Bundesrat für Benachteilung Schweizer Unternehmen und gegen staatliche Qualitätsaufsicht bei Produkten Der Bundesrat hat am Mittwoch im Rahmen einer Aussprache über verschiedene parlamentarische Vorstösse entschieden, das in der EG zwischen den Mitgliedstaaten geltende «Cassis de Dijon»-Prinzip künftig auch auf den Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EG anzuwenden, wie Aymo Brunetti, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Volkswirtschaftsdepartement, am Mittwoch erklärte. Der Entscheid sei im Zusammenhang mit der Strategie zu sehen, die (angebliche) Wachstumsschwäche der Schweiz durch eine Intensivierung des Wettbewerbs zu beheben. Von der Zulassung der Importkonkurrenz profitierten nämlich nicht nur die Konsumenten, sondern die gesamte Wirtschaft, auch der Exportsektor. Als Beispiel nannte Brunetti die Tourismusbranche, die so günstiger einkaufen könne und damit konkurrenzfähiger werde. Unerwähnt liess Brunetti, dass die einseitige Anerkennung des Cassis de Dijon-Prinzips jenen Teil der Exportindustrie benachteiligen würde, welche materielle Waren in die EU liefert.
Was die Einführung des "Cassis de Dijon"-Prinzips für die Schweiz bezüglich Senkung des Preisniveaus in Zahlen bedeutet, konnte Brunetti nicht veranschlagen. Es gehe aber um Milliarden. Das "Cassis de Dijom"-Prinzip geht auf einen Entscheid des EU-Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahre 1979 über die Vermarktung des gleichnamigen französischen Likörs in Deutschland zurück. Es besagt, dass aus einem anderen Mitgliedstaat importierte Produkte, die nach den nationalen Vorschriften des Exportlandes hergestellt wurden, grundsätzlich überall in der EU in Verkehr gesetzt werden dürfen. Beschränkungen sind nur zulässig, soweit sie aus übergeordneten öffentlichen Interessen - etwa dem Schutz der Gesundheit - erforderlich sind. Die bisherige Strategie der Schweiz zielte darauf ab, Handelshemmnisse durch eine Harmonisierung der Vorschriften mit jenen der EG abzubauen.
Auch in Zukunft sollen weiterhin Lösungen gesucht werden, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Dies sei besonders in jenen Bereichen von zentraler Bedeutung, für welche die EG eine Konformitätsbewertung der Produkte durch eine unabhängige Drittstelle oder eine behördliche Zulassung vorschreibt, erklärt das Volkswirtschaftsdepartement. Ein Verfahren auf gegenseitiger Anerkennung sei aber nicht überall möglich, da in der EU nicht überall harmonisierte Produktevorschriften vorliegen. Die Zulassung von in einem EG-Staat angebotenen Produkten auch in der Schweiz werde die ohnehin in Bewegung geratene Detailhandelsbranche weiter "beleben". Laut dem Volkswirtschaftsdepartement sind aber auch Bauprodukte von den geplanten Änderungen betroffen. Es geht aber auch um Artikel, für die auch die EU selbst noch keine harmonisierten Vorschriften kennt, etwa Fahrräder, Alarmanlagen oder Textilien. Auch weiterhin sollen aber Massnahmen zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt oder der Konsumenten vorbehalten bleiben, sofern diese im schweizerischen Recht vorgesehen sind.
