln transparent zu machen, wie sich die SPK das vornehmen will.

Die in unversöhnlichem Ton geführten Parlamentsdebatten zur Verwahrungs- und zur Einbürgerungsinitiative lassen indes annehmen, dass die Sache alles andere als einfach sein wird. So stellt sich die SVP apodiktisch gegen jegliche Einschränkung des Initiativrechts. Der Willkür des Parlaments werde durch neue Ungültigkeitsgründe Tür und Tor geöffnet, meint Fraktionschef Caspar Baader (Basel-Landschaft) auf Anfrage. Die Linke wiederum, allen voran SPK-Präsiderit Andreas Gross (sp., Zürich), ist überzeugt, dass es eine Neuregelung braucht und Initiativen namentlich nur so weit zuzulassen sind; als sie nicht gegen völkerrechtlich verankerte Grundrechte verstossen. Gross kann dabei auf Mitstreiter aus der politischen Mitte zählen, unter anderem auf Gerhard Pfister (cvp.,Zug), Vizepräsident der SPK. Auch wenn sich Gross und Pfister im Grundsatz einig sind, dass die Ungültigkeitsgründe überdacht werden müssen, gehen ihre Meinungen in wichtigen Punkten auseinander. Zum Streitfall unter den Befürwortern dürfte laut Pfister namentlich die Frage werden, ob die Gültigkeit einer Initiative weiterhin vom Parlament oder künftig vom Bundesgericht beurteilt werden soll. Je anspruchsvoller und komplexer die rechtliche Prüfung wird, desto schwieriger ist es nämlich für die Bundesversammlung als politische Behörde, dieser Aufgabe nachzukommen. Die Linke erachtet deshalb die Einführung einer richterlichen Kontrolle als dringend - eine Forderung, die in bürgerlichen Kreisen wiederum nur auf wenig Gegenliebe stösst. Unter diesen Umständen ist sehr wohl denkbar, dass die Kommission zur Einsicht gelangen wird, dass die heutigen Schwierigkeiten mit völkerrechtswidrigen Initiativen letztlich das kleinere Übel sind als eine Neuregelung. (NZZ, 21. November 07, S. 15).

Kommentar der NZZ:

Bei der Debatte über den Umgang mit völkerrechtswidrigen Volksinitiativen geht es im Wesentlichen darum, wie Kollisionen mit der EMRK, der Europäischen Menschenrechtskonvention, vermieden werden können. Die eine Auffassung geht dahin, dass die Bundesversammlung mit einer Praxisänderung den in der Verfassung statuierten Begriff des zwingenden Völkerrechts derart ausdehnen könnte, dass auch Verstösse gegen die EMRK abgedeckt wären und widersprechende Initiativen fortan ungültig erklärt werden könnten. Dieser Lösung neigt Staatsrechtsprofessor Yvo Hangartner zu, der nächste Woche vor der Staatspolitischen Kommission aulftreten wird. Wie Hangartner gegenüber der NZZ erläutert, möchte er den Kreis der vorrangigen Völkerrechtsnormen nicht nur auf die EMRK, sondern auch auf das faktisch zwingende Völkerrecht - wie die WTO - ausdehnen. Von einer expliziten Regelung der strengeren Gültigkeitsvoraussetzungen in der Verfassung rät er ab; der Weg über eine Praxisänderung sei pragmatischer. Allerdings bestehe dabei die Gefahr, dass sich die Bundesversammlung willkürlich verhalte und je nach Initiativbegehren aufgrund politischer statt rechtlicher Kriterien entscheide.

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