Von der EU-Kommission in die Chefetagen von Multis Einer von drei (9 von 26) EU-Kommissaren, welche die Kommission 2014 verliessen, kamen nach ihrem Austritt nahtlos bei Multis oder Multi-Organisationen unter. Dieses Phänomen, auch „Drehtür“ genannt, führt zu Befürchtungen bezüglich ungesund naher Verbindungen zwischen der EU-Kommission und den privaten Interessen von Multis. Zum Thema wurde im Oktober 2015 ein Bericht von der Multi-kritischen NGO „Corporate Europe Observatory“ veröffentlicht (s. http://www.corporateeurope.org/revolving-doors/2015/10/revolving-doors-spin-again). Der Bericht weist darauf hin, dass der bestehende Verhaltenskodex für EU-Kommissare ungenügend ist. Wenigstens 8 der Übertritte hätte wegen des Risikos von Interessenkonflikten die Erlaubnis verweigert werden sollen. Es folgen ein paar Beispiele:
1) Viviane Reding (Luxembourg), Ex-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Unions-Bürgerschaft (2010-2014); Information, Gesellschaft und Medien (2004-2010); Erziehung und Kultur (1999-2004) und nun EU-Parlamentariern, wechselte in die Verwaltungsräte der Minen-Gesellschaft Nyrstar, der Agfa Gevaert und der Bertelsmann Stiftung - letztere hat starke Bindungen zum globalen Mediangiganten mit demselben Namen)
2) Karel De Gucht (Belgien), Ex-Kommissar für Handel (2010-2014); Entwicklung und humanitäre Belange (2009-2010), wechselte in den Verwaltungsrat von Belgacom (Proximus); Merit Capital NV; CVC Partners; und übernahm weitere Mandate
3) Neelie Kroes (Niederlande), Ex-Kommissarin für die Digitale Agenda (2010-2014) und Wettbewerb (2004-2010), erhielt ein Beratungsmandat für die Bank of America Merrill Lynch; ist Verwaltungsrätin des Open Data Institute und nahm weitere Mandate an.
4) Siim Kallas (Estland), Ex-Kommissar für Transport (2010-2014); für Verwaltungsangelegenheiten, Audits und Anti-Korruption (2004-2010); für Wirtschafts- und Finanz-Angelegenheiten (2004-2004) wurde Berater für Nortal (seither beendet); Berater für Kommissar Dombrovskis; Vorsitzender der Unabhängigen Experten für Europäische Struktur- und Investmentfonds, und übernahm weitere Mandate
5) José Manuel Barroso (Portugal), Ex-Kommissionspräsident (2004-2014), hat 22 Mandate und ist Mitglied der Steuerungsgruppe der Bilderberg Konferenz sowie Honorarvorsitzender des Honorarkommittes des European Business Summit.
Das Drehtür-Phänomen ist allerdings nicht neu. 2011 hatten Corporate Europe Observatory, LobbyControl, und andere Gruppierungen mittels der Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation (ALTER-EU) besser Regeln für den Übergang von der Kommission in die Wirtschaft verlangt. Die Barroso II Kommission antwortete, die überarbeiteten diesbezüglichen EU-Regeln würden “die beste Praxis in Europa und der Welt” reflektieren. Die neueste Analyse der Verhaltens der Ex-Mitglieder der Kommission zeigt aber, dass die Drehtür-Regeln der EU unangemessen sind und zu milde umgesetzt werden. 28. Oktober 2015. Siehe auch „Brüsseler Drehtür“ im Le Monde diplimatique, September 2015, S. 16 (http://monde-diplomatique.de/artikel/!5228367), sowie „Anleitung für Lobbyisten (ebenda, S. 17, http://monde-diplomatique.de/artikel/!5228372).
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Die Eurozone ist das Ende der Demokratie In einem lesenswerten Interview des Tagesanzeigers mit Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der deutschen Partei Die Linke, mit dem Tagesanzeiger (11. September 2015), erweist sich diese als Anhängerin der Direkten Demokratie. Auf die Frage „Würden Sie sich die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild auch für Deutschland wünschen?“ gibt sie zur Antwort: „Unbedingt. Das ist doch ein progressives Instrument, selbst wenn einem im Detail dann nicht alle Entscheide gefallen, die so zustande kommen. Ein System, in dem Menschen über das, was sie direkt angeht, auch direkt entscheiden können, halte ich für dem reinen Parlamentarismus weit überlegen. Es gibt mit ¬Sicherheit Themen, die in einem europäischen Rahmen geregelt werden müssen. So viel wie möglich sollte aber in den Demokratien der Staaten geregelt werden, denn nur hier gibt es noch eine gewisse Rechenschaftspflicht und demokratische Kontrolle der politischen Entscheidungsträger.“
Tagesanzeiger: „Mit Ihrer populistischen Kritik am Euro und an Europa nähern Sie sich von links den Positionen der Rechtspopulisten an, die schon länger zurück zum Nationalstaat und zu den alten Währungen wollen. Wie behagt Ihnen das?“
Wagenknecht: „Es geht mir nicht darum, Vorschläge zu machen, die populär sind, sondern darum, das Richtige vorzuschlagen. Rechtspopulisten haben ganz andere Ziele, da geht es nicht um die Wiederherstellung der Demokratie, sondern um nationalistische Ressentiments bis hin ins Rassistische. Gerade deshalb wäre es absurd, diesen Gruppierungen die berechtigte Kritik an der heutigen EU zu überlassen.“
Tagesanzeiger „Weil die EU Ihre sozialstaatlichen Paradiesvorstellungen nicht teilt oder finanziert, wollen Sie zurück zum Nationalstaat?“
Wagenknecht: „Der Wohlfahrtsstaat ist historisch im Rahmen des Nationalstaats entstanden, und das ist kein Zufall. Soziale Rechte werden in einzelnen Ländern erkämpft, nicht in Europa, wo die Bedingungen viel zu heterogen sind. Schon der Ökonom Friedrich von Hayek wusste, dass die Kompetenzverlagerung auf die europäische Ebene tendenziell zum Abbau solcher Rechte und Regeln führen wird. Er hat das im Interesse einer Schwächung des Sozialstaats befürwortet. Genau so hat es in der EU dann auch funktioniert.“
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