Der Bundesrat wird nun eine Vernehmlassungsvorlage zur Änderung des Gesetzes über die technischen Handelshemmnisse ausarbeiten. Das Volkswirtschaftsdepartement machte keine Angaben darüber, wann damit zu rechnen ist. Zu rechnen ist aber mit Widerstand gegen die einseitige Einführung des «Cassis de Dijon»-Prinzips durch die Schweiz. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip war ein wesentlicher Grund für die Skepsis etlicher Umweltverbände dem EWR gegenüber. NZZ, 6.Mail 2005
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Schwedens Regierungspartei im Streit über EU-Verfassungsabstimmung Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Schwedens haben eine neue Initiative gestartet, um die Partei zu zwingen, ein Referendum über die EU-Verfassung abhalten zu lassen. Die neue Initiative berief sich auf einen selten verwendeten Artikel in den Parteistatuten, der seit 1922 nicht mehr in Anspruch genommen wurde. Er erlaubt es 5% der Parteimitglieder, ein innerparteiliches Referendum zu verlangen. Dies bedeutet, dass 7,000 Parteimitglieder die Petition unterschreiben müssen. Die Mehrheit des schwedischen Parlamentes ist gegen die Abhaltung einer Volkasabstimmung. 03. Mai 2005, Lisbeth Kirk, EUobserver.com
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Dublin will EU-Referenden abschaffen Die irische Regierung will die Verfassung Irlands so verändern, dass künftig Veränderungen des EU-Rechts mit Auswirkungen auf das irische Verfassungsrecht ohne Rererendum möglich sind (Irish Times, 6. Mai 05). Bis heute hatte Iralnd mehrere Referenden über EU-Verträge - Beitrittsvertrag von 1972, Einheitsakte, Vertrag von Maastricht und Amsterdamervertrag. 2001 verwarf Irland den Nizza-Vertrag. Nach nochmaliger Abstimmung wurde der Vertrag dann angenommen.
Anlässlich der Abstimmung über die EU-Verfassung will sich die irische Regierung das Recht geben lassen, bei durch die EU initiierten Verfassungsänderungen nur noch das Parlament konsultieren zu müssen. Damit könnte die Irische Regierung das nationale Veto aufgeben und die Praktik der Mehrheitsabstimmungen in Gebieten wie der Aussen- und Sicherheitspolitik, der EU-Finanzpolitik, der Sozialpolitik, der Umwelt- und Familienpolitik übernehmen. 06. Mai 2005, Honor Mahony, EUobserver.com
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EU-Verfassung bringt Verdoppelung des Rüstungsbudgets In der EU-Verfassung ist eine Aufrüstungspflicht für alle EU-Mitgliedsstaaten enthalten. (Art. I-41) Bezahlte Schönfärber stellen diesen Rüstungskurs als problemlos dar, weil damit Einsparungen und "Effizienzsteigerung" verbunden sei. Der ehemalige österreichische Verteidigungsminister Werner Fasslabend ließ jedoch jüngst in der deutschen Militärzeitschrift "Wehrtechnik" die Bombe platzen. Das österreichische Landesverteidigungsbudget werde sich "langsam aber sicher dem europäischen Durchschnitt annähern" (Wehrtechnik IV/2004). Für Österreich bedeutet dies eine Verdoppelung des Verteidigungsbudgets von 1% auf 2% des Bruttoinlandsprodukts. Beim EU-Gipfel im März 05 wurde auch beschlossen, daß spezielle Rüstungsvorhaben aus den Defizitkriterien des Euro-Stabilitätspakts ausgenommen werden sollen. Während für die Stabilität des Euro bei Sozial- und Gesundheitsausgaben gnadenlos der Rotstift angesetzt wurde und wird, werden Milliarden für Aufrüstungsprogramme locker gemacht. Das österreichiche Establishment will da mit vorne dabei sein. Faßlabend in Wehrtechnick IV/2004: "Der europäische Zug fährt mit Sicherheit schneller, als das in der Vergangenheit der Fall war und es gilt, auf diesen Zug nicht mit aufzuspringen sondern möglicherweise in der Lokomotive mit vorne dabei zu sein"
Das EU-Parlament hat jüngst auch weitere 7,6 Mio Euro an Steuergeldern für weitere "Informationsmaßnahmen" zur Verfügung gestellt. Früher nannte man das einfach Propaganda. Mehrseitige Beilagen in Zeitungen werden mit unseren Steuergeldern finanziert, um den EU-"Bürgern" die Vorteile von Aufrüstung und Entdemokratisierung schmackhaft zu machen. Sie erscheinen nicht als bezahlte Anzeigen, sondern als angeblich objektive redaktionelle Beiträge. Der Redakteur der österreichischen EU-kritischen Zeitung "guernica" Gerald Oberansmayr dazu: "Objektive, EU-kritische Information ist heute nur noch durch die Unterstützung vieler einzelner möglich. Von oben her wird da alles abgedreht.!" 6. Mai 2005, Werkstatt Frieden & Solidarität, Waltherstr. 15, 4020 Linz
