Eine Handstreichtruppe für die Europäische Union Für kurzfristig angeordnete «autonome Operationen» der Europäischen Union haben Frankreich, Grossbritannien und Deutschland ein Projekt zur Bildung «taktischer Kampfgruppen» in Stärke von jeweils ungefähr 1500 Mann ausgearbeitet und dem Politik- und Sicherheitsausschuss der EU unterbreitet. Es handelt sich um einen Vorgriff auf das Prinzip einer «strukturierten Zusammenarbeit» einer Avantgarde von EU- Mitgliedstaaten, wie sie im noch nicht verabschiedeten Entwurf einer europäischen Verfassung enthalten ist.
Als Leitbild für das ursprünglich anglo-französische Projekt diente offensichtlich die letztjährige EU-Operation Artemis in Buna in Ostkongo. Deshalb war zunächst vor allem Afrika als Einsatzgebiet einer rasch verfügbaren «taktischen Kampfgruppe» der beiden Partner der Entente cordiale vorgesehen. Angestrebt wurde nach Möglichkeit ein Einsatz nicht ohne Uno-Mandat, doch scheint dies nicht zur absoluten Vorbedingung erhoben worden zu sein. Rasche Verlegbarkeit und schnelle Verfügbarkeit sollen die Hauptmerkmale dieser für Handstreiche geeigneten Kampfgruppen darstellen. Innerhalb von weniger als fünfzehn Tagen soll ein solches Kontingent von 1500 Mann Kampftruppen mit leichten Panzerfahrzeugen in ein Operationsgebiet transportiert werden können und dort für Einsätze zwischen einem bis vier Monaten befähigt sein. Gedacht ist, insgesamt etwa sieben bis neun solcher Kampfgruppen bereitzustellen, wobei offen gelassen wird, ob ein einzelnes Kontingent national homogen zusammengesetzt sein oder von mehreren Staaten gemeinsam gebildet wird.
Die drei Pionierstaaten sehen ausdrücklich eine Hinzuziehung weiterer kooperationswilliger EU- Mitglieder als Truppensteller vor. Das ganze Projekt figuriert unter dem Dach der EU-Eingreiftruppe von 60 000 Mann, die auf dem Papier seit Ende 03 als bereitgestellt gilt. Im Unterschied zu diesem recht schwerfälligen Truppenkonglomerat sollen die Kampfgruppen, ähnlich wie die Kontingente der Nato Response Force, rasch verfügbar sein. Die Kontingente der EU-Handstreichtruppe dürften überdies grösstenteils identisch mit den der Nato-Einsatztruppe zugeteilten Truppen sein; auf jeden Fall ist ihre Aufstellung in voller Komplementarität zur atlantischen Allianz vorgesehen. Die Europäer würden also mit diesem Projekt keinerlei zusätzliche Militärstärke entwickeln, sondern einen Beitrag zu erhöhter Einsatzbereitschaft verfügbarer Truppenkontingente durch Reorganisierung leisten. NZZ, 12. Februar 04, S. 3
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Eldorado für Dolmetscher In der erweiterten EU wird der Gemeinschaftshaushalt jährlich rund 900 Millionen Euro für Übersetzungsdienste ausgeben. Dies hat der Sprachendienst der EUKommission am Dienstag den Medien vorgerechnet. Der EU-Dolmetscherdienst betreut täglich zwischen 50 und 60 Sitzungen in und ausserhalb von Brüssel. Jeden Tag sorgen zwischen 700 und 800 Übersetzer in Dolmetscherkabinen für die sprachliche Verständigung zwischen den Vertretern aus bald 25 Ländern. Zurzeit beschäftigt die EU neben 450 beamteten noch gut 500 freischaffende Dolmetscher. Der Sprachendienst geht davon aus, dass es im Mittel 20 zusätzliche Fachkräfte pro neue Sprache braucht. Das volle Sprachenregime, das heisst die Übersetzung jeder EU- Sprache in jede andere, wird in der Regel nur bei Ministertreffen geboten. Bei 20 Sprachen verlangt dies ein Aufgebot von mindestens 60 Dolmetschern und die Vermittlung teilweise über "Brückensprachen", also beispielsweise vom Griechischen ins Englische und von dort ins Finnische. Was dabei vom Original noch übrigbleibt, das wissen die Götter. Weniger Dolmetscher verlangt das asymmetrische Sprachenregime: Jeder kann sich zwar in seiner eigenen Sprache ausdrücken, aber übersetzt wird nur noch beispielsweise ins Englische, Deutsche und Französische.
In der erweiterten EU müssen auch mehr Schriftstücke übersetzt werden. Die Kommission geht davon aus, dass sich die Zahl der zu übersetzenden Seiten von jetzt knapp 1,5 Millionen pro Jahr bis 2005 auf rund 2,4 Millionen erhöhen wird. Nach Angaben der Kommission übersetzt eine gelernte Fachkraft rund 1300 Seiten pro Jahr. Derzeit beschäftigt die Kommission 1300 Übersetzer, und sie rechnet mit zusätzlichen 60 Stellen pro neue Sprache. Zu den bestehenden kommen am 1. Mai 04 10 neue: Polnisch, Ungarisch, Lettisch, Estnisch, Litauisch, Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch und Maltesisch. Der Sprachendienst, so bestätigt die Kommission, ist auch für Übersetzungen ins Türkische gerüstet.