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EU-Landwirtschaft wegen Bodenverschlechterung gefährdet Viele europäische Böden verlieren so an Qualität, dass künftig die Landwirtschaft Produktionsprobleme erwarten dürfte - vor allem in den neuen EU-Mitgliedstaaten. Diese Forschungsresultate wurden im neuen Bodenatlas Europas veröfffentlicht. Mehr als 16% der EU-Böden sind durch Bodenverschlechterung bedroht. In Zentral- und Osteuropa ist mehr als ein Drittel der Böden betroffen, wie die Financial Times berichtet. Experten erklären die Bodenqualitätsverluste durch den Klimawandel, die übermässige Verwendung von Düngern, Pestiziden und die Verdichtung durch schwere Landwirtschaftsgeräte. Der Anteil an organischer Masse - ein Indikator für die Bodenfruchtbarkeit - sinkt in den Böden Europas. 03. Mai 2005 - Lucia Kubosova, EUobersver.com
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EU-Spesenskandal Jedes Jahr kassieren die 732 Abgeordneten des EU-Parlaments 60 Millionen Euro mehr an Steuergeldern für Pauschalen und Vergünstigungen als es ihren tatsächlichen Kosten und Aufwendungen entspricht. Zusätzlich zu ihrem Parlamentariergehalt aus dem jeweiligen EU-Mitgliedsstaat verschaffen sie sich damit mehrere geheime Zusatzeinkommen. So kann jeder EU-Parlamentarier mehr verdienen als der Regierungschef in seinem Heimatland. Dies widerspricht der real erbrachten Arbeitsleistung und führt dazu, dass sich EU-Abgeordnete an ihr Mandat klammern und oft auch bereit sind, vieles zu tun, das nicht im Wählerinteresse sein kann. Eine Reform des Spesensystems wird immer wieder versprochen, doch ohne öffentlichen Druck kommt es nicht dazu. (Mai 05, http://www.eti.info/)
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SPS Demokratie-Verständnis Laut SP-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat zeige die Abstimmung in Frankreich, dass der europäische Integrationsprozess demokratisch verlaufe. NZZ, 31. Mai 05. S. 13
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Die EU als Ersatzideal für eine depressive Linke Im Le Monde Diplomatique vom Mai 05 erschien ein lesenswerter Artikel von Anne-Cécile Robert zum Thema "Linke und EU" (auch zu finden unter http://www.taz.de/pt/2005/05/13.nf/mondeText.artikel,a0036.idx,7). Ein paar Zitate:
Dass die Linken der Europaidee so verfallen sind, erklärt sich - so meinte noch der 2003 verstorbene Pierre Bourdieu - aus dem fortschreitenden Verlust ihrer 'Abwehrkräfte'. Dies wiederum ist offenbar das Resultat einer doppelten Entwicklung: eines Wandels zum Wirtschaftsliberalismus seit den 1980er-Jahren und einer grundsätzlichen politischen Orientierungslosigkeit. Europa biete sich deswegen unabhängig von seiner inhaltlichen Ausgestaltung für die Linke als Ersatzideal an. Dieser "große Sprung rückwärts"(3) - der in der Zustimmung zur Europäischen Union seine ultimative Synthese findet - hat vielfältige Ursachen. Dazu gehört die soziale Herkunft der offiziellen Vertreter des fortschrittlichen Lagers. Aber auch die Kolonisierung des Denkens durch liberale Meinungsmacher verdient Berücksichtigung.(4).
Da jeder Ausweg aus Kapitalismus und Liberalismus historisch verstellt scheint, wird Europa also zum willkommenen Ersatzideal. Nicht von ungefähr verweisen die linken Jasager zu Maastricht und EU-Verfassung lieber auf das, was Europa sein könnte, als auf das, was Europa ist. Auch wenn Europa ihren Wünschen nicht entspricht, halten sie an ihm fest, weil sie das Gefühl haben, dass ihnen nichts anderes geblieben ist. Doch das Europa in seinem heutigen Zustand ist eine sozioökonomische Realität mit unmittelbar spürbaren Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.(5) Und der fortschreitende Zerfall der politischen Kultur hat dazu geführt, dass dieses real existierende Europa akzeptabel erscheint.
Die Konfusion ist umso größer, als die offiziellen Repräsentanten der Linken jeder inhaltlichen Diskussion über das europäische Projekt konsequent aus dem Weg gehen. Genauso, wie man schon die staatliche Wirtschaftspolitik Schritt für Schritt aus den ideologischen Kontroversen herausgenommen hat, soll nun auch das Thema Europa "entpolitisiert" werden. Europa sei weder links noch rechts, womit also nur noch Europa als solches zur Debatte stehen soll. Diese Haltung lässt keinen Raum mehr für politisches Argumentieren und für das Nachdenken über ein anderes Konzept der kontinentalen Einigung.
Im ideologischen Kontext der 1980er-Jahre deckt sich die Europäische Einigung mehr und mehr mit Wirtschaftsliberalismus. Dabei zeigt sich die Linke unfähig, eine fortschrittliche Alternative zu Europa zu konzipieren. Sie flüchtet sich in eine Art Eurodogmatismus, der von guten Absichten unterfüttert ist. Damit beschränkt man sich allerdings auf bloßes Moralisieren, statt Politik zu machen. Nach dem Vorbild von Tony Blair, der den Kampf um soziale Gerechtigkeit durch salbadernde Aufrufe gegen die Armut ersetzt, zeigt die "Europa-Linke" mehr gute Absichten als gute Ideen.
Doch auch die europäischen Gewerkschaften ließen sich kompromittieren und mutierten zu "Partnern" der Europäischen Union. In dieser Rolle entwickelten sie eine Mentalität der Einvernehmlichkeit, die der Vertretung und Verteidigung von Arbeitnehmerinteressen abträglich ist. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) verkörpert in Reinkultur diese Transformation einer bürokratischen Zentrale in "Sozialexperten"(17). Ohne politische Anbindung erlag der EGB in Brüssel - um es mit Pierre Bourdieu zu formulieren - der "technokratisch-diplomatischen"(18) Versuchung. Er arrangiert sich in einem ideologisch ungünstigen Umfeld mit den mächtigen Arbeitgeberverbänden, die an Verhandlungen wenig Interesse zeigen, weil ihre wesentlichen Forderungen bereits erfüllt sind.
Überdies geht von den internationalen Organisationen - und die Europäische Union bildet hier keine Ausnahme - eine irgendwie einschläfernde Wirkung aus. Ihre Mitglieder mögen, abgeschottet vom Rest der Welt und ständig in mehreren Sprachen parlierend, das aufrichtige Gefühl haben, an einem großen gemeinsamen Abenteuer teilzunehmen. Dabei mag ihnen die Zugehörigkeit zu dieser kleinen Welt, in der man sich gegenseitig einlädt und beglückwünscht, zu Kopf steigen. In einer solchen Stimmung, die auch bei den Europaabgeordneten und den Beamten der EU-Kommission anzutreffen ist - der Politologe Jacques Généreux beschreibt sie als naive Haltung(19), der Forscher Raoul-Marc Jennar hingegen als eine Art Verrat(20) -, geraten die Sorgen der Bevölkerung etwa über Produktionsverlagerung und Arbeitslosigkeit immer weiter aus dem Blickfeld.
So erweist sich das Projekt Europa - inmitten des ideologischem Bankrotts, des Einverständnisses mit den sozialen Verhältnissen und der allgemeinen Geschichtslosigkeit - immer klarer als das Bermudadreieck der Linken, das ihre Repräsentanten und ihre politischen Kräfte mit Mann und Maus verschlingt. Die wachsenden Animositäten der Verfechter eines Ja zur EU-Verfassung entspringen wohl nur der diffusen Befürchtung, ein Sieg der Neinkräfte könnte dazu führen, dass die Bermudanebel verfliegen und die politischen Karten neu gemischt werden.
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