Auch im schriftlichen Verkehr versucht die Kommission, durch die aktive Förderung der Fremdsprachenkenntnisse ihrer Mitarbeiter die Übersetzungskosten zu senken. Vorlagen für die Kommissionssitzungen werden lediglich in den Arbeitssprachen Englisch, Französisch und Deutsch vorgelegt. Die zunehmende Verbreitung des Englischen in der Kommissionsverwaltung führt sehr zur Frustration der Franzosen - auch dazu, dass oft die Dokumente schon in dieser Sprache verfasst werden und deshalb auch zuerst in der Version der modernen «Lingua franca» im Presseraum aufliegen. Nachdem von den Kandidaten für EU-Stellen aus den neuen Mitgliedstaaten rund 70 Prozent Englisch, 18 Prozent Deutsch und bloss 16 Prozent Französisch als ihre Hauptfremdsprache angegeben haben, ist mit einer Fortsetzung der «Anglifizierung» in der EU zu rechnen. NZZ, 18. Februar 04, S. 2.
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Zoll auf Reimporten - Brüsseler Nacht- und Nebelaktion In der Bundesverwaltung und vor allem auch in der Schweizer Wirtschaft herrschte eine gewisse Irritation, als durchsickerte, dass das EU-Ursprungskomitee, ein Organ, in dem die Mitgliedstaaten der Union und die Europäische Kommission vertreten sind, kürzlich beschlossen hat, dass ab 1. März 04 keine zollfreien Reexporte in die EU mehr möglich sein werden. Unklar ist zurzeit noch, ob dieser Entscheid nur die Schweiz oder sämtliche EFTA- Staaten betrifft. Aufhorchen lässt er in jedem Fall, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens ist zwischen der EU und den EFTA-Ländern seit 1973 ein Freihandelsabkommen in Kraft, und bis anhin galt in der Praxis die Zollfreiheit auch für Güter, die aus einem EU-Land in die Schweiz importiert und - aus welchen Gründen auch immer- unbearbeitet wieder in den EU-Raum ausgeführt, eben reexportiert werden. In Brüssel wird nun aber plötzlich formaljuristisch argumentiert und betont, das Freihandelsabkommen von 1972 sage klar aus, dass nur Lieferungen von der EU in die Efta bzw. von der Efta in die EU zollfrei seien, nicht aber Lieferungen von der EU in die EFTA-Staaten und wieder zurück in die Union. Dies mag vielleicht dem Buchstaben nach zutreffen, scheint aber zumindest gegen Sinn und Geist des Freihandelsabkommens zu verstossen.
Zweitens war es bis anhin nicht Usanz, dass mit Blick auf das Freihandelsabkommen von einer Seite weitreichende Beschlüsse gefasst werden, ohne die andere Vertragsseite zuvor zu informieren und zu konsultieren. Auch im vorliegenden Fall hätte es genügend offizielle Kanäle gegeben, um die Schweiz bzw. die EFTA vor der Beschlussfassung zu kontaktieren. Drittens schliesslich fällt die überaus knappe Frist bis zur Umsetzung des vom Ursprungskomitee gefällten Entscheids auf. Die beeindruckende Eile Brüssels könnte ganz besonders Schweizer Firmen der Maschinen- und Textilindustrie hart treffen, bei denen Reexporte ins Gewicht fallen. Angesichts des EU-Aussenzolls von etwa 3% bei Maschinen und rund 8% bei Textilien dürfte der Zollbetrag selbst bei kleineren Unternehmen jährlich mehrere hunderttausend Franken erreichen.
Auf offiziellem Wege hat die Schweiz vorerst keine Mitteilung aus Brüssel erhalten. Gleichwohl blieb die Bundesverwaltung nicht untätig. Wie der Delegierte für Handelsverträge, Botschafter Luzius Wasescha, auf Anfrage erklärte, hatte er direkt Kontakt mit den zuständigen Stellen bei der EU aufgenommen. NZZ. 18. Februar 04, S. 21
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Die EU-Kommission will biometrische Daten in Pässen Europäische Reisepässe sollten nach Vorstellung der EU-Kommission mit biometrischen Angaben ausgestattet werden. Die Kommission schlug am 18. Februar 04 vor, verbindlich biometrische Daten zum Passbild aufzunehmen, also verschlüsselte Angaben zu Gesichtsmerkmalen. Ob auch Fingerabdrücke vorgeschrieben werden, sollen die einzelnen EU-Staaten selbst entscheiden. Die Vorschläge für biometrische Angaben in Pässen ergänzen Pläne der EU, Visa und Aufenthaltsgenehmigungen von Ausländern mit solchen Merkmalen auszustatten. NZZ, 19. Februar 2004, S. 5